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      Der junge Mann blieb in Gedanken versunken an seinem Fenster. Der in dem Gehölz verborgene Reiter war offenbar nicht der Gefährte, den er erwartete, und der Ausdruck von Ungeduld, der sein Gesicht zusammenzog, machte einem Ausdruck der Neugierde Platz.

      Bald zeigte sich ein zweiter Hut an der Biegung der Straße; sofort zog sich der junge Mann so weit zurück, daß er nicht mehr gesehen werden konnte.

      Dieselbe graue Kasake, dasselbe Manöver des Pferdes, dieselbe glänzende Muskete. Der zweite richtete an den, der zuerst gekommen war, einige Worte, die unser Beobachter der Entfernung wegen nicht hören konnte, und, zweifellos von seinem Gefährten unterrichtet, drang er in die mit dem Gehölz parallel liegende Baumgruppe, stieg ebenfalls vom Pferd, kauerte sich hinter einen Felsen und wartete.

      Von seinem erhöhten Standpunkt aus sah der junge Mann den Hut über dem Felsen; neben dem Hut funkelte ein leuchtender Punkt, das Ende des Musketenlaufes.

      »Oh, oh!« fragte sich der Beobachter, »ist es auf mich oder auf die tausend Louisdor, die ich bei mir trage, abgesehen? Aber nein, wenn Richon kommt und ich mich noch heute auf den Weg begebe, so gehe ich nach Libourne und nicht nach Saint-André. Folglich komme ich nicht an dem Orte vorüber, wo diese Burschen sich verborgen halten. Wenn nur mein alter Pompée da wäre, ich könnte ihn um Rat fragen. Aber wenn ich mich nicht täusche, ja, wahrhaftig, hier erscheinen noch zwei Männer, sie stoßen zu den andern. Ei, ei, das sieht ganz aus wie ein Hinterhalt.«

      Der junge Mann trat einen Schritt zurück.

      In diesem Augenblick erschienen wirklich zwei Menschen auf dem Wege. Aber diesmal hatte nur einer von ihnen die graue Kasake an. Der andere ritt einen mächtigen Rappen, war in einen großen Mantel gehüllt, trug einen verbrämten Filzhut mit weißer Feder, und man sah unter dem Mantel, den der Abendwind emporhob, eine reiche Stickerei glänzen, die sich über einen orangefarbenen Leibrock hinschlängelte.

      Soeben verschwand die Sonne, und ihre letzten Strahlen ließen die Fensterscheiben eines hübschen Hauses erglänzen, das etwa hundert Schritte vom Flusse und zwischen den Zweigen einer dichten Baumgruppe verborgen, von dem jungen Menschen sonst nicht bemerkt worden wäre. So beobachtete er, daß die Blicke der Spione sich abwechselnd dem Eingange des Dorfes und dem kleinen Hause mit den funkelnden Fensterscheiben zuwandten. Weiter sah er, daß die grauen Kasaken die größte Achtung vor der weißen Feder zu haben schienen, mit der sie nur mit entblößtem Haupte sprachen, und endlich, daß eine Frau, als eines der erleuchteten Fenster sich öffnete, auf dem Balkon erschien, sich einen Augenblick vorbeugte, als ob sie ebenfalls jemand erwartete, und sich dann, ohne Zweifel aus Furcht, gesehen zu werden, wieder zurückzog.

      Es war nicht schwer zu erkennen, daß die Bewaffneten das kleine Haus bewachten, und es war wahrscheinlich, daß sie und die Frau dieselbe Person, aber in ganz verschiedener Absicht, erwarteten.

      In dem Augenblick, wo der junge Mann in seinem Innern diese Reihenfolge von Schlüssen vollendete, wurde die Tür seines Zimmers geöffnet, und Meister Biscarros trat ein.

      »Mein lieber Wirt,« sagte der junge Mann, ohne dem Wirt Zeit zu lassen, das Wort zu ergreifen: »Wer bewohnt jenes kleine Haus dort?«

      »Eine junge Dame, die sich für eine Witwe ausgibt und die der Schatten ihres ersten und vielleicht auch ihres zweiten Gatten von Zeit zu Zeit besucht. Nur ist zu bemerken, daß sich diese beiden Schatten ohne Zweifel verständigen, denn sie kommen nie zu gleicher Zeit.«

      »Und seit wann,« fragte lächelnd der junge Mann, »bewohnt die schöne Witwe das vereinzelte, wie es scheint, so bequeme Haus?«

      »Seit ungefähr zwei Monaten. Sie lebt jedoch sehr zurückgezogen, und ich glaube, es kann sich niemand rühmen, sie seit diesen zwei Monaten gesehen zu haben; denn sie geht äußerst selten aus, und wenn sie ausgeht, nur verschleiert. Ein reizendes Zöfchen kommt jeden Morgen zu mir und bestellt die Speisen für den Tag. Man bringt sie zu ihr, sie empfängt die Platten im Hausflur, bezahlt die Rechnung ohne zu knausern und schließt die Tür unmittelbar vor der Nase des Kellners. Diesen Abend zum Beispiel findet dort ein Mahl statt, und für sie bereitete ich die Wachteln und Feldhühner, die Ihr mich rupfen saht.«

      »Und wen bewirtet sie?« – »Ohne Zweifel einen von den zwei Schatten, von denen ich vorhin sprach.«

      »Habt Ihr diese Schatten gesehen?«

      »Der eine ist der eines Mannes von sechzig bis fünfundsechzig Jahren, und dieser sieht mir aus, als wäre er der des ersten Gatten, denn er kommt wie einer, der des Vorzugs seiner Rechte sicher ist. Der andere ist der eines jungen Mannes, von sechs- bis achtundzwanzig Jahren. Dieser ist, muß ich gestehen, etwas schüchterner und hat ganz das Aussehen einer gefolterten Seele. Ich wollte auch wetten, es ist der des zweiten Gatten.«

      »Um welche Zeit sollt Ihr dem Befehle gemäß das Abendessen heute liefern?« – »Um acht Uhr.«

      »Es ist halb acht,« sagte der junge Mann, eine sehr schöne Uhr, die er bereits wiederholt befragt hatte, aus seiner Tasche ziehend. »Ihr habt also keine Zeit zu verlieren.«

      Nachdem noch der Jüngling den Wirt wegen seiner eigenen Mahlzeit, die ihm wenig am herzen liege, beruhigt hatte, entfernte sich Biscarros.

      »Ah, nun begreife ich alles,« sagte der junge Mann zu sich selbst und nahm neugierig wieder seinen Posten am Fenster ein. »Die junge Name erwartete irgend, einen, der von Libourne kommen muß, und die Männer im Gehölz wollen mit ihn anbinden, ehe er Zeit gehabt hat, an die Tür zu klopfen.«

      In derselben Minute und wie um die Worte des scharfsichtigen Beobachters zu rechtfertigen, ließ sich der Tritt eines Pferdes auf der Linken vernehmen. Rasch wie der Blitz prüfte das Auge des jungen Mannes das Gehölz, und er glaubte trotz der Dunkelheit aus der heftigen Bewegung der Zweige die Aufregung der dort Harrenden zu erkennen und den harten Klang vom Spannen einer Muskete zu vernehmen. Da wandte er sich rasch nach der Seite von Libourne und sah einen jungen Menschen mit heiterer Siegermiene, den Arm in der Hüfte, herantraben, dessen kurzer, mit weißem Atlas gefütterter Mantel anmutig die rechte Schulter freiließ. Vorn erschien dieses Gesicht voll Eleganz, voll weicher Poesie und freudigen Stolzes; in der Nähe zeigte es seine Linien, einen belebten Teint, glühende. Augen, einen durch die Gewohnheit des Lächelns halb geöffneten Mund, einen zarten schwarzen Schnurrbart und kleine weiße Zähne. Ein triumphierendes Schwingen der Reitpeitsche, ein kurzes Pfeifen, wie es damals modern war, ließ in dem Ankömmling einen vollendeten Kavalier nach den am, französischen Hofe bestehenden Ritterschaftsgesetzen erkennen.

      Fünfzig Schritte hinter ihm kam ein anmaßender und aufgeblasener Lakai, der einen nicht minder ausgezeichneten Rang unter den Bedienten, wie sein Herr unter den Edelleuten einzunehmen schien.

      Der schöne Jüngling konnte sich beim Gedanken an die vorstehende Gewalttat eines Bebens nicht erwehren und rief, einer raschen Aufwallung nachgebend, dem schönen Reisenden zu: »Hollah! mein Herr, haltet an, bitte, denn ich habe Euch etwas Wichtiges mitzuteilen.«

      Bei dieser Stimme und bei diesen Worten hob der Reiter den Kopf empor und hielt, als er den jungen Mann am Fenster sah, sein Pferd mit einer Handbewegung an, die dem besten Stallmeister Ehre gemacht hätte.

      »Haltet Euer Pferd nicht an, mein Herr,« fuhr der junge Mann fort, »nähert Euch mir im Gegenteil, als ob es ohne besondere Absicht geschähe und wie wenn Ihr mich kenntet.«

      Der Reisende zögerte einen Augenblick; als er aber an der Miene dessen, der zu ihm sprach, wahrnahm, daß er es mit einem jungen Edelmann von guter Haltung und schönem Antlitz zu tun hatte, nahm er den Hut in die Hand und ritt lächelnd vor.

      »Hier bin ich zu Euern Diensten, mein Herr,« sagte er, »was steht zu Befehl?«

      Mit wenigen Worten teilte der Jüngling dem Kavalier seine Mitteilungen mit, und dieser wußte auch sofort, wer der Anführer im Gehölz war, der mit seinen Stock- und Musketenträgern seiner harrte. Er forderte seinen jungen Warner auf, ihm mit dem Degen in der Hand, gegen seine Widersacher zu Hilfe zu kommen, und ließ sich, nachdem jener die Einladung fast mit Schrecken zurückgewiesen hatte, nur durch den Hinweis, daß es sich um die Ehre einer Frau handle, abhalten, allein den Strauß

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