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Der Bogen in die Zukunft. Helmut Lauschke
Читать онлайн.Название Der Bogen in die Zukunft
Год выпуска 0
isbn 9783754181911
Автор произведения Helmut Lauschke
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
“Haben Sie mal etwas von dem freundlichen Kollegen gehört, der hier in Leutnantsuniform der südafrikanischen Streitmacht seinen Dienst getan hatte?” Das fragt die Schwester hinter dem Instrumententisch, als Dr. Ferdinand den Nähfaden nach Verschluss der Faszienblätter der Bauchdecke knüpft. “Meinen Sie Dr. van der Merwe?” Es ist ein Name, den Dr. Ferdinand nicht vergessen wollte. Hinter diesem Namen verbirgt sich ein hervorragender junger Mensch und Arzt, der auf seine Uniform keine Rücksicht nahm, wenn er am Patienten arbeitete. Dazu kommt, dass Dr. van der Merwe wie ein Freund gewesen war, als Dr. Ferdinand unsicher die Füße auf den afrikanischen Boden setzte. Oft hat er seine Hilfe angeboten, damit Dr. Ferdinand als Neuling der afrikanischen Verhältnisse keine weichen Knie bekam. Es war der schonungslos wütende Krieg mit der Vielzahl an Verletzten und die internen Querelen und Intrigen, die die Sicht des Dr. Ferdinand getrübt hatten. An manchen Tagen war die Trübung so stark, dass ihn die Depression erdrückte und er nicht wusste, wo vorn und hinten war. “Dr. van der Merwe ist kurz vor dem Abschluss der Spezialisierung als orthopädischer Chirurg. Er ist glücklich verheiratet mit seiner lieben Frau, mit der er zwei Kinder in die Welt gebracht hat. In seinen Briefen erwähnt er jedes Mal das Hospital, in dem er viel gelernt habe, und richtet Grüße an die Schwestern aus, mit denen er zusammengearbeitet hat.”
Ein Lächeln glättet das Gesicht der Schwester, die diesen Arzt in guter Erinnerung behalten hat, weil er für die Menschen in der schweren Zeit des Krieges ein Arzt mit menschlichem Antlitz war. “Dieser Arzt war anders als die anderen Ärzte in Uniform. Alle haben ihn geachtet, weil er ein gutes Herz für die Menschen hatte und voll in der Arbeit an ihnen aufging. Bei ihm störte es nicht, dass er die Uniform der Besatzer trug, weil unter der Uniform der gute Mensch zu spüren war.” Das sagt die Schwester hinter dem Instrumententisch, bevor sie Pinzette und Nadelhalter mit Nadel entgegennimmt.
Als Dr. Ferdinand das ‘theatre’ verlässt, war Mitternacht überschritten. Er zieht sich die verschwitzte OP-Kleidung vom Körper, reibt den Schweiß mit einem trockenen OP-Hemd ab, zieht das Zivile an, fährt mit den Fingern durchs nasse Haar und macht sich auf den Rückweg zur Wohnstelle. Er hofft, für die letzten Stunden noch etwas Schlaf zu finden.
Die Anstrengung soll für sich selbst sprechen
Demut macht Menschen zu Engeln (Augustin von Hippo). Manchmal müssen Menschen Dinge von niederem Wert verlieren, um etwas von höherem Wert zu bekommen. Ohne ein Wort sollte deine Anstrengung für sich selbst sprechen. Tue gut ungeachtet ob schwach oder hell, du musst nicht angeben mit großen Worten. Die Jüngeren wünschen Vertrauen, die Älteren suchen nach Weisheit in der Demut. Zwei Dinge im Kontrast: Deine Geduld, wenn du nichts hast, und deine Haltung, wenn du alles hast.
Wenn Menschen etwas von niederem Wert verloren haben, dann wird gehofft, dass sie etwas von größerem Wert gewinnen. Denn es ist verständlich, dass nichts ist frei erhältlich, aber der Verlust großer Werte ist, wie die Zeit zeigt, die Katastrophe, die mit derzeitigen intellektuellen Instrumenten kaum hantiert werden kann, weil die mentalen Störungen aufgrund des mangelnden Wissens aus der Hand gehen.
Es ist die Anstrengung dis Arbeit zu tun, die die Wahrheit sprechen sollte, denn die verbleibende Stille ist oft näher zur Bedeutung, dass der Geist der Absicht seine Sprache der Stärke und Erfüllung der Aufgabe spricht, die ihm der große Schöpfer gegeben hat. So berührt Zeit den zeitlosen Raum in der Gestaltung des Vorgangs, die mit dem Anlegen der Asymptote an den Kreis des Glücks einhergeht.
Weisheit ist in der Demut und das mehr als im gesprochenen Wort, was Grund ist, dass du nicht durch Hörkontrolle dich wichtig nehmen must, was Demut zu sein hat, weil das eine groß ist, während du klein bist, um eine Rede über diese Größe abzugeben. Denke mehr und sprich weniger, dann gehst du in die richtige Richtung in den universalen Raum der endlosen Dimensionen.
Nicht weit vom Kreis des Glücks ist der andere Kreis der gegenteiligen Dinge wie Unterdrückung, Schmerz, Trauer und Einsamkeit. Häftlinge kamen zurück von den Arbeitslagern im Zustand der schwersten Erschöpfung und von Hunger, viele fühlten sich verloren und nahmen sich das Leben. Diese Menschen haben die Sprache verloren, um von den Gräueltaten zu berichten, durch die sie gegangen sind mit Folter und Kerkerhaft.
Demut macht den Menschen zum Engel, das sind Augustins Worte, durch Reflexion der Seele in der Helligkeit der großen Tugend. Junge Menschen suchen Vertrauen und Bestätigung, während die älteren nach der Weisheit in der Demut suchen. Zwei Dinge: Was ist deine Geduld, wenn du nichts hast, und was ist deine Haltung, wenn du alles hast?
Von den Jahren kommen die Schrunden
Arm in Arm gehen Arm neben Arm.
Es sind Frauen, die es barfuß tun,
sie sind auf dem Weg zum Brunnen
mit verbeulten Eimern auf den Köpfen.
Von den Jahren kommen die Schrunden
an den Zehen und den Sohlen.
Das Wasser muss herbeigetragen werden,
damit es mit dem Leben weitergeht.
Die Mutter trägt es der Tochter vor,
so tut es die ältere Schwester vor der jüngeren.
Das mit dem Wasser ist ein ernstes Kapitel,
bei dem den Beteiligten das Lachen vergeht.
Arm in Arm gehen dünne Beine weit,
und weiter wird’s in trocknen Jahren,
wenn im Brunnen es kein Wasser gibt,
und die Hoffnung sich zum übernächsten zieht.
Am frühen Morgen muss das Wasserholen sein,
denn nach wenigen Stunden glüht der Stein,
an dem sich die Füße auf dem Weg verbrennen.
Mütter und Mädchen stehen früh am Brunnen.
Sie ziehen die gefüllten Eimer aus großen Tiefen herauf.
Die Hähne krähen die halb Sechs
Es ist halb sechs, als die Hähne das fünfte Mal krähen. Ferdinand stellt sich unter die Brause und wäscht sich den Schlaf vom Gesicht. An diesem Morgen will er früh im Hospital sein, um die Patienten noch vor der Morgenbesprechung zu sehen. Überhaupt will er an seinem Arbeitsstil festhalten, wie er ihn vor der Unabhängigkeit hatte. Doch spürt er die Zeichen der Schwäche, die sich durch die jahrelange Überforderung in ihm eingehängt hat. So vermisst er seit über einem Jahr das Gefühl des Frischseins beim Aufwachen, das Gefühl, wirklich ausgeschlafen zu haben und erholt zu sein. Stets sind Reste der vorangegangenen Tage im Denken übrig, die sich, wenn sich die Ladungen ballen, bis zum morgendlichen Kopfschmerz zusammendrücken. An manchen Morgenden muss er eine Schmerztablette nehmen.
Nach der Tasse Kaffee macht er sich auf den Weg zum Hospital. An diesem Mittwochmorgen nimmt er den kürzeren Weg zwischen dem zerfledderten Lattenzaun und dem ausgerollten Stacheldraht, ein Weg, den er nach beiden Richtungen einige tausend Male gegangen war. Von den fünf aufgestelzten Caravan-Häusern links des Weges stehen nur noch zwei leer. Drei Caravan-Häuser, die dem Hospital am nächsten stehen, sind von Schwestern bewohnt. Im letzten Haus, das dem Hospital gegenübersteht, wohnt Schwester Sarah, die bei der Bombenexplosion am 19. Februar 1988 in der Barclay’s Bank schwere Verbrennungen erlitten und das rechte Bein verloren hat. Sie wohnt mit ihren zwei kleinen Kindern und muss die Straße mit den vielen Schlaglöchern überqueren,