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Freundlicher Tod. Ute Dombrowski
Читать онлайн.Название Freundlicher Tod
Год выпуска 0
isbn 9783742755940
Автор произведения Ute Dombrowski
Жанр Языкознание
Серия Eltville-Thriller
Издательство Bookwire
Alexander bestellte ein Glas Wein für sich und für die Frau noch einmal dasselbe Getränk, was sie schon den ganzen Abend getrunken hatte. Anscheinend hatte sie Probleme und er nahm sich vor, ihr zu helfen.
„Ich bin Alexander, ich dachte, ich sage dir das, denn wir werden zusammen ins Neue Jahr rutschen.“
Ein winziges Lächeln huschte über das Gesicht der jungen Frau und verschwand gleich wieder.
„Ich bin Birte. Und das nächste Jahr wird genauso beschissen anfangen, wie das hier zu Ende geht.“
„Oh, das klingt ja nicht, als wenn es dir gut geht. Kann ich dir helfen?“
„Nein, mir kann keiner helfen, ich bin eine Mörderin und werde das immer bleiben.“
Die Getränke kamen und Alexander hielt Birte das Glas zum Anstoßen hin. Sie hob ihres an, stieß kurz gegen seines und trank es dann in einem Zug leer.
„Wie kann das denn sein?“, fragte Alexander. „Wenn du eine Mörderin wärst, würdest du im Gefängnis sitzen.“
Birte lachte böse auf und entgegnete: „Der Mord, den ich begangen habe, war vollkommen legal. Ich habe mein ungeborenes Kind getötet.“
Sie winkte nach dem Kellner und orderte ein neues Glas.
„Und jetzt betrinkst du dich, weil du es bereust?“
„Ja, ich bereue es. Jeden Tag, jede Minute, jede Sekunde muss ich daran denken. Und nur, weil der Wichser mich dazu gebracht hat.“
„Jetzt hast du mir schon fast alles erzählt. Also los, raus mit der ganzen Geschichte.“
„Nein, vergiss es, ich betrinke mich, um nicht daran denken zu müssen. Entschuldige, es geht dich auch einfach nichts an.“
„Alles in Ordnung, ich wollte dich nicht bedrängen. Ich gehe jetzt lieber. Einen guten Rutsch trotzdem.“
Birte winkte ab. Alexander stand auf, bezahlte im Vorbeigehen am Tresen und verließ das Restaurant in Richtung Rheinpromenade, wo sich schon eine Menge Leute zum Feuerwerk versammelt hatten. Er fand einen Platz auf einer Bank und wartete auf Mitternacht.
Als das Feuerwerk begann, schloss er die Augen und lauschte dem dumpfen Grollen der Raketen, die in den Himmel geschossen wurden. Die Lichter dort vermischten sich mit den Sternen, aber Alexander interessierte sich nicht dafür. Er war immer nur fasziniert von den Geräuschen und dem Geruch, der die Luft erfüllte. Ein Betrunkener stieß ihn an und schimpfte, dass er hinsehen sollte, aber Alexander lächelte nur.
„Alles Gute, Alter!“, rief der betrunkene Mann und bot ihm einen Schluck aus der Schnapsflasche an.
Alexander schüttelte den Kopf und machte sich auf den Heimweg. Hinter den Fenstern seines Elternhauses sah er noch Licht, aber er lief nach oben in seine kleine Wohnung und begann zu packen. Er hatte auf dem Dachboden Kartons gefunden. Gegen Morgen war sein halbes Leben gut verstaut und er ging ins Bett.
Am Neujahrsmorgen schlief er lange und stahl sich leise aus dem Haus, um seinen Eltern nicht zu begegnen. Er trödelte durch die Straßen und schaute, ob irgendwo eine Wohnung frei war. Wenn keine Gardinen dran sind, ist es meistens leer, dachte er. Vor einem Mehrfamilienhaus am anderen Ende der Stadt blieb er stehen und schaute an der Fassade des Hauses hoch. Die Wohnung mit der Gaube schien bewohnt, denn da war das Fenster angekippt, aber darunter waren die Fenster geschlossen und weil weder Gardinen noch Grünpflanzen zu sehen waren, könnte er Glück haben.
Als sich die Tür öffnete und ein junger Mann eine volle Mülltüte hinaustrug, ging er auf ihn zu.
„Entschuldigung, ich wünsche Ihnen ein gesundes Neues Jahr. Darf ich Sie etwas fragen?“
Der Mann, dem das Licht wehzutun schien, hob den Kopf und sah sein gegenüber mit einem Auge an. Seine blonden Haare standen in alle Richtungen und unter dem T-Shirt zeichneten sich straffe Muskeln ab.
„Was? Sorry, ich bin noch nicht wach.“
Alexander lachte und nickte verständnisvoll. Nun wünschte ihm der Mann auch ein gesundes Neues Jahr und fragte, was er wolle.
„Ich werde dieses Jahr ganz neu anfangen. Dafür suche ich eine Wohnung. Ich habe gesehen, dass da oben keine Gardinen sind und da dachte ich mir …“
„Ja, neu anfangen ist gut. Die Wohnung unter meiner ist frei, aber die ist winzig.“
„Das macht nichts, ich bin alleine.“
„Komm doch einfach mit hoch, ich brauche dringend einen Kaffee und dann können wir reden. Ich gebe dir die Adresse des Vermieters.“
Alexander folgte dem Mann ins Haus und betrat die kleine Wohnung unter dem Dach, in der es nach kaltem Rauch und Alkohol roch. Der Mann entschuldigte sich für die Unordnung und warf den wilden Stapel T-Shirts, der auf dem Sessel gelegen hatte, auf den Boden. Er forderte seinen Besucher auf sich zu setzen und schaltete die neue moderne Kaffeemaschine an.
„Ich bin Benedikt, wer bist du?“
„Alexander. Danke für den Kaffee.“
„Warum willst du neu anfangen? Liebe? Geldsorgen?“
„Meine Schwester ist gestorben und ich muss zuhause raus. Ich habe eine Wohnung im Haus meiner Eltern. Die haben die Apotheke.“
„Ach ja, die kenne ich. Nette Leute, aber ich kann dich verstehen. So ein Schicksal ist hart. Warte mal, ich schaue nach, wo die Telefonnummer ist.“
Er ging ins Schlafzimmer, das der Wohnküche gegenüberlag und kramte im Nachtschrank, bis er triumphierend eine Visitenkarte in die Höhe hielt.
„Adresse und Telefonnummer. Vielleicht sind wir bald Nachbarn. Er hatte mich schon gefragt, ob ich jemanden wüsste, der hier einziehen will.“
Alexander las laut: „Ludwig Pitschicker, Immobilien. Wiesbaden. Danke, Benedikt. Dann werde ich gleich morgen früh mein Glück versuchen. Hoffentlich ist sie noch frei.“
„Sicher, die ist schon seit dem letzten Sommer frei und ich habe bis jetzt nie jemanden gesehen, der sie haben wollte. Es wohnt sich gut hier. Aber jetzt werde ich dich hinauswerfen, ich muss duschen und treffe mich dann mit einer bezaubernden Lady.“
Alexander nickte und verstand. Dieser junge Mann hatte sicher eine Freundin. Er bedankte sich nochmal für den Kaffee und die Visitenkarte und verließ das Haus. Fröhlich pfeifend ging er zurück in die Altstadt und schlenderte an den Schaufenstern entlang. Am späten Nachmittag machte er sich auf den Heimweg.
Dörte und Klaas saßen im Wohnzimmer und der Abendbrottisch war gedeckt. Als Alexander hereinkam, eilte seine Mutter in die Küche und kam mit einem dritten Gedeck wieder. Er setzte sich lächelnd zu ihnen.
„Ein gesundes Neues Jahr, mein Sohn, du siehst so zufrieden aus. Hattest du einen schönen Abend gestern?“
„Ja, Mama, es war nett, ich war in der Altstadt und habe ein Glas Wein getrunken. Heute Mittag war ich dann am anderen Ende der Stadt und ich denke, ich habe eine kleine Wohnung gefunden.“
Klaas schwieg, aber Dörte freute sich.
„Sehr gut, und wenn das mit der Arbeit auch klappt, dann kannst du auf eigenen Beinen stehen. Papa und ich werden dich unterstützen, wo wir können. Nicht wahr, Klaas?“
Klaas war immer noch enttäuscht und hielt die Idee seines Sohnes für ein Hirngespinst, aber er hatte seiner Frau versprochen, ruhig zu bleiben und brummte nur etwas Unverständliches.
„Papa wird sich morgen mal umhören, wo du arbeiten könntest. Ich bin für dich da, mein Großer, jetzt haben wir ja nur noch dich.“
Die plötzliche Erinnerung an das, was er getan hatte, ließ Alexander erstarren. Er hörte auf zu kauen und es gelang ihm nur mit Mühe,