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alt=""/>Vorwort

      

Auch wenn ich nichts mehr hasse als Vorworte, komme ich in diesem Fall nicht umhin. Man wird sich bei diesem Titel sicher fragen, was ein ‚Monstratorem‘ genannter Fingerzeig mit einer unbeschreiblichen Liebe verbinden soll? Ja mehr noch, wieso widmet man ihr ein ganzes Buch, wenn sie doch unbeschreiblich ist? Genau darin liegt das Problem. Gerade diese Unbeschreiblichkeit verlangt ein ganzes Buch und selbst das umreißt nur im Ansatz, was beide Protagonisten umtreibt. In diesem Fall ist es wieder einmal der höchste Grad der Unvernunft, der jeden Unbeteiligten verschreckt, unsere beiden Protagonisten aber zusammenschweißt. Vielleicht verlangt der Weg zum Glück ein gehöriges Maß an Unvernunft, um zu seiner Bestimmung zu finden? Aber da sich Liebe bekanntlich nicht rational erklären lässt, will ich mit dieser Geschichte das Unmögliche, wenn schon nicht erklären, so doch zumindest fassbar machen. Sicher wird kaum jemand behaupten, alle nur denkbaren Varianten einer Liebe zu kennen, denen man das Prädikat unbeschreiblich oder gar unmöglich zubilligen könnte. Doch dieses Beispiel ist so außergewöhnlich, dass es beides erfüllt und schon deshalb eine Niederschrift verdient.

      © 2018 Anja Gust

      Der Pate

      Die untergehende Sonne über den Bergen des Diavolezza-Massivs in der Nähe Pontresinas verwandelte den Himmel in eine Feuersbrunst aus kupfernen Wolkenfetzen. Ihre schrägen Strahlen entzündeten die schneebedeckten Gipfel mit sprühenden Funken und verliehen ihnen einen absonderlichen Glanz. Der Wind hatte sich erhoben und rauschte durch eine Tannenschonung. Unverhofft traten zwei Hirsche aus der Deckung, hielten majestätisch inne und lauschten. Behutsam näherten sie sich einem Bachlauf, der sich wie ein silbern schimmerndes Band durch das Tal schlängelte und irgendwann in dunstiger Ferne verlor. Die Tiere senkten die Hälse und tranken.

      „Möge das Wild unbesorgt äsen und der Atem Gottes über ihr Fell streichen“, flüsterte Baron von Billow ergriffen, der die malerische Szene von seiner Veranda aus beobachtete.

      Sein Gast, der ehemalig hochdekorierte Kundschafter der Abteilung A XII der Hauptverwaltung für Aufklärung, Diethard Säuberling, ein stämmiger Mann mit blondem, schütterem Haar, hoher Stirn und auffallend stechenden Augen, stimmte ihm zu. Allerdings dachte er sich seinen Teil. Was blieb ihm auch anderes übrig, kannte er doch die Neigung dieses sentimental verschrobenen Aristokraten zu romantischen Anwandlungen, selbst wenn man sie ihm gar nicht zutraute.

      Der Baron war eher klein, unscheinbar und hatte einen leichten Buckel. Sein Gesicht war recht gewöhnlich, drückte nichts weiter aus und wirkte gar etwas vertrottelt. Man hätte ihn glatt für einen beflissenen, mit Ärmelschonern und Mütze versehenen Postbeamten halten können, dessen schlechtsitzendes Gebiss für eine feuchte Aussprache sorgte. Schon deshalb war eine zu große Nähe nicht ratsam, besonders bei längeren Debatten. Er gab sich gelehrtenhaft zerstreut, wobei sein gewaltsam unterdrückter Hochmut immer wieder hervorbrach und ihn als das auszeichnete, was er war: ein pedantischer, gern in Allegorien schwadronierender Möchtegernschöngeist.

      Natürlich pflegte er als Mäzen und Poet höchste Umgangsformen und schätzte Stil und Eleganz. Er las auch gern schwere Kost, vor allem Nietzsche und Schopenhauer. Sogar an Kant hatte er sich schon herangewagt, selbst wenn er kaum etwas davon verstand. Doch gerade das verlieh ihm noch mehr Würde. Kein Wunder, dass er Geschwätzigkeit verachtete und Geistreichelei liebte, selbst wenn er beides nicht immer zu trennen vermochte.

      Allerdings tat man gut daran, ihn nicht darauf anzusprechen. Folglich verzichtete Säuberling vorerst darauf, dessen Seelenlabsal durch die Nichtigkeit seines Problems zu stören, auch wenn er eigens deswegen aus Mailand angereist war. Durch den entstehenden Eindruck der Beiläufigkeit beließ er den Baron bewusst im Glauben an dessen heile Welt mit einer nur ihm vorbehaltenen einzig gültigen Wahrheit. Und Billow dankte es ihm durch sein Wohlwollen, obwohl er den Grund des Besuches längst ahnte, oder genauer, fürchtete.

      Doch statt endlich zur Sache zu kommen, wie es eigentlich zu erwarten war, zeigte der Hausherr keine Eile. Lieber führte er seinen Gast in bester Plaudermanier in das großzügige Kellergeschoss – einem im römischen Stil mit weißem Alabaster verkleideten Gewölbe, dessen Deckenbögen mit feinstem Berkovitza-Marmor überzogen waren. Die Wände bestachen durch sorgsame Stuckarbeiten. Hier befand sich die hauseigene Sauna.

      Unter gedimmtem Licht aus gusseisernen, schwarzverschnörkelten Lampen an den Wänden entkleideten sich die beiden Herren. Lediglich mit einem um die Hüften geschlungenen Baumwolltuch platzierten sie sich bäuchlings auf zwei Liegen aus massivem Mahagoni mit Auflagen aus schneeweißem Byssus. Der Baron mochte Antikes und trank seinen Tee entsprechend aus einem silbernen Becher mit aus griechischen Mythologien entlehnten Ziselierungen.

      Danach wies er eines der im Hintergrund wartenden, spärlich bekleideten Mädchen an, mit der Massage zu beginnen. Sichtlich genoss er die Geschmeidigkeit der flinken Hände, dieses Prickeln und Kribbeln, was seinen Kreislauf wieder in Schwung brachte, so dass er sich wonnevoll in den Arm biss. Augenblicklich fühlte er sich um zehn Jahre verjüngt und könnte glatt einen Ochsen niederringen, zumindest theoretisch.

      Sein Gast tat es ihm gleich und ließ sich auf selbe Weise durchkneten. Jedoch schien er, im Gegensatz zu seinem Gastgeber, nicht so recht bei der Sache. Er blieb sehr nachdenklich und verspannt, weshalb seine Blockierungen einfach nicht zu lösen waren. Selbst als sein Mädchen zu weiteren Aktivitäten ansetzte und dazu langsam ihr Tuch von den Hüften löste und damit einen makellosen Körper entblößte, drückte er sie weg.

      Das entging dem Hausherrn nicht und er begann sich nach Säuberlings Befinden zu erkundigen. Immerhin beliebte der Baron in seiner Großzügigkeit, jedem ankommenden Besucher allen nur denkbaren Luxus zu bieten, selbst erotischen. Schließlich war man hier unter sich, und die eigens dazu verpflichteten mandeläugigen Schönheiten aus Borneo verstanden sich vorzüglich auf weitere Künste. Dennoch beinhaltete die Atmosphäre etwas Beklemmendes, Unwirkliches. Hier wurde nicht gesprochen, nicht mal geflüstert. Man hatte nur zu gehorchen, vor allem aber zu funktionieren. Der Baron machte dem Mädchen ein Zeichen, worauf sie mit der Massage innehielt und eifrig Tee nachschenkte.

      „Was haben Sie denn, Säuberling? Gefällt Ihnen die Kleine nicht?“, fragte er seinen Gast verwundert. Diesem blieb daraufhin nichts anderes, als mehr oder weniger herumzudrucksen, was den Hausherrn zur allgemeinen Überraschung ganz von selbst zum Thema führte.

      „Und Sie meinen, der Vorfall könnte für uns unangenehm werden?“

      „Nun ja, wenn Sie mich so fragen …“, erwiderte sein Gast und zog ein besorgtes Gesicht.

      „Ich frage Sie so, also antworten Sie bitte auch so, Säuberling!“, fuhr ihn der Baron unerwartet scharf an.

      „Wir haben ein Problem mit der Sicherheit!“, räumte dieser nach einigem Zögern ein.

      „Das heißt, Sie haben die Schlüssel noch nicht gefunden?“, folgerte daraufhin der Baron.

      „Leider nein. Dabei haben wir alle nur möglichen Varianten durchgespielt und bestimmt nichts ausgelassen. Ich versichere Ihnen, Herr Baron, in Erwägung aller Umstände hätte das gar nicht passieren dürfen. Das ist mir unbegreiflich!“

      Es folgte ein längeres Schweigen. Dieses wurde nur von den in Leinöl getauchten Händen der beiden leichtfüßigen Masseusen unterbrochen, sobald das Gleichmaß ihrer Massage durch leichtes Klopfen zur Lockerung der Muskulatur in kreisende Bewegungen überging. Und wie bogen und wanden sie sich dabei mit ihren Körpern gleich einer eigens dafür entworfenen Choreografie. Da glitt schon mal eine unbedeckte Brust über eine Wange oder verlockte ein leichtes Lippenspiel am Ohr zur Sünde. Das beherrschten sie und vermochten dem alten Bock schon mal ein gelegentliches „Ah“ oder „Oh“ zu entlocken. Einmal bäumte er sich sogar auf, um gewisse sich im Schritt des Mädchens abzeichnende Details genauer zu betrachten (er war nämlich kurzsichtig). Danach sank er in lustvoller Verzückung mit dem Ausruf: ‚Che grazia meravigliosa‘1

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