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den Blick meines ehemaligen besten Freundes stand zu halten. Doch es ging nicht, weshalb ich bald mein Haupt demütig senkte.

      „Ich… ich… er wollte das selbst. Ich habe ihn nicht darum gebeten und er hat keine Angst vor euch“, begehrte ich leicht auf und Robert lachte nur finster, als sein Blick sich in meinen fraß und ich nur trocken schlucken konnte: „Noch nicht. Aber glaub mir, Felix, er wird sie noch bekommen und dann stehst du wieder ganz alleine auf weiter Flur.“

      Er schlug demonstrativ vor mir auf den Tisch, was mich zusammenzucken ließ, bevor er sich mit einem dunklen Lachen von mir entfernte. Seine Freunde folgten ihm und ich spürte erneut die Verzweiflung in meinem Herzen, die mir Tränen in die Augen trieb.

      Ich durfte hier nicht weinen. Nein, das durfte ich nicht. Es würde sie nur bestätigen und sie würden noch mehr auf mir herumhacken. Ich musste stark sein und durchhalten. Nur noch eineinhalb Stunden. Das würde doch gehen, oder?

      Ich schluckte hart und atmete tief ein und aus, wodurch die Tränen langsam wieder verschwanden und ich diese Katastrophe gerade noch einmal abwenden hatte können. Aber was tat ich nun? Alex wollte sich nicht raushalten und ich wollte ihn auch nicht von mir stoßen. Ich brauchte jemanden, der mir durch diese Zeit half. Sonst tat es doch niemand. Allen anderen war ich nur egal.

      Ich musste leicht grinsen, als ich an das Lächeln von Alex dachte. Er begegnete mir ohne Vorurteil und verteidigte mich sogar. Ihm war egal, wen oder was ich liebte. Es tat so gut, wenn man mich mal nicht als Monster bezeichnete. So verdammt gut.

      Als der Lehrer ins Zimmer kam, lauschte ich seinem Unterricht nur mit halbem Ohr und versuchte, immer noch irgendeinen Weg zu finden, Alex zu beschützen. Allein der Gedanke war eigentlich lächerlich. Ich konnte mich ja nicht einmal selbst verteidigen, wie sollte ich dann überhaupt noch einen Zweiten in Schutz nehmen.

      Vielleicht sollte ich noch einmal mit ihm reden. Nein, das war auch nicht möglich. Alex würde nicht weichen. Ich hatte seinen Ernst gesehen. Er würde mich nicht im Stich lassen, egal, wie sehr ich ihn darum bitten würde.

      Der einzige Weg wäre, ihn von mir zu stoßen. Doch das konnte ich nicht. Das war für mich keine Lösung, denn dafür genoss ich die Gesellschaft von ihm viel zu sehr. Ich wollte nicht mehr alleine sein.

      Ein tonloser Seufzer entwich meiner Kehle, als der Schlussgong erklang und ich meine Sachen zusammenpackte. Jeder Kerl, der an meinem Platz vorbeiging, schmiss irgendetwas von meinen Sachen runter, sodass ich mich bücken musste und erst als Letzter das Zimmer verließ. Der Lehrer bekam es jedoch nicht mit, weil er selbst mit Packen beschäftigt war und ich hatte nicht vor zu petzen.

      Schließlich war alles in meiner Tasche verstaut und ich konnte sie schultern, bevor ich dann das Zimmer verließ und nach Hause gehen wollte, doch als ich den Schulhof überquerte, wurde ich erneut umzingelt.

      Robert sah mich wieder eiskalt an und ich konnte sein Verhalten immer noch nicht verstehen. Wie war es für ihn so einfach, mich zu hassen? Schließlich waren wir Sandkastenfreunde gewesen. Wir hatten unseren ersten Schmetterling zusammen gefangen, Sandburgen gebaut und Mädchen geärgert. So oft gelacht und einander immer wieder getröstet. Wie konnte er das alles nur vergessen und mich so stark verachten? Ich begriff es nicht...

      „Na, wo ist dein Wachhund jetzt?“ Der Spott in seiner Stimme tat mir weh, doch ich zuckte nur mit den Schultern: „Keine Ahnung. Vielleicht schon auf den Weg nach Hause.“

      Er stieß mir grob gegen den Brustkorb, was mich kurz nach hinten taumeln ließ. Direkt in die Arme eines anderen Kerls, der mich gnadenlos festhielt. Und bevor ich verstand, was für ein Spiel das jetzt wieder wurde, spürte ich einen steinernen Schmerz in meiner Magengrube. Ich wollte mich zusammenkrümmen, doch der Junge hinter mir ließ mich nicht, wodurch Robert immer wieder zuschlug.

      Die anderen feuerten ihn an und ich spürte neben dem Schmerz wieder diese Verzweiflung in mir. Warum taten sie das? Was versprachen sie sich davon? Welches Ziel verfolgten sie?

      Dieses Mal beschränkte sich Robert aber nicht nur auf meinen Oberkörper, sondern schlug mir auch ins Gesicht. Ich wusste nicht mehr, woher der Schmerz genau kam und wo man mich traf, doch irgendwann ließ man mich los. Irgendwie glaubte ich auch, dass man mich anspuckte, doch das war mir egal, als ich endlich in mich zusammenfallen konnte und sie mit einem schadenfrohen Lachen davongingen.

      Ich begriff es nicht und durch diese Hoffnungslosigkeit spürte ich erneut die Tränen auf meiner Wange. Nein, ich durfte nicht weinen. Ich wollte nicht weinen. Warum hörten sie nicht auf zu fließen? Sie sollten verschwinden. Dadurch würde alles nur schlimmer werden.

      Plötzlich berührte man mich sanft an der Schulter, wodurch ich zusammenzuckte und mich auf einen weiteren Schlag gefasst machte, doch er kam nicht. Stattdessen hörte ich die besorgte Stimme von Alex: „Felix? Ist alles in Ordnung? Es tut mir Leid, dass ich zu spät komme.“

      Ich konnte ihm nicht böse sein. Es ging einfach nicht. Schließlich hatte er ein eigenes Leben und selbst Unterricht, den er besuchen musste. Er konnte nicht immer bei mir sein, wodurch ich ihm antworten wollte, doch aus meiner Kehle drang nur ein leises Schluchzen.

      „Komm, lass uns gehen.“ Er half mir aufzustehen, wobei mir fast sofort schlecht wurde und ich mich übergeben musste. Das Blut darin ignorierte ich, denn so wie es schmeckte, kam es aus meinem Mund. Bestimmt fehlte mir irgendein Zahn. Oh ja, da schwamm er auch.

      „Du musst es jemanden sagen“, drang seine Stimme zu mir durch, wodurch ich nur den Kopf schüttelte: „Nein, das würde nichts bringen. Niemand kann mich beschützen. Solange ich hier bin, werden sie es tun und nicht damit aufhören.“

      „Dann zeig sie an“, drängte er weiter und ich sah ihn geschockt an. Das konnte ich doch nicht tun. Sie waren meine Klassenkameraden und wahrscheinlich meinten sie es auch gar nicht so. Eigentlich waren sie doch nur mit der Situation überfordert. Sie wollten mir nicht wirklich schaden und bestimmt nicht meinen Tod. Irgendwann würde es schon aufhören.

      „Nein, das kann ich nicht tun. Sie sind meine Klassenkameraden.“ Energisch schüttelte ich den Kopf, aber Alex sah mich nur besorgt an: „Sie schlagen dich zusammen, bespucken und hassen dich. Willst du wirklich darauf warten, dass dir einer von ihnen ein Messer in den Leib rammt und du daran verreckst?“

      Ich verstand die Ekstase in der Stimme von Alex nicht, doch ein unangenehmer Schauer glitt bei seinen Worten über meinen Rücken. Würden sie wirklich so weit gehen? Wäre Robert dazu in der Lage? Ich wusste es nicht, denn es schien für mich, als würde ich ihn nicht mehr kennen.

      „Ich kann nicht“, meinte ich leise und wandte mich dann ab, um in Richtung Heimat zu gehen. Ich spürte, wie Alex hinter mir blieb und mich einfach nur ansah. Hoffentlich verstand er es. Aber es ging einfach nicht. Sie waren meine Klassenkameraden. Ich hatte so oft mit ihnen gelacht und gespaßt. So viele Erinnerungen mit ihnen. Sie mussten sich einfach nur an meine Sexualität gewöhnen, lernen damit umzugehen und dann würde alles wieder wie früher. Bestimmt…

      „Oh Gott, Felix! Was ist passiert?!“ Meine Mutter war sofort bei mir, als sie meine Verfassung sah. Sie berührte meine Wange und ich zuckte zurück, weil ein gleißender Schmerz durch meinen Körper raste. „Nichts Schlimmes.“

      „Nichts Schlimmes?! Bist du des Wahnsinns? Hast du schon einmal in den Spiegel geschaut? Schatz, du siehst furchtbar aus. Wer hat dir das angetan?“ Ihre Stimme war voller Sorge und ich versuchte zu verstehen, warum sie so mit mir redete, doch ich lächelte nur kurz, bevor ich dann mit den Schultern zuckte. „Irgendwelche Fremden. Ich weiß nicht, was ich ihnen getan habe.“

      Ich musste lügen. Immer wieder lügen. Solange hatte ich schon mit einer Lüge gelebt. Jetzt sah sie nur anders aus. Früher hatte ich so getan, als würden mich Mädchen interessieren. Jetzt tat ich so, als würden es nicht meine Klassenkameraden und mein bester Freund sein, die versuchten mich zu zerstören.

      „Das… das kann doch nicht sein. Dir ist doch früher nie etwas passiert. Was hat Robert denn gemacht? Hat es ihn auch erwischt?“ Ein Dolch raste in mein Herz, als sie mich auf meinen ehemals besten Freund ansprach, doch ich schluckte nur trocken und versuchte mich

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