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mit Harry Potter zu tun hat

       „Aber Sie sind doch normal“, sagte Harry heftig. „Sie haben nur ein – ein Problem.“[1]

       Probleme und die Vorstellung einer Lösung

      Meistens seufzen wir, wenn wir irgendwo ein Problem orten. Wir gehen davon aus, dass es ausschließlich schlecht ist, ein Problem zu haben. Wir wollen es abwehren, gar nicht erst damit konfrontiert werden. Aber es gibt kluge Leute, die behaupten, dass Probleme Lösungen sind. Sie meinen damit: Wenn ich ein Problem habe, dann habe ich offensichtlich bereits eine Idee davon, wie es anders sein könnte. Denn sonst wäre das Problem ja gar nicht da! Die Ahnung, dass es anders sein könnte, weist also bereits ein bisschen in die Richtung der Lösung. Auch wenn nicht sofort klar ist, wie sie aussehen könnte und wie man zu ihr kommt.

      Dabei kann z. B. ein Coach helfen, und dazu stellt er oder sie gern Fragen im Konjunktiv, der, wie könnte man es besser bezeichnen, Möglichkeitsform. Was wäre, wenn … Angenommen, Sie könnten … – typische Einstiegsfragen, die über die derzeitige Realität hinaus- und auf eine andere Möglichkeit hinweisen. Und es gibt noch viele weitere Techniken, mit deren Hilfe man über die eigene, gewohnte Art zu denken hinaus auf eine andere Ebene der Erkenntnis, gelangen kann.

      Solche Methoden schaffen einen neuen Zugang zum eigenen Wissen, das bisher für das Lösen des Problems nicht genutzt wurde, z. B. über das Visualisieren einer Situation oder über die Arbeit mit Bildern. Gerade Metaphern – also die Übertragung auf eine bildliche Ebene – sprechen das Vorstellungsvermögen und Emotionen an. Diese beeinflussen unser Verhalten. Und so kann man über die Vorstellungswelt zu Lösungen kommen. Und dann sein Verhalten – ganz real – in diese Richtung verändern.

      Und damit sind wir bei Harry Potter: Einerseits werden wir als Lesende in ein Universum voll neuer Möglichkeiten hineingezogen – die magische Welt verfügt über Eigenheiten, die uns bisher nicht bekannt waren. Andererseits ist die Vorstellungsgabe auch für die Zauberer selbst enorm wichtig: Wer sich im Zauberunterricht nicht geistig vor Augen führen kann, wie die Teetasse zur Ratte wird, der zaubert der Teetasse im besten Fall vielleicht nur einen Schwanz an.

      Veränderungen funktionieren auch im Alltag, in der nichtmagischen Welt, über eine konkrete Zielvorstellung. Um zu ihr zu kommen, können Bilder aus Harry Potters Wirklichkeit hilfreich sein: Gestaltet sich die innere Wirklichkeit durch die Vorstellungskraft um, dann verändert sich auch die äußere Wirklichkeit. Denn über die Idee, was anders sein könnte, kann man zu einem konkreten Bild kommen, einer Zielvorstellung, und kann sie in dieser Bilderwelt auch bearbeiten. Dann ist eine Übertragung auf die Realität möglich – und somit die Umsetzung.

      Diese enge Verknüpfung von Vorstellungswelt und äußerer Welt thematisiert auch Albus Dumbledore in einem Dialog mit Harry:

      

       „Verraten Sie mir noch ein Letztes“, sagte Harry, „ist das hier wirklich? Oder passiert es in meinem Kopf?“ [...] „Natürlich passiert es in deinem Kopf, Harry, aber warum um alles in der Welt sollte das bedeuten, dass es nicht wirklich ist?“ [antwortet Dumbledore][2]

      

       Möglichkeiten und Handlungsspielräume

      Warum können eigentlich Harry, Ron und Hermine so komplexe Probleme lösen, obwohl sie noch Kinder und keine voll ausgebildeten Zauberer sind? Eine Antwort wäre, dass sie über erhöhte Lösungsfähigkeit verfügen, weil es in der magischen Welt generell ein größeres Spektrum an Möglichkeiten gibt. Das trifft natürlich auf alle Zauberkinder in Hogwarts zu. Die drei beachten darüber hinaus noch vieles, was bei der Lösung von Problemen hilfreich ist: Sie kennen ihr Ziel, sie nutzen ihre unterschiedlichen Erfahrungen und Begabungen und sie arbeiten im Team. Sie probieren vieles aus – und wenn es nicht funktioniert, machen sie etwas anderes. Ein extrem bewährtes Prinzip, das durch Steve de Shazer auch zu einem wichtigen Fundament in lösungsorientierten Coachingansätzen geworden ist.

      Nicht zuletzt nähern sie sich – als Kinder – vielen Problemen spielerisch. Und ein spielerischer Umgang mit Ideen hilft, Lösungen zu finden und aktiv zu werden. Eine rein magische Eigenschaft? Nein, wir können das ebenso nützen!

      Einen spielerischen Umgang mit Ideen kann man lernen, auch wenn man nicht Hogwarts-SchülerIn ist. Wer Harry Potter gelesen hat, ist mit vielen Dingen aus der magischen Welt bereits vertraut. Sich diese Welt konkret vorzustellen, muss nicht heißen, sich auf Realitätsflucht zu begeben. Im Gegenteil. Wer sich vorstellen kann, etwas größer oder kleiner zu zaubern, ist auf dem besten Weg, eine Kreativitätstechnik anzuwenden, mit deren Hilfe sich schnell neue Ideen finden lassen. Wer im Geist einen Schluck Felix felicis, des „flüssigen Glücks“, nimmt und zu Papier bringt, wie die Zukunft verlaufen könnte, wenn ab sofort alles bestmöglich verläuft, wendet eine hypnosystemische Intervention an.[3]

      Es gibt viele Wege, mit der eigenen Vorstellungswelt zu spielen, um kreativer mit Problemen umgehen zu können. Sich selbst ein Stück mit Hilfe Harry Potters Welt zu coachen und diese zu nützen, ist eine Möglichkeit.

      Wir verstehen die folgenden Kapitel als eine Art Reiseführer und eine Anleitung für Gedankenspiele, die ganz im Sinne des Spiels erst einmal Spaß machen sollen. Darüber hinaus bietet ein Spiel aber auch den angenehmen Nebeneffekt, in freier Atmosphäre Lösungen anzudenken, Zugang zu eigenen Ressourcen zu finden, Kreativität fließen zu lassen, sich Wissen anzueignen und – wenn auch vielleicht erst einmal in Gedanken, ähnlich dem mentalen Training – neue Muster für die Tat zu üben.[4] Und so schaffen Sie sich selbst neue und weitere HandlungsSPIELräume.

      1. Undursleyhaft handeln: Bloß nicht von den Dursleys lernen

      In diesem Kapitel geht es darum,

      – warum wir am besten alles ganz anders machen als Harrys Ziehfamilie, die Dursleys

       Mr. und Mrs. Dursley im Ligusterweg Nummer 4 waren stolz darauf, ganz und gar normal zu sein, sehr stolz sogar.[5]

      Wir beginnen bei den Dursleys. Keine Sorge, da bleiben wir nicht lange. Gleich Harry wollen wir ihre enge und kontrollierte Welt ganz rasch hinter uns lassen. Aber ein kurzer Blick auf sie lohnt, denn wie es die weise Hexe McGonagall auf den Punkt bringt: „Sie können keine zwei Menschen finden, die uns weniger ähneln.“[6]

      Mr. und Mrs. Dursley sind gemeinsam mit ihrem verwöhnten Sohn Dudley jene Ziehfamilie, bei der Harry von seinem ersten bis zu seinem elften Geburtstag lebte, leben musste. Wichtig ist für sie, was „man“ tut und vor allem nicht tut. „Man“ wohnt zum Beispiel in einem Einfamilienhaus mit gepflegtem Garten und Vorzeigeauto in der Garage. Aber „man“ kann „Leute nicht ausstehen, die sich komisch anzogen“[7]. Mit der Welt der Zauberer wollen sie, obwohl oder gerade weil Petunia Dursleys Schwester dazu gehörte, nichts zu tun haben.

      Weil die Dursleys aber „alles Vertraute und Geordnete“[8] mögen und alle „Abnormitäten“[9] ablehnen, schränken sie sich selbst unnötig ein. Es ist wie in dem Witz von dem Betrunkenen, der im Schein einer Laterne seinen Schlüssel sucht. Ein Polizist kommt hinzu, hilft ihm suchen und fragt schließlich, wo genau er denn den Schlüssel verloren hätte. „Dort hinten“, meint der Betrunkene und zeigt ins Dunkle, „aber dort ist es viel zu finster.“ Paul Watzlawick nimmt diese Geschichte als Anlass, um über das beliebte Muster, immer mehr von dem zu tun, was nicht funktioniert, zu philosophieren.[10] Man nennt das auch Neurose. Aber was bleibt jemandem übrig, der nur einen Weg kennt? Wer nur einen Hammer besitzt, der wird alles wie einen Nagel behandeln. Die Dursleys haben eine starre Vorstellung davon, wie die Welt zu sein hat, was richtig und was falsch ist. Diese „Normalität“ verteidigen sie mit aller Kraft.

      Damit

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