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zubrachte, von der Treppe nach den Dienern zu rufen. Ich sah sie nie ein Buch lesen, noch mit Nähterei beschäftigt, so lange ich im Hause war. Sie hatte einen großen, grauen Papagei, aber ich kann in der That nicht sagen, welches von beiden Geschöpfen am häßlichsten kreischte; doch war sie artig und freundlich gegen mich und fragte zehnmal des Tages, wann ich zuletzt von meinem Großvater, Lord Privilege, gehört habe. Ich bemerkte, daß sie es stets that, so oft während meines Aufenthaltes in ihrem Hause ein Besuch einsprach. Ehe ich zehn Minuten da war, sagte sie mir, sie liebe die Seeleute mit Begeisterung; sie seien die Verteidiger und Beschirmer ihrer Könige und Länder; Herr Handycock werde um vier Uhr nach Hause kommen, und dann würden wir speisen. Nun sprang sie von ihrem Stuhl auf und schrie der Köchin von der Stiege aus zu:

      »Jemima, Jemima, wir wollen die Weißfische gesotten, statt gebraten,« worauf Jemima erwiderte:

      »Kann nicht sein, Ma'am, sie sind schon aufgezweckt und paniert, den Schwanz im Maul.«

      »Wohl denn, laß es gut sein, Jemima,« entgegnete die Lady. »Stecken Sie Ihren Finger nicht in des Papageis Käfig, mein Lieber, er versteht mit Fremden keinen Spaß. Herr Handycock wird um vier Uhr nach Hause kommen, und dann werden wir unsere Mahlzeit halten. Lieben Sie Weißfische?«

      Da ich lebhaft wünschte, Herrn Handycock zu sehen, auch eben so sehr, mein Essen zu bekommen, so war es mir gar nicht unlieb, zu hören, daß die Uhr auf der Treppe die vierte Stunde schlug. Nun sprang Frau Handycock wieder auf und rief, indem sie ihren Kopf über das Geländer streckte:

      »Jemima, Jemima, 's ist vier Uhr.«

      »Ich höre es,« erwiderte die Köchin und drehte die Bratpfanne, wodurch das Zischen und der schmorende Geruch in das Wohnzimmer drang, was mich hungriger machte als je.

      Tapp, tapp, tapp!

      »'s ist unser Herr, Jemima,« kreischte die Dame.

      »Ich höre ihn,« entgegnete die Köchin.

      »Gehen Sie hinunter, mein Lieber, und lassen Sie Herrn Handycock herein,« sprach Madame; »er wird erstaunt sein, Sie die Thür öffnen zu sehen.«

      Ich beeilte mich, Frau Handycocks Wunsch zu erfüllen, und öffnete die Hausthür.

      »Wer Teufel ist das?« rief in rauhem Tone Herr Handycock, ein Mann von ungefähr sechs Fuß Höhe, in blaukattunenen Hosen und Suworow-Stiefeln, mit schwarzem Rock und Weste. Ich muß es gestehen, daß ich ein wenig verblüfft war, erwiderte jedoch, ich sei Mr. Simpel.

      »Um Gotteswillen, Mr. Simpel, was würde Ihr Großvater sagen, wenn er Sie nun erblickte! Ich habe Diener genug, mir die Thür zu öffnen, und das Besuchzimmer ist der eigentliche Platz für junge Gentlemen.«

      »Handycock,« rief sein Weib von der Treppe herab, »wie kannst Du so wunderlich sein? Ich sagte ihm, er solle die Thür öffnen, um Dich zu überraschen.«

      »Du hast mich,« erwiderte er, »mit Deiner verfluchten Dummheit überrascht.«

      Während Herr Handycock seine Stiefel an der Matte rieb, ging ich die Treppen hinauf – ich muß es gestehen, um so niedergeschlagener, als mein Vater mir gesagt hatte, Handycock sei sein Börsenmakler, und würde alles thun, um es mir bequem zu machen; wirklich hatte er in dieser Absicht einen Brief geschrieben, welchen mein Vater mir zeigte, bevor ich meine Heimat verließ. Als ich in das Besuchzimmer zurückkehrte, lispelte mir Frau Handycock zu:

      »Lassen Sie es gut sein, mein Lieber, es ist nur, weil es auf der Börse nicht richtig steht. Mr. Handycock ist gerade jetzt ein Bär Ein Wortwitz: »Bär« heißt im Englischen zugleich der Baissier, der Baissespieler, der die Preise der Aktien niederdrückt..«

      Ich dachte ebenso, antwortete aber nicht; denn Handycock kam die Treppen herauf, ging mit zwei Schritten von der Thür des Besuchszimmers bis zum Kamin, wandte diesem den Rücken zu, hob seine Rockschöße auf und fing zu pfeifen an.

      »Bist Du zum Essen bereit, mein Lieber?« fragte die Dame fast zitternd.

      »Wenn das Essen für mich bereit ist. Ich glaube, wir speisen gewöhnlich um vier Uhr,« antwortete ihr Ehegemahl verdrießlich.

      »Jemima, Jemima, decke auf! Hörst Du, Jemima?«

      »Ja, Ma'am,« erwiderte die Köchin; »gerade habe ich die Butter eingedickt.«

      Hierauf faßte sich Frau Handycock wieder und fing an:

      »Nun, Herr Simpel, wie befindet sich Ihr Großvater, Lord Privilege?«

      »Ganz wohl, Ma'am,« gab ich wenigstens zum fünfzehnten Male zur Antwort.

      Das Essen machte dem Stillschweigen, welches auf diese Bemerkung folgte, ein Ende. Herr Handycock ließ seine Rockschöße fallen und ging die Treppen hinab, indem er es mir und seiner Frau überließ, nach unserem Belieben zu folgen.

      »Verzeihen Sie, Ma'am,« fragte ich, sobald er außer Hörweite war, »was ist denn mit Mr. Handycock, daß er so barsch gegen Sie ist?«

      »Ach, mein Lieber, es gehört zu den Leiden des Ehestandes, daß das Weib auch seinen Teil bekommt, wenn's dem Manne schief geht. Mr. Handycock muß auf der Börse Geld verloren haben, und dann kommt er allemal mürrisch heim. Wenn er gewinnt, ist er so lustig wie ein Heimchen.«

      »Kommt, Ihr Leute, herab zum Essen,« schrie Mr. Handycock von unten herauf.

      »Ja, mein Lieber,« erwiderte die Dame, »ich dachte, Du wüschest Deine Hände.«

      Wir gingen nun in das Speisezimmer hinab, wo wir fanden, daß Herr Handycock bereits zwei Weißfische verschlungen und nur einen für seine Frau und mich auf dem Tische gelassen hatte.

      »Belieben Sie ein bischen Weißfisch, mein Lieber,« sprach die Dame zu mir.

      »Es ist nicht der Mühe wert, daß man ihn teilt,« bemerkte der Gentleman in saurem Tone, nahm den Fisch zwischen Messer und Gabel und legte ihn auf seinen eigenen Teller.

      »Ach, wie freut es mich, mein Schatz, daß es Dir schmeckt,« erwiderte die Dame schmeichelnd und wandte sich dann mit den Worten gegen mich: »'s kommt noch ein köstlicher Kalbsbraten nach, mein Lieber.«

      Der Braten erschien und zum Glücke für uns konnte Mr. Handycock ihn nicht ganz verschlingen. Doch nahm er des Löwen Teil, schnitt alles Braune ab, und schob dann die Schüssel seiner Frau zu, damit sie sich und mich bediene. Ich hatte noch nicht zwei Stückchen im Munde, als Mr. Handycock mich bat, ihm den Porterkrug zu langen, der auf dem Seitentische stand. Ich dachte, hat es sich für dich nicht geschickt, die Thür zu öffnen, so ist es auch nicht recht, bei Tische aufzuwarten; doch gehorchte ich, ohne eine Bemerkung zu machen.

      Nach dem Essen ging Mr. Handycock nach einer Flasche Wein in den Keller.

      »O meine Güte,« rief seine Frau aus, »er muß gewaltig viel Geld verloren haben; wir thun besser, wir gehen hinauf und lassen ihn allein, vielleicht wird er nach einer Flasche Portwein umgänglicher.«

      Ich ging sehr gern fort und, obwohl sehr ermüdet, ohne Thee zu Bett, denn Frau Handycock durfte es nicht wagen, ihn zu bereiten, bevor ihr Mann heraufkam.

      Ausrüstung in der kürzesten Frist. – Zum Glück für mich ist Mr. Handycock diesen Tag ein Bär, und ich fahre ganz wohl dabei. – Ich reise nach Portsmouth ab. – Hinter der Kutsche treffe ich einen Mann vor dem Maste. Er ist von Schnaps berauscht, aber es ist nicht der einzige Rausch, welchem ich auf meiner Reise begegne.

      —————

      Den nächsten Morgen schien Mr. Handycock etwas besser gelaunt. Es wurde nach einem Leinwandhändler geschickt, welcher Kadetten und ähnliche Leute in der kürzesten

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