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Revolution und Kontre-Revolution in Deutschland. Karl Marx
Читать онлайн.Название Revolution und Kontre-Revolution in Deutschland
Год выпуска 0
isbn 9783754956786
Автор произведения Karl Marx
Жанр Документальная литература
Издательство Bookwire
Aber die Sozialisten blieben bei der literarischen Vertretung ihrer Ideen nicht stehen. In allen freieren Kulturländern wurden damals Versuche gemacht, die Ideale der großen Utopisten durch Gründung sozialistischer Genossenschaften zu verwirklichen. Besonders verführerisch lagen die Verhältnisse dazu in den Vereinigten Staaten, in denen man eine moderne Kultur und doch völlige Abwesenheit polizeilicher Bevormundung und Einschränkung fand, und das wichtigste aller Produktionsmittel, den Grund und Boden, so leicht erlangen konnte. Kein Wunder, daß die Vereinigten Staaten das Idealland für die Gründer kommunistischer Kolonien waren: für die des religiösen Kommunismus weltfremder Bauern und Handwerker, die noch in dem Ideenkreise der Reformation sich bewegten; für die Kolonien moderner materialistischer Proletarier aus Europa, die ihrem Vaterlande den Rücken kehrten, um in der Wildniß jenes Glück zu suchen, das die Heimath ihnen weigerte; und für die Experimente amerikanischer Enthusiasten, die den Kommunismus versuchten, wie so manches Andere auch.
In dem Zeitraum von 1842-53 gründeten die amerikanischen Fourieristen allein nicht weniger als 33 Phalangen (Kolonien). Zwei davon entstanden unter dem Einflusse Greeleys, darunter eine der langlebigsten, Sylvania in Pennsylvanien, die sich von 1843-1855 erhielt.
Am hervorragendsten durch ihre Theilnehmer wurde jedoch unter den damaligen Gründungen amerikanischer Kommunisten die Kolonie von Brook Farm, einem Landgut in West-Roxbury, in der Nähe von Boston. Diese Gemeinde zählte in ihrer Mitte eine Reihe der begabtesten amerikanischen Schriftsteller, darunter auch den genialen Poeten Nathaniel Hawthorne, der Brook Farm zu literarischer Unsterblichkeit brachte, indem er es zum Schauplatz einer seiner liebenswürdigen Novellen wählte, The Blithedale Romance. So vieles auch in dieser Novelle freie Schöpfung des Dichters sein mag, so illustrirt sie doch sicherlich sehr gut die Stimmung, der diese Experimente entsprangen, zum Theil auch das Leben, das man in der kommunistischen Gemeinde führte. Sie muß eine reizende Idylle gebildet haben, ein anmuthiges Schäferspiel. Aber Schäferspiele sind leider nicht sehr einträglich – es sei denn in der Form eines Ballets für einen Theaterdirektor. Die Kolonie gerieth in Schulden, und schließlich sahen sich die Theilnehmer vor die Wahl gestellt, völlig zu verbauern, allen Ansprüchen auf eine höhere Kultur zu entsagen oder sich wieder unter das Joch der kapitalistischen Zivilisation zu begeben. Sie wählten natürlich das letztere und lieferten damit zwar nicht den Beweis der Undurchführbarkeit des Kommunismus, wohl aber den der Ungangbarkeit des Weges, den sie eingeschlagen. Eine Gemeinde feingebildeter Literaten, die auf Grund einer primitiv bäuerlichen Produktion zum Kommunismus gelangen will, wird stets scheitern. Wenn man sich über etwas wundern darf, so ist es nicht die Thatsache, daß die Gemeinde schließlich auseinanderging, sondern daß sie so lange zusammenhielt. Sie bestand von 1842 bis 1847.
Nach ihrer Auflösung wendete sich eine ganze Anzahl ihrer Mitglieder der New York Tribune zu; darunter G. Ripley, das Haupt der Gemeinde; Margaret Fuller, die Zenobia der »Blithedale Romance«; G. W. Curtis und endlich Charles A. Dana, den sein Biograph in Appletons » Cyclopædia of American Biography« den einzigen Geschäftsmann unter den Genossenschaftern von Brook Farm nennt.
1848 besuchte Dana für einige Monate Europa und machte dort die Bekanntschaft Freiligraths. Nach seiner Rückkehr wurde er Chefredakteur ( managing editor) der »Tribune«, und als solcher forderte er 1851 Freiligrath auf, an der »Tribune« mitzuarbeiten. Es war nach allen Anzeichen Freiligraths Vermittlung, durch die Dana veranlaßt wurde, auch Marx zur Mitarbeiterschaft einzuladen, die, wie schon gesagt, durch die vorliegende Artikelserie eingeleitet wurde.
Als Marx die Mitarbeiterschaft an der »Tribune« übernahm, war die amerikanisch-sozialistische Bewegung im Aussterben begriffen. Der europäische Literatensozialismus hatte durch die Junischlacht seinen Todesstoß erhalten; der Sozialismus hatte aufgehört, salonfähig zu sein. Das mußte auf den amerikanischen Sozialismus um so mehr zurückwirken, je weniger dieser in den heimischen Verhältnissen wurzelte, je mehr er ein importirtes Gewächs war; dazu kamen noch die entmuthigenden Fehlschläge der kommunistischen Experimente der vierziger Jahre, und endlich, und das ist wohl der wichtigste Grund des Absterbens des amerikanischen Utopismus jener Zeit, wurde der Reflex der sozialen Frage Europas völlig verdunkelt durch die wirkliche soziale Frage Amerikas, die damals in den Vordergrund trat und in den Vereinigten Staaten alles Interesse absorbirte, den Kampf gegen die Sklaverei oder genauer gesagt, gegen die Sklavenhalter.
Es entspann sich ein Klassenkampf zwischen den industriellen Kapitalisten des Nordens, die gegen die englische Industrie zu kämpfen hatten und nach Schutzzöllen verlangten, und den Latifundienbesitzern des Südens, die der englischen Industrie das Rohmaterial lieferten und am Freihandel festhielten. Es entspann sich aber auch ein Klassenkampf zwischen der rasch anwachsenden und nach dem Westen vordringenden bäuerlichen Bevölkerung des Nordens und den ebenso rasch nach Westen vordringenden Sklavenbaronen des Südens, die das Land für sich zu monopolisiren suchten. Gerade in dem Jahrzehnt, in dem Marx an der »Tribune« arbeitete, erreichten diese Gegensätze ihre schärfste Zuspitzung, bis sie schließlich im Sezessionskrieg ihren Austrag fanden. Das war eine Situation, die dem Sozialismus jeden Boden entzog.
Aber man ißt nicht vom Baume der sozialistischen Erkenntniß, ohne sich, selbst bei späteren Wandlungen – wenn man nicht geradezu ein Lump ist – eine höhere Auffassung des Lebens zu bewahren. Und so waren es denn auch die amerikanischen Kommunisten der vierziger Jahre, die im Kampfe gegen die Sklaverei in erster Linie standen, und die New York Tribune war es, die den Vorkampf führte, die aber auch in diesem Kampf und durch ihn zu einem der ersten Blätter Amerikas wurde. Ihr hervorragendster europäischer Mitarbeiter aber war Marx.
Das bezeugt uns Dana selbst in einem Briefe, dessen Veranlassung höchst charakteristisch ist.
Karl Vogt hatte 1859 ein Pamphlet gegen Marx veröffentlicht, in dem er ihm unter anderem den gegen Sozialisten, die nicht von ihren Renten leben, herkömmlichen Vorwurf macht, er lebe »vom Schweiß der Arbeiter«. Die Berliner »Nationalzeitung« übertrumpfte noch Vogt, indem sie Marx von Gelderpressungen und Polizeidiensten leben, ja ihn sogar die Verfertigung falschen Papiergeldes veranlassen ließ. Marx verklagte auf diese idiotischen Verleumdungen hin den Redakteur der »Nationalzeitung«, Zabel, zunächst bei der Berliner Staatsanwaltschaft, diese aber wies die Anklage zurück, weil kein öffentliches Interesse vorliege, das dem Staatsanwalt Anlaß gäbe, einzuschreiten. Und ebenso wurde Marx in allen Instanzen das Recht abgesprochen, gegen Zabel auf dem Wege der Privatklage vorzugehen, und damit bewiesen, daß die »Richter in Berlin« schon vor einem Menschenalter der »Nationalzeitung« ebenbürtig waren, also nicht erst der Bismarckschen Schule bedurften, um auf den Brausewetter zu kommen.
Unter den Beweismitteln, die Marx dem Gerichte vorlegte, befand sich auch ein Brief von Dana, der zeigen sollte, woher Marx während seines Londoner Aufenthaltes sein Einkommen thatsächlich bezogen. Der Brief, abgedruckt unter den Beilagen zu »Herr Vogt« von Marx, verdient wohl, in diesem Zusammenhange wieder veröffentlicht zu werden. Er lautet in Uebersetzung:
New York, 8. März 1860.
Hochgeehrter Herr!
»Mit Vergnügen stelle ich in Folge Ihres Ersuchens Ihre Verbindungen mit verschiedenen in den Vereinigten Staaten erscheinenden Publikationen fest, zu denen ich persönliche Beziehungen habe. Vor fast neun Jahren forderte ich Sie auf, für die »New York Tribune« zu schreiben, und das Engagement hat seitdem fortbestanden. Sie haben für uns regelmäßig geschrieben, ohne die Unterbrechung auch nur einer Woche, soweit ich mich erinnern kann; und Sie sind nicht nur einer der geschätztesten, sondern auch einer der bestbezahlten Mitarbeiter an dieser Zeitung. Ich habe nur Eines an Ihren Beiträgen auszusetzen gehabt, daß Sie mitunter für eine amerikanische Zeitung zu sehr den deutschen Standpunkt hervorkehrten. Das war sowohl gegenüber Rußland wie gegenüber Frankreich der Fall. Es schien mir mitunter, als legten Sie in Fragen, die den Zarismus oder den Bonapartismus angingen, zu viel Interesse und Besorgtheit für die Einheit und Unabhängigkeit Deutschlands an den Tag. Das zeigte sich vielleicht noch auffallender als sonst gelegentlich des letzten italienischen Krieges. In der Sympathie mit dem italienischen Volk stimme ich völlig mit Ihnen überein. Ich hatte ebensowenig Zutrauen zur Ehrlichkeit des französischen Kaisers wie Sie und glaubte ebensowenig wie Sie, daß die italienische Freiheit von ihm ausgehen werde;