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Fiammetta. Джованни Боккаччо
Читать онлайн.Название Fiammetta
Год выпуска 0
isbn 9783754185599
Автор произведения Джованни Боккаччо
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
So hatte mich die Göttin verlassen, und seit ihrer Erscheinung fühlte sich mein ganzes Herz sehnsüchtig zu ihren Freuden hingezogen. Und obgleich die herrschende wilde Leidenschaft mich alles Sinns und Urteils beraubt hatte, so weiß ich nicht, wodurch ich es verdiente, daß von so viel verlornen Gütern mir eines noch geblieben war. Die Erkenntnis nämlich, daß eine laute, kundgewordene Liebe ihr Ziel selten oder niemals glücklich erreicht. Und deshalb beschloß ich – so äußerst schwer es mir auch immer ward –, meine Wünsche der Vernunft zu unterwerfen, damit ich das ersehnte Ziel erreichen möchte. Und gewiß, wie sehr mich auch oft mehrere Umstände und Begebenheiten drängten, so ward mir doch die Gunst vom Schicksal, daß ich meinen Vorsatz nie überschritt und standhaft schweigend meine Leiden und Freuden ertrug.
Ja, die Kraft dieses Rates ist noch immer wirksam, denn ob ich gleich dies mit der größten Aufrichtigkeit schreibe, so ist es mir doch gelungen, die Sache so darzustellen, daß kein Mensch, auch nicht der scharfsinnigste, erraten kann, wer ich sei; den einzigen ausgenommen, dem alles ebenso bekannt ist wie mir selbst, da er der Inhalt von allem ist. Und ihn bitte ich – wenn vielleicht irgendein Zufall diese Blätter in seine Hände spielen sollte – um der Liebe willen, die er einst für mich empfand, daß er verschweige, was, wenn er es bekanntmachen wollte, ihm weder Nutzen noch Ehre bringen könnte. Ich bitte ihn, der sich selbst, ohne mein Verschulden, von mir gewendet, meine Ehre zu schonen, denn diese ist ein Gut, das ich zwar mit Unrecht besitze, das er mir aber, wie er selbst wohl weiß, nicht wiederzuerstatten vermöchte, wenn er es auch gern wollte.
Diesem Entschluß gemäß und mit höchster Anstrengung, meine leidenschaftlichen Wünsche in ängstlicher Verborgenheit zu erhalten, bemühte ich mich durch die geheimsten Zeichen, sooft ich nur Gelegenheit hatte, dem Jüngling ebendie Glut einzuhauchen, die mich selbst belebte, und ihn zugleich ebenso besonnen und vorsichtig zu machen, wie ich selbst es war. Und ich hatte gewiß nichts Schweres unternommen, denn wenn anders der äußere Schein die Eigenschaften des Gemüts erkennen läßt, so sah ich in kurzer Zeit den vollkommensten Erfolg meiner Bemühungen. Und was ganz nach meinem Sinn war, ich sah ihn ebenso glühend von Liebe wie kühl von der vollkommensten Klugheit.
Von kluger Überlegung geleitet, beflissen, meinen Ruf zu bewahren und, wenn Zeit und Ort es vergönnten, seiner Liebe zu leben, bewarb er sich, nicht ohne die größte Mühe, wie ich glaube, und mit vieler Kunst um den vertrauten Umgang eines meiner Verwandten und zuletzt um die Freundschaft meines Gemahls. Und es gelang ihm nicht nur, diese zu erwerben, sondern er gewann sie auch in so hohem Grad, daß keinem mehr etwas begegnete, was er dem andern nicht mitteilte. Wie sehr mir dies gefiel, das werdet ihr, denke ich, ohne meine Versicherung glauben; wer möchte wohl töricht genug sein, den geringsten Zweifel daran zu hegen. Jene Vertraulichkeit bewirkte, daß er und ich uns bisweilen öffentlich unterhalten durften.
Ihm aber dünkte es Zeit, einen bedeutenden Schritt zu tun; wenn er jetzt wahrnahm, daß ich ihn hören und verstehen konnte, so wußte er auch mit andern auf eine Art zu sprechen, die mich, die hierin nur allzu lernbegierig und gelehrig war, bald erkennen ließ, daß nicht das Wort allein unsere Zuneigung kundzutun und die Zusage des andern zu erhalten vermag, sondern daß auch Blick und Hand, Ton und Gebärde einer vielsagenden, deutlichen Sprache mächtig sind.
Dies war mir so lieblich, und ich erlernte es mit solcher Einsicht, daß wir, er und ich, uns, was wir nur wollten, durch Zeichen mitteilen konnten und immer gewiß waren, daß der andere vollkommen den Sinn verstand.
Doch auch dies befriedigte ihn bald nicht mehr, und er bestrebte sich, unter fremden Bildern mir seine Wünsche lebendiger zu schildern und auch mich eine gleiche Sprache zu lehren. Er nannte mich Fiammetta, sich selbst Panfilo. Und ach! wie oft erzählte er in meiner Gegenwart, im Kreis meiner liebsten Freunde, durchglüht von Glut und Liebe, wie Amor uns beide zuerst besiegt hatte; und dann schilderte er immer unter den Namen Fiammetta und Panfilo, die er als Griechen darstellte, alle Begebenheiten, die darauf folgten, während er auf das sinnreichste den Orten und Personen Namen beilegte, die die ganze Erfindung am wahrscheinlichsten machen konnten. Ja, oft belächelte ich seinen Scharfsinn und seine Feinheit und nicht minder die Einfalt der Zuhörer, oft aber fürchtete ich auch, er möchte im Feuer seiner Darstellung zu weit gehen und unwillkürlich die Zunge Worte sagen lassen, die er nicht wollte. Er aber, klüger als ich dachte, wußte sich mit höchster Vorsicht vor jeder Verirrung zu bewahren.
O! ihr liebenden Frauen, welch ein geschickter Lehrmeister ist doch die Liebe! Gibt es einen unter allen, die ihr huldigen, den sie nicht sogleich geschickt macht, die feinsten Sitten und schlaue Gewandtheit zu erlernen?
Ich, das einfachste, schüchternste Weib, bis dahin kaum fähig, bei den Gespielinnen über die einfachsten Dinge zu sprechen, erlernte mit so großem Eifer seine Weise, daß ich an Erfindung und Sprache in kurzer Zeit alle Dichter übertreffen konnte. Fast immer wußte ich, sobald ich seine Erzählung gehört und den geheimen Sinn derselben begriffen hatte, durch eine schnell erfundene Novelle ihm die erwünschte Antwort zu geben, gewiß ein Unterfangen, das für eine junge Frau sehr kühn und noch weit schwerer in der Ausführung ist.
Doch diese Erfindungen alle müssen kleinlich und unbedeutend erscheinen gegen die List, die wir mit großer Erfahrung gebrauchten, um die Zuverlässigkeit und Treue einer meiner Dienerinnen zu erproben; der Zweck meiner Aufzeichnungen aber ist nicht, dies zu erzählen. Nach solcher Probe beschlossen wir, sie zur Mitwisserin des Geheimnisses, um das bis dahin noch kein Dritter wußte, zu erwählen, denn wir fühlten, daß irgendein Mittel gefunden werden mußte, uns näher zu sein, wenn wir nicht unerträglichen Qualen erliegen wollten.
Genug damit! es würde zu weitläufig sein, alle unsere Kunstgriffe und Erfindungen zu erzählen. Sie waren nicht allein von keinem vor uns je ausgeübt, sondern, wie ich glaube, nicht einmal ausgedacht worden. Und obgleich ich jetzt weiß, daß sie alle zu meinem Verderben ersonnen waren, schmerzt es mich doch nicht, sie gewußt zu haben.
Sollte ich wohl irren, ihr Lieben, wenn ich den festen Willen und die Stetigkeit unserer Herzen für nichts Geringes achte? Es ist gewiß sehr schwer, daß ein junges, liebendes Paar, gegenseitig von den heftigsten Begierden entflammt, sich so lange im Zügel halten und keinen Fuß breit aus den Schranken der Vernunft weichen kann; ja diese Selbstbeherrschung war so groß, daß die erhabensten Männer sich hohes und würdiges Lob damit hätten erwerben können. Aber meine Feder, minder züchtig als zärtlich, bereitet sich zu der Schilderung kühnerer Szenen. Erst aber laßt mich, ihr Freundinnen, dringend euer Mitleid anrufen: jene Gewalt der Liebe, die in der zarten Brust des Weibes wohnt, diese verborgene Macht rufe ich an, mich bei euch zu entschuldigen, wenn meine Worte euch strafwürdig scheinen sollten; wenn ihr liebt, so werdet ihr verzeihen. Und du, keusche Zucht, die ich zu spät ehren gelernt habe, verzeihe mir und laß mir jetzt Raum in der schüchternen weiblichen Brust, damit die Frauen frei von deinen Drohungen das lesen, was sie der Liebe verzeihen.
Ein Tag nach dem andern verstrich, und immer blieb es nur Hoffnung, was wir beide so sehnend verlangten. Gleichen Schmerz fühlten beide, doch beklagte sich der eine gegen den andern in verstohlenen Reden, dieser aber eiferte übermäßig dagegen, so wie geliebte Frauen wohl gegen den Geliebten zu tun pflegen. Er aber glaubte in diesem Fall meinen Versicherungen nicht, und durch den Erfolg glücklicher als weise und mit mehr Kühnheit als Verstand wußte er Ort und Zeit geschickt zu wählen, und in meinen Armen ward ihm das Glück, das ich, ob ich es gleich nicht bekannte, ebenso heiß wie er begehrt hatte.
Wollte ich sagen, daß diese Stunde der Grund meiner Liebe zu ihm sei, so müßte ich bekennen, daß mit dieser Erinnerung jedesmal ein Schmerz ohnegleichen in meine Seele kommen würde. Aber Gott ist hierin mein Zeuge: dies war und ist der geringste Grund meiner ewigen Liebe zu ihm. Gleichwohl will ich nicht leugnen, daß jene Stunde mir jetzt wie damals unendlich teuer ist. Und wer könnte wohl so unerfahren sein, daß er nicht wüßte, wie wir das, was wir lieben, nicht entfernt, sondern uns ganz nahe wünschen und um so eifriger, je stärker unsere Liebe ist? Dieser Stunde, deren Möglichkeit ich zuvor nicht geglaubt, ja nicht geahnt hatte, folgten noch mehrere. Das Glück