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interessant sein, meinen Sie nicht? Ach ja, jetzt . . .« fuhr er erleichtert fort, »jetzt kann ich's erklären. Dynamit – Dynamit zerreißt bekanntlich die Masse in Stücke, in Brocken, aber Benzoltrioxozonid zermalmt sie zu Pulver. Es verursacht bloß ein kleines Loch, löst aber die Masse in submikroskopische Fragmente auf als Folge der Detonationsgeschwindigkeit. Die Masse hat keine Zeit mehr auszubrechen; sie kann nicht einmal mehr zerbersten. Ich . . . ich habe nun die Detonationsgeschwindigkeit noch wesentlich gesteigert. Argonozonid. Chlorargonoxozonid. Tetrargon. Und immer weiter. Da kann selbst die Luft nicht mehr ausweichen; sie wird so dicht wie – eine Stahlplatte. Zerbirst in Moleküle und so fort. Von einer gewissen Geschwindigkeit an . . . nimmt die Sprengkraft in gewaltigem Maße zu. Sie wächst . . . im Quadrat. Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Woher stammt auf einmal diese Energie?« fragte Prokop fiebernd. »Was meinen Sie?«

      »Vielleicht ist sie im Atom«, erwiderte Plinius.

      »Ja!« rief Prokop begeistert aus und trocknete sich die Stirn. »Das ist der Witz! Einfach im Atom! Es – drückt die Atome ineinander . . . zerrr . . . zerreißt den Beta-Mantel . . . und der Kern muß zerfallen. Wissen Sie, wer ich bin? Ich bin der erste Mensch, der den Koeffizienten der Zusammendrückbarkeit überschritten hat. Ich habe die Atomexplosion entdeckt. Ich . . . ich habe das Tantal aus dem Wismut ausgeschieden. Ahnen Sie überhaupt, was für eine Kraft in einem Gramm Quecksilber enthalten ist? Vierhundertzweiundsechzig Millionen Kilogrammeter. Die Materie ist von einer unvorstellbaren Gewalt. Sie gleicht einem Regiment, das auf der Stelle marschiert: eins, zwei, eins, zwei . . . Aber erteilen Sie den richtigen Befehl, und das Regiment stürmt vor, en avant! Das ist die Explosion. Verstehen Sie mich? Hurra!«

      Prokop erschrak über sein eigenes Geschrei. Es dröhnte ihm derart im Kopf, daß er aufhörte, irgend etwas wahrzunehmen. »Verzeihen Sie«, sagte er, um seine Verlegenheit zu verbergen, und suchte mit bebender Hand sein Zigarrenetui. »Rauchen Sie?«

      »Nein.«

      »Schon die alten Römer haben geraucht«, bemerkte Prokop, seine Zigarrentasche öffnend; es waren lauter schwere Patronen darin. »Bedienen Sie sich«, bot er an, »das ist eine leichte Nobel Extra.« Er biß die Spitze einer Tetryl-Patrone ab und suchte Streichhölzer. »Das ist gar nichts«, sagte er, »aber kennen Sie Explosivglas? Schade! Ich kann Ihnen auch ein Explosivpapier herstellen. Sie schreiben einen Brief, irgendwer wirft ihn ins Feuer, und das ganze Haus fliegt in die Luft. Wollen Sie?«

      »Wozu?« fragte Plinius, die Brauen hochziehend.

      »Ich weiß nicht. Aber die Kraft muß heraus. Ich will Ihnen etwas sagen: Wenn Sie an der Zimmerdecke spazierengingen, was wäre der Erfolg? Ich pfeife vor allem auf die Valenztheorie. Alles läßt sich durchführen. Hören Sie, wie es draußen knallt? Das ist das Gras, das wächst: nichts als Explosionen. Jeder Samen ist eine Explosivkapsel, die explodiert. Wie eine Rakete. Und die Dummköpfe glauben, es gebe keine Tautomerie. Ich werde ihnen eine Metropie zeigen, daß ihnen die Haare zu Berge stehen. Alles Laboratoriumserfahrung.«

      Prokop fühlte entsetzt, daß er Unsinn schwatzte. Er wollte davon loskommen, redete aber nur immer rascher und brachte schließlich alles durcheinander. Plinius wackelte mit dem Kopf hin und her; dann schaukelte er mit dem ganzen Körper und neigte sich dabei immer tiefer und tiefer. Prokop leierte verwirrt Formeln herunter, die Augen starr auf Plinius gerichtet, der mit wachsender Geschwindigkeit wie eine Maschine hin und her pendelte. Der Fußboden unter ihm begann zu schaukeln und sich zu heben.

      »Jetzt hören Sie aber auf, Mensch!« brüllte Prokop entsetzt und erwachte schweißüberströmt. Anstelle von Plinius sah er Tomesch beim Tisch, der, ohne sich umzudrehen, brummte: »Schrei nicht, ich bitte dich.«

      »Ich schreie nicht«, sagte Prokop und schloß die Augen. Das Hämmern im Kopf wurde rascher und schmerzhafter.

      Ihm schien, als flöge er zum mindesten mit der Geschwindigkeit des Lichtes dahin. Sein Herz krampfte sich zusammen. Das ist nur die Fitzgerald-Lorentz-Kontraktion, sagte er sich; ich muß flach werden wie ein Pfannkuchen. Plötzlich stellten sich ihm riesenhafte Glasprismen entgegen; nein, es waren nur unendliche glattpolierte Flächen, die sich in scharfen Winkeln wie kristallographische Modelle durchdrangen. Er wurde mit schwindelerregender Geschwindigkeit gegen eine scharfe Kante getrieben. »Achtung!« brüllte er sich selber zu, denn in der nächsten tausendstel Sekunde mußte er zerschmettern. Da aber flog er schon wieder mit Blitzeseile in entgegengesetzter Richtung, geradeaus auf die Spitze einer Riesenpyramide zu. Es warf ihn wie einen Lichtstrahl gegen eine glatte Glaswand zurück, er glitt daran ab, sauste in einen scharfen Winkel hinein, bewegte sich zwischen dessen Wänden wie verrückt hin und her, worauf es ihn wieder zurückwarf. Abermals prallte er ab und drohte mit dem Kinn auf eine messerscharfe Kante aufzufallen, doch im letzten Augenblick warf es ihn hoch. Nun zerschmetterte er sich den Schädel an einer Euklidischen Ebene des Unendlichen, stürzte aber gleich darauf kopfüber hinab, hinab in die Finsternis. Ein heftiger Aufprall, ein schmerzhaftes Zucken im ganzen Körper, gleich aber erhob er sich wieder und floh weiter. Er raste durch einen labyrinthischen Gang und hörte hinter sich das Tappen der Verfolger. Der Gang verengte sich, begann sich zu schließen, seine Wände neigten sich in grauenhaft unaufhaltsamer Bewegung zueinander. Er machte sich dünn wie ein Pfriem, hielt den Atem an und raste in panischer Angst weiter, um noch durchzukommen, ehe ihn die Wände zermalmten. Schon schlossen sie sich mit steinernem Anprall hinter ihm, während er längs einer eisigen Wand in einen Abgrund taumelte. Er schlug so heftig auf, daß er das Bewußtsein verlor. Als er wieder zu sich kam, war schwärzeste Nacht um ihn. Er tastete die glitschigen Steinwände ab und schrie um Hilfe, aber kein Laut entrang sich seinem Munde, so dicht war die Finsternis.

      Zitternd vor Angst stolperte er auf der Sohle des Abgrunds weiter. Seitlich ertastete er einen Gang und stürzte hinein. Es waren eigentlich Treppen; in unendlicher Ferne blinkte eine schmale Öffnung wie in einem Schacht. Er lief die unzähligen, gefährlich steilen Stufen hinan. Aber oben war nur eine winzige Plattform aus dünnem Blech, die über einer schwindelhaften Tiefe klirrte und schwankte. Von dort führte eine endlose Wendeltreppe aus Eisenplatten hinab. Da hörte er schon das Keuchen seiner Verfolger hinter sich. Dem Wahnsinn nahe vor Entsetzen, sprang er die Stufen der Wendeltreppe hinunter, und hinter ihm stampfte und polterte die Schar der Feinde. Plötzlich endete die Treppe wie abgeschnitten im leeren Raum. Prokop schrie auf, breitete die Arme aus und stürzte wirbelnd ins Bodenlose. Sein Kopf dröhnte zum Zerspringen, er sah und hörte nichts mehr. Mit Füßen, die nicht von der Stelle kamen, lief er ins Ungewisse, getrieben von einem furchtbaren blinden Zwang, irgendwohin zu gelangen, ehe es zu spät war. Immer rascher lief er durch einen endlosen gewölbten Korridor, ab und zu an einem Semaphor vorbeikommend, an dem jedesmal eine höhere Zahl aufleuchtete: 17,18,19. Da begriff er, daß er im Kreise rannte und die Ziffern die Anzahl seiner Runden anzeigten: 40, 41, 42. Da befiel ihn unerträgliches Grauen, er könnte zu spät kommen und nie mehr von hier hinausgelangen. Er lief jetzt mit so rasender Geschwindigkeit, daß der Semaphor vorbeiflitzte wie eine Telegrafenstange hinter einem Schnellzugfenster; schneller, immer schneller! Nun zählte der Semaphor mit Blitzesschnelle nur noch Tausende, Zehntausende von Runden; aber nirgends war ein Ausweg aus diesem Gang. Der Gang war scheinbar gerade und aus glänzendem Metall, und doch kehrte er im Kreise zurück. Prokop schluchzte verzweifelt auf. Das war der Einsteinsche Kosmos, und er mußte darin umkommen! Da ertönte ein markerschütternder Schrei; Prokop hielt starr vor Schrecken inne: das war die Stimme des Vaters. Er begann noch schneller zu laufen, der Semaphor verschwand, Finsternis breitete sich aus. Prokop tastete die Wände entlang und fühlte eine verschlossene Tür, hinter der er verzweifeltes Stöhnen und das Gepolter umstürzender Möbel vernahm. Brüllend vor Angst bohrte Prokop seine Fingernägel in die Tür ein, kratzte und splitterte daran, riß Span um Span heraus, bis er dahinter die vertraute Treppe fand, die er noch als Knabe täglich nach Hause gegangen war. Der Vater oben war am Ersticken, jemand würgte ihn und zerrte ihn auf dem Boden hin und her. Schreiend flog Prokop treppauf. Er war daheim, sah die Gießkanne und die Brotdose der Mutter, die halbgeöffnete Tür zur Küche, wo der Vater röchelnd flehte, sie sollten ihn doch um Gottes willen nicht töten. Aber immer wieder schlugen sie ihn mit dem Kopf auf die Erde. Prokop wollte ihm zu Hilfe eilen, eine blöde, blinde Macht nötigte ihn jedoch, hier auf dem Korridor im Kreise zu laufen, immer rascher im Kreise, bis er krampfhaft zu kichern begann, während drinnen das Stöhnen des Vaters immer

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