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Geschick ersonnene und in dramatischer Lebendigkeit durchgeführte Fabel fesselt unsere Aufmerksamkeit von der ersten bis zur letzten Zeile. In vollendeten Strichen sind da Menschen und Sitten gezeichnet, die vor Cooper, Sealsfield und Ferry in Europa unbekannt waren und heute einer längst begrabenen Zeit angehören. Drei Haupttypen werden vorgeführt: Der kriegerische Indianer, der einstige König der amerikanischen Wälder und Savannen, der Repräsentant jener sympathischen, einem unverdienten Untergange anheimgefallenen rothäutigen Jägervölker; der kühne Goldsucher oder Gambusino; der Trapper, dem Freiheit und Raum zum Leben so unentbehrlich sind wie die Luft, die er atmet. Diese typischen Gestalten begegnen sich in einer spannenden Erzählung, die in prächtigen Episoden inmitten der Einöden Nordmexikos sich abspielt. Beim Lesen dieser lebensprühenden, suggestiven Seiten beschleichen selbst den nüchternen, allem Romantischen abholden modernen Kultur- und Gehirnmenschen unversehens das – nach Maeterlinck in der Tiefe des Herzens, in den dunkelsten menschlichen Instinkten schlummernde – Heimweh nach dem Urwald und der Überdruss an dem einförmigen zivilisierten Dasein, dessen Interessen ihm für eine Weile kleinlich erscheinen wollen, gemessen an den mächtigen Emotionen des urwüchsigen Lebens in der Wildnis.

      Zwei weitere bedeutende Schriften Bellemares sind die „Scenes de la vie sauverge“ und „Scenes de la vie militaire au Mexique“, Sammlungen von Reisebildern und Novellen, die sich wiederum durch eine Fülle von Kultur- und Sittengemälden und nicht minder durch die Schönheit der Naturschilderungen auszeichnen. Was unser Autor dank seiner vorzüglichen Beobachtungsgabe im damaligen Mexiko Merkwürdiges an Landschaftsbildern, Institutionen, Gewohnheiten, an guten und schlimmen Eigenschaften der Bewohner erlauscht und gesehen, das gibt er hier mit unbestechlicher Wahrheitsliebe wieder. Der Schmuggler; der vom Golddurst in die Wüste getriebene Gambusino; der halbwilde Vaquero oder Rinderhirt und Pferdebändiger; der einer machtlosen Justiz wie dem einsamen Reisenden gleichen Schrecken einflössenden Salteador oder Bandit; der rauhe Frontiermann; der verwegene, auf dem Meeresgrunde nicht selten den Hai im Kampfe bestehende Perlenfischer – alle diese von Ferry zum ersten Mal geschilderten abenteuerlichen Figuren prägen sich dem Gedächtnis des Lesers unauslöschlich ein. Eine Aufgabe etwas anderer Art löst ein viertes Hauptwerk Bellemares: „Costal’Indien“. Aus dem Munde alter Guerillos, die am mexikanischen Unabhängigkeitskriege teilgenommen, hatte er allerlei Denkwürdiges vernommen und auch sonst in allen seinen Phasen den Kampf Mexikos gegen den spanisch-pfäffischen Despotismus kennen gelernt, welchen im Jahre 1810 der Priester Hidalgo begann, und der nach zehnjähriger Dauer die Freiheit des Landes herbeiführte. Die Ereignisse dieses Krieges nahm sich nun der Romancier im „Costal“ zum Vorwurf. In vorbildlicher Weise durchdringen sich da Wirklichkeit und Dichtung, folgen Phantasiebilder auf geschichtliche Gemälde, die in ihrer Wucht bisweilen den Zeiten der Heroen entlehnt zu sein scheinen. Der Historiker, der Sittenschilderer und der Künstler haben gleichen Anteil an dem trefflichen Buche, das sich den Erzeugnissen Walter Scotts würdig zur Seite stellt.

      Von Karl May bearbeitete Ausgabe

      Neuausgabe in den Gesammelten Werken, Karl-May-Verlag

      Auch „Les Squatters“ und „Les Gambusinos“ weisen des Verfassers Vorzüge auf: Die Lebendigkeit und Korrektheit des Stils, die Naturtreue der Lokalfarben, das Talent, der reichen Tropennatur üppige Stimmungsbilder abzulauschen, seltsame Volkstypen, in eine spannende Geschichte verwoben, anschaulich darzustellen. Neue bemerkenswerte Züge fügen jedoch diese beiden Novellen dem Bilde Ferrys nicht hinzu.

      Nur acht Bände hat Bellemare geschrieben. Sie genügten, um ihn zu einem packenden Erzähler und – was nochmals besonders betont sei – zu einem ausgezeichneten Prosaisten zu stempeln, der als solcher, weit eher als seine bekannteren Zeitgenossen Sue und Dumas, Anspruch hat auf das Lob des Kenners. Dafür spricht auch der Umstand, dass die geachtetste Zeitschrift Frankreichs, die „Revue des Deux Mondes“, mehreren Schöpfungen des hochbegabten Autodidakten Aufnahme gewährte. Ferrys künstlerische Gebilde verdanken ihre Wahrheit und ihren Farbenreichtum nicht allein der Phantasie und der Sprachkunst ihres Urhebers, sondern auch der Autopsie: Eodem animo scripsit quo vidit. Wenn ihn auch die Literaturgeschichte nicht nach Verdienst gewürdigt hat, so wurde sein Schaffen dennoch von Erfolg gekrönt. Und so lange der Sinn für das Romantische und Ungewöhnliche nicht ausgerottet ist, wird ein magischer Reiz ausgehen vom Schauplatz der Gefahren, der Wagnisse und des schrankenlosen Individualismus, von der grandiosen Heimat und Zeit des roten Kriegers, des Trappers und des Bisons, und so lange wird auch auf Jugend und Volk eine verführerische Macht ausüben das unvergleichliche Epos einer nur in der Überlieferung noch lebenden wilden Welt: „Der Waldläufer“ von Gabriel Ferry.

      Möglicherweise eine der Vorlagen, die Karl May für

      seinen „Waldläufer“ verwendete

      Unter diesem Titel bringt das „Magazin für Abenteuer-, Reise- und Unterhaltungsliteratur“ in loser Folge „Porträts“ der großen „klassischen“ Indianerromane und -erzählungen. Damit sollen diese zum Teil leider in Vergessenheit geratenen Werke dem Freund dieses Genres vorgestellt oder in Erinnerung gerufen werden; gleichzeitig soll damit der „indianische“ Teil des Programms für die vom Verlag A. Graff geplante Buchreihe „Berühmte Abenteuerromane“ vorgestellt werden. Außerdem bildet diese Fortsetzungsreihe eine wertvolle Ergänzung zu zwei Standard-Nachschlagewerken, die in Zusammenarbeit des Verlages A. Graff mit dem Karl-May-Verlag erscheinen werden:

      Dr. Rudolf Beissel: „Von Atala bis Winnetou“ – Biographien berühmter Westernautoren.

      Dr. Rudolf Beissel/Dr. Gertrude Hafner: „Der Indianer in der Weltliteratur“

      Zur Vermeidung von Wiederholungen werden in diesem Rahmen nur knappe biographische und bibliographische Angaben gemacht; der Schwerpunkt der Information soll auf dem Inhalt des jeweiligen Werkes liegen.

      James F. Cooper

      1. James Fenimore Cooper

      Die Beweinte von Wish-ton-Wish (The Wept of Wish-ton-Wish)

      (Conanchet oder Die Grenzbewohner oder Die Puritaner von Connecticut) 1829

      Unter den frühesten Auswanderern, die aus religiösen Gründen England verließen und sich in den Kolonien von New England ansiedelten, befand sich der Kapitän Mark Heathcote. Um die Mitte des 17. Jahrhunderts zog er mit seiner Familie – seinem Sohn Content und seiner Schwiegertochter Ruth – in die Wildnis von Connecticut, wo er im Tal von Wish-ton-wish ein von Palisaden umgebenes Anwesen errichtete, dessen Mittelpunkt ein befestigtes Blockhaus war, das Schutz vor Indianern bieten sollte.

      Aber die Jahre vergehen friedlich, das Anwesen blüht. Content und seine Frau haben zwei Kinder, Mark und Ruth. Man schreibt das Jahr 1666. Der junge Made zählt ungefähr 15 Jahre, die kleine Ruth an die 10. Ihr gleichaltrig ist ein Waisenkind namens Martha, das in die Familie aufgenommen ist. Da taucht zum ersten Mal ein geheimnisvoller Flüchtling auf – Submission nennt er sich. Er wird von den Häschern des englischen Königs verfolgt, weil er einer der Richter war, die 1649 König Karl I. zum Tode verurteilt hatten.

      Zu gleicher Zeit wird ein 15-jähriger Indianer gefangen genommen – es ist Conanchet, der Sohn des Narangansett-Häuptlings Miantonimoh, der ermordet wurde. Man hält ihn im Blockhaus fest, behandelt ihn aber gut. Der alte Made sucht ihn zum Christentum zu bekehren.

      Der Winter vergeht. Die Häscher des Königs ziehen unverrichteter Dinge wieder ab. Submission erscheint wieder. Noch liegt Schnee, da bricht das Unheil über die friedliche Siedlung herein. „Der Heide kommt!“ Die Narangansett erscheinen, den Sohn ihres Sagamore zu befreien. Ein verzweifelter Kampf beginnt. Palisaden und Gebäude gehen in Flammen

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