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Fernleihe kommen lassen und durfte sie dann innerhalb von zwei Wochen durchsehen und wieder zurückgeben. Ein mühevolles Sammeln von Daten und Fakten, das heute nicht zuletzt durch die Digitalisierung zahlreicher, alter Bestände einfacher denn je geworden ist.

      Für die Verwendung von Fotos mussten wir uns in der Redaktion nicht nur das Bildmaterial besorgen, sondern dann auch im Haus eine Reprokamera einschalten, ein Raster darüberlegen und auf eine für den Offset-Druck geeignete Aufnahme achten. Später wurden die fertigen Seiten montiert, erneut über Repro aufgenommen und das Negativ dann im Bad mit der Aluminium-Druckplatte verbunden. Es war eine interessante, aufregende Zeit, in der ich neben den Biografien über Karl May, Friedrich Gerstäcker, Charles Seaslfield und Jules Verne auch zahlreiche Reprints herausgegeben habe. Viele davon wurden in der hauseigenen Klein-Druckerei hergestellt, andere aufgrund ihrer aufwändigen Gestaltung, wie z.B. die ‚Union-Reprints‘ der May’schen Jugenderzählungen, in entsprechenden Betrieben.

      Schön, dass sich die Technik heute so erleichtert hat, dass wir in der Lage sind, Bücher erst nach Eingang der Bestellung innerhalb kürzester Zeit zu drucken. Als ich vor Jahrzehnten die Anfänge dieser Technik auf der Frankfurter Buchmesse erstmalig vorgeführt bekam, ahnte wohl kaum jemand, wie schnell sich auch dieser Bereich verändern und verbessern sollte.

      Thomas Ostwald, Braunschweig 2022

      ***

      Rudolf K. Unbescheid

      Die nachfolgende, interessante Abhandlung entstand vor dem Erscheinen der Reprintausgabe „Deutsche Herzen, deutsche Helden“. Der Verfasser war bei seiner Arbeit auf die heutige Ausgabe der Gesammelten Werke angewiesen, so dass möglicherweise die Zitate aus den auf die bekannten May-Figuren umgeschriebenen Bänden „Allah il Allah“ und „Der Derwisch“ nicht korrekt sind. Wir bitten dafür um Verständnis und meinen, dass damit der Arbeit kein Manko anlasten sollte.

      Kail May, Hakawati, und die weltpolitischen Hintergründe in seinem Werk

      1. Der neue Prophet und Karl May im Lande des Mahdi

      Karl May als Kara Ben Nemsi und

      Muhammad Ahmad, der sudanesische Mahdi

      Der Sudan mit seinen endlosen Steppen und Wüsten, mit schroffen Bergketten und grünen Nilufern stand in den 80 er und 90 er Jahren des vorigen Jahrhunderts im Brennpunkt des Weltinteresses. In diesem Raum, der ein buntes Völkergemisch beherbergt, wo die Hautfarbe von der Pechschwärze der Neger bis zum hellen Braun der Araber schattierte, hatte ein neuer Prophet, ein Derwisch Mohammed Achmed, die grüne Fahne des Propheten entfaltet und war als „Mahdi“ Gewaltherrscher des Sudans geworden. Mahdi bedeutet in der Vorstellung der Mohammedaner den erwarteten neuen Messias, dem von Gott gesandten Propheten des Islams, der „das Reich der Gerechtigkeit und des Glückes“ gründen werde. (Auf die Widersprüchlichkeit dieser Überzeugung werden wir zurückkommen) Seine fanatischen Anhänger, die Derwische, durchzogen als Wanderprediger und Agitatoren den Sudan, und 1881 begann der Mahdi den Angriff auf die ägyptisch-türkische Regierung. Deren zum Teil von englischen Offizieren befehligten Truppen wurden von den aufgehetzten Massen überrannt und erlitten eine vernichtende Niederlage nach der anderen. Die Bewegung des Mahdi schwoll wie eine Lawine an. Auch die Wälle Khartums konnten die rasenden Araber nicht mehr aufhalten. Am 26. Januar 1885 nahmen sie die Hauptstadt des Sudans im Sturm und töteten den englischen Gouverneur Gordon Pascha. Der Mahdi war nun Herr des Sudans bis auf den Südteil Äquatoria, wo sich der Deutsche Emin Pascha noch bis 1889 halten konnte. Der Mahdi selbst starb am 22.6.1885 in seiner neuen Stadt Omdurman an Herzverfettung, aber auch sein Nachfolger, der Kalif Abdullahi al-Teischi aus dem Stamm der wilden Baggara, wurde als Mahdi anerkannt.

      Keine vier Monate, nachdem der Tod des Mahdi bekannt geworden war, erschien Oktober 1885 im „Deutschen Hausschatz“ die Mitteilung, dass Herr Dr. Karl May eine Arbeit über den Mahdi vorbereite. Durch mancherlei Querelen mit der Redaktion verzögert, konnten die angekündigten Fortsetzungen zwar zwischen 1891 und 1893 in der Wochenzeitschrift des Regensburger Verlages Pustet erscheinen, aber damit tauchte doch zum ersten Mal die Gestalt des neuen Propheten aus dem fernen Afrika beherrschend und sogar Titel gebend in der erzählenden deutschen Literatur auf. „Im Lande des Mahdi“ – auch bei Veröffentlichung der Buchausgabe 1896 bei Fehsenfeld noch immer ein höchst aktueller Titel!

      Das Thema beherrschte nach wie vor die Schlagzeilen der Presse auch in Deutschland: der Krieg des Kalifen gegen Abessinien, die glückliche Heimkehr Emin Paschas nach Bagamoyo, die ersten Niederlagen der Mahdisten gegen Engländer und Italiener. Mit Elan betrieb der neue Serdar, Oberbefehlshaber, der anglo-ägyp- tischen Armee, Horatio Herbert Kitchener, die Vorbereitungen zur Rückeroberung des Sudans. Wieder einmal hielt die Welt den Atem an…

      Sie hatte zu jeder Zeit Gelegenheit dazu. Unser Autor Karl May, dieser „arme verwirrte Proletarier“ (Ernst Bloch), hatte ein feines Gespür für diese Regungen der Weltmeinung; und so fanden die oft verzwickten weltpolitischen Begebenheiten vielfach ihren Niederschlag in seinen Werken: hintergründig zumeist, nur in wenigen Sätzen skizziert, angedeutet. Doch keineswegs „nur aus eigennützigen Gründen in seine Werke eingebaut“, wie die von Wesselin Radkov denn auch zu Recht (in Mitt. KMG 21/1974, Seite 4) kritisierte Katalin Kovacevic aus Skopie unterstellen möchte.

      Wir wollen dem einmal nachgehen, hier und dort Beispiele finden, ohne Vollständigkeit auch nur anzustreben. Es bleibt vielmehr sehnlichst zu wünschen, Karl Mays politische und soziale Gedankenwelt möge bald einen so eindrucksvollen Interpreten bekommen, wie ihn Jules Verne 1971 in Jean Chesneaux fand: „Une Lecture Polidque de Jules Veme“ (Librairie Francois Maspero, Paris, 1971), das schon ein Jahr später in englischer Übersetzung herauskam: „The Political and Sozial Ideas of Jules Veme“ (Thames and Hudson, London, 1972). Ein exemplarisches Werk!

      Der politischen Situation im nördlichen Afrika, in Ägypten und im Sudan während der beiden letzten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts soll vor allem unser Augenmerk gelten. Einleitend jedoch wollen wir ein paar grundsätzliche Überlegungen anstellen.

      Gesammelte Werke, Karl-May-Verlag, Bamberg

      2. Hakawati und Realist

      Karl May, der „Hakawati“, Märchenerzähler? Hat er uns nicht noch auf seiner großen Orient-Reise – der Schwelle zur späten symbolischen, surrealistischen Schaffensperiode – seinen gewiss abenteuerlichen Ritt durch den Sudan, Abessinien und Eritrea nach Arabien hinüber zu Hadschi Halef Omar weismachen wollen; und dies zu einem Zeitpunkt, da just der Mahdi – Kalif Abdullahi – zum letzten Angriff auf das schon verlorene Khartum rüstete? Nun gar der Hakawati in den Niederungen der Tagepolitik? Märchenerzähler und Realist? – Fragen.

      War er denn wirklich so sehr der rein „geistige Höhenflieger“, als dass er darüber den Boden der Realität unter den Füßen hätte verlieren können? Tatsächlich hatte May noch am 22. März 1912 in seinem letzten Vortrag vor mehreren Tausend Zuhörern im Wiener Sophiensaal das Gleichnis parat: er wusste um die sehr irdischen Wegbereiter des nach Sitara aufstrebenden Geist-Piloten, wusste von dem Grafen Zeppelin am Bodensee und seinem Konkurrenten August von Parsefal. Jenem hatten wenige Jahre zuvor die 6 Millionen Reichsmark einer Nationalspende die Weiterentwicklung seines Luftschiffes ermöglicht; dieser war eben 1912 Professor an der Technischen Hochschule in Berlin geworden. Und dann diese „verwegenen Ein- und Zweidecker, die Flugzeugführer“!

      „Phantasie ist besser als Wissen“, sagte einmal der geniale Albert Einstein. Aber mehr noch, meine ich, ist Phantasie mit Wissen gepaart: in welch hohem Maße trifft das auf Karl May zu.

      Es soll hier nicht unser Anliegen sein, Mays Bekenntnis zum Märchen und die Märchenhaftigkeit seiner Reiseerzählungen auszuleuchten. Sie sind zwar „symbolische Dichtungen, Märchen, in denen er seinen Glauben anschaulich macht“ – so stellte Ludwig Gurlitt in seiner Forderung nach „Gerechtigkeit für Karl

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