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Sehnsuchtsort. Gerd Egelhof
Читать онлайн.Название Sehnsuchtsort
Год выпуска 0
isbn 9783742743916
Автор произведения Gerd Egelhof
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Gerd Egelhof
Sehnsuchtsort
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1
„Die Liebe ist definitiv zu wichtig, als dass die Menschen lauwarme Beziehungen führen oder Vernunftehen schließen sollten.“
Anonymus
„Ich wollte erreichen, dass niemand mehr die Möglichkeit hat, aufgrund seiner hierarchischen Überlegenheit, seine schlechte Laune an mir auszulassen, ohne arbeitslos zu sein. Wie es aussieht, ist es mir gelungen.“
Anonymus
Kapitel 1
Gero Lebenhaber war einer, den sie „Lebenskünstler“ nannten. Manche meinten es despektierlich, andere wiederum als Kompliment. Um eventuelle Missverständnisse nicht aufkommen zu lassen, musste betont werden, dass man ihn nicht als „Tunichtgut“ bezeichnen konnte. Er war auch keiner, der sich komplett den Regeln und Normen der Gesellschaft verweigerte, nein, er schaute sich die Möglichkeiten an und wählte aus, was für ihn das Beste sein konnte. Darin war Gero konsequent. Er hatte nie, wie einer seiner Jugendfreunde, großspurig erzählt, dass er an keinem Tag seines Lebens acht Stunden arbeiten würde, um dann im Drogenrausch zu versinken, weil gar kein Ziel im Leben zu haben fatal sein konnte. Gero hatte das Abitur gemacht, es gegen den Willen jener durchgesetzt, die ihm empfohlen hatten, die Realschule zu besuchen. Er war hinter der Pfarrerstochter, in die er ein kleines bisschen verliebt war, der zweitbeste Grundschüler in der 4.Klasse gewesen, und die Lehrerin hatte ihm zurecht eine Empfehlung fürs Gymnasium gegeben. Der Weg bis zum Abitur war für ihn kein Honiglecken gewesen. Eine 2 im Zeugnis kam nicht allzuoft vor. Meistens hatte er die Noten 3, 4 oder 5. In der 10.Klasse war er mit fünf Fünfen sitzengeblieben. Nach einer „Ehrenrunde“ hatte er in der 11.Klasse zwei Fünfen, von denen er nur eine ausgleichen konnte. Er erinnerte sich daran, wie er an einem heißen Sommertag stundenlang vor dem Konferenzraum des Gymnasiums saß und wartete, was die Lehrer entschieden. 9 von ihnen mussten Entscheidungen treffen über Wackelkandidaten, von denen Gero nur einer war. Als sein Lieblingslehrer, Herr Deinmann, der Englisch und Sport unterrichtete, als Erster aus dem Raum kam und ihm mit einem Lächeln im Gesicht entgegentrat, wusste Gero, dass sie beschlossen hatten, dass er nicht von der Schule musste, sondern den Weg zum Abitur fortsetzen konnte. Zwei Jahre später hielt er sein Reifezeugnis voller Stolz in seinen Händen. Gero hatte das Abitur knapp bestanden, doch er war nicht wie manche der Meinung, dass einer, der das Abitur zwischen 3,0 und 4,0 bestand, ein schlechter Schüler sein musste. Auf dem Gymnasium gab es keine schlechten Schüler, denn es war jene Bildungseinrichtung, die den höchsten Rang im Spektrum der Schularten einnahm.
Nach der Schule wusste Gero nicht so recht, was er beruflich machen sollte. Er war sprachbegabt. Da er das Abitur mit 3,8 bestanden hatte, dachte er, dass es auf der Universität nicht leichter werden würde, und beschloss, weil seine Eltern Kaufleute mit einem eigenen Haushaltswarengeschäft waren, noch eine Kaufmannsschule zu besuchen. Danach begann er, voller Elan und Einsatzbereitschaft, eine Ausbildung im Groß- und Außenhandel. Gero hatte gute bis sehr gute Noten auf der Berufsschule. Im Betrieb gefiel es ihm weniger. Sein Chef war ganz in Ordnung, jedoch des Öfteren abwesend. So bekam er nicht mit, dass zwei seiner Mitarbeiter Gero bereits während der Ausbildung mobbten, weil sie ihn als Konkurrenz betrachteten. Gero beendete die Ausbildung mit Bestnoten in der Prüfung und verließ den Groß- und Außenhandelskaufmannsbetrieb. Er war 23 Jahre alt und hatte einiges, was die Gesellschaft an Konventionen ihr eigen nannte, mitgemacht. Es ging ihm jedoch nach dem Mobbing, das er mit Hilfe eines ambulanten, guten Psychologen einigermaßen überstehen konnte, noch nicht so gut, dass er den Mut gefasst hätte, sich bei einem anderen Groß- und Außenhandelskaufmannsbetrieb zu bewerben. Der Psychologe hatte ihm zu bedenken gegeben, ob er nicht einen eigenen, selbstständigen Weg einschlagen mochte. Gero konnte etwas Gitarre spielen. Er hätte sich vielleicht einer Band anschließen und Privatstunden als Gitarrelehrer geben können. Doch was würden seine Eltern dazu sagen? Seine Schwester? Seine Verwandten? Was würde die Gesellschaft darüber denken? Die möglichen Äußerungen der Bedenkenträger würden in ihm eine Furcht erzeugen, die er vielleicht nicht überwinden konnte. Der Psychologe machte ihm jedoch Mut. Er fragte Gero, ob diese möglichen Bedenkenträger sich während des Mobbings auf seine Seite gestellt hätten. Gero sagte, dass sie es nicht getan und gesagt hätten, dass das heute überall vorkommen könne, und er das halt ertragen oder sich wehren müsse. „Na sehen Sie, Herr Lebenhaber. Niemand der möglichen Bedenkenträger hat Ihnen während der Mobbingzeit geholfen. Also kann es Ihnen doch egal sein, was sie denken, wenn Sie Ihren Weg ändern, damit Sie psychisch stabil bleiben. Trauen Sie sich einfach. Sie müssen ja nicht das ganze Leben lang Gitarrist und Gitarrelehrer bleiben, können später, wenn Sie reifer und selbstbewusster sind, wieder in Ihrem alten Beruf arbeiten.“
Nachdem Gero diese Worte gehört hatte, beschloss er, den Vorschlag seines Psychologen anzunehmen und in die Tat umzusetzen. Er gab im Wochenblatt und in den Medien des Internets zwei Anzeigen auf. „Gitarrist sucht Band, in der er mitspielen kann“ und „Gitarrelehrer sucht Schüler“. Über den Umstand, dass Gero von der Musik wohl nicht gleich würde seinen Lebensunterhalt bestreiten können, hatte der Psychologe mit ihm nicht gesprochen. Immer wieder machten ihm die Herrschaften vom Arbeitsamt klar, dass er sich eine abhängige Beschäftigung mit täglich 8 Stunden Arbeitszeit suchen müsse, weil sie das Beste für jeden Menschen sei. Gero dachte darüber anders, und sein Psychologe bestärkte ihn darin, es anders sehen zu dürfen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Im Bezug auf finanzielle Sicherheit mochte eine abhängige Beschäftigung durchaus ratsamer sein als freiberuflich zu arbeiten. Doch das Mobbing an seinem Arbeitsplatz hatte ihm aufgezeigt, wie unwichtig