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Die Stadt des Kaisers. Alfred Stabel
Читать онлайн.Название Die Stadt des Kaisers
Год выпуска 0
isbn 9783742781260
Автор произведения Alfred Stabel
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
„Meint Ihr, dass schlechtes Wetter kommt“ knurrte der Minister, „oder seid ihr bloß des Reitens müde? In diesem Fall könnt Ihr vorne beim Kutscher Platz nehmen! Wilmersdorf! Wilmersdorf! “ Der Sekretär kam mit gelöstem Gesichtsausdruck aus dem Wald gestapft. „Lasst die schwarze Truhe in den Wagen schaffen! Jetzt wird gearbeitet!“
Hermann diktierte Briefe in Befehlsform. Beim Niederschreiben erwies sich Wilmerdorf als wahrer Tintenkünstler, der die schaukelnden und hüpfenden Bewegungen der Karosse mit schnellen Bewegungen der Schreibhand ausglich. Die Schreiben ergingen an diverse Landtage und Städte, die für die Verproviantierung frisch geworbener Truppen aufkommen sollten. Eine Armee zu ernähren, war immer schwierig gewesen. Nach den Verheerungen durch Türken und Tataren hatte sich die Lage zugespitzt. Leere Dörfer, unbestellte Felder, keine Ernten, keine Abgaben an die Landtage, keine Kontributionen an den Krieg.
„Falls Ihr zugehört habt, Breitenbrunn“ sagte Hermann, während der Sekretär sein nächstes Geschäft verrichtete, dann wisst Ihr jetzt, worum es im Krieg wirklich geht. Ums Geld nämlich. Mich ärgern die reichen Pfennigfuchser, die auf ihren Schätzen wie Drachen sitzen. Euer geliebter Starhemberg war so einer. Reich wie Krösus, aber für sein Liebkind, den Ausbau der Festungsanlagen, wollte er nichts herausrücken. Nicht einmal seine Leibeigenen hat er zum Arbeiten nach Wien geholt, mich aber ständig wegen des Geldes angegangen."
Breitenbrunn schmunzelte, denn Starhemberg war für seine Knausrigkeit bekannt gewesen. „Gebt mir zwei Regimenter Dragoner, ein paar dutzend fester Kisten und einen Taxateur mit einem Stoß vorgedruckter Schuldscheine, Durchlaucht, und Ihr habt das Etat bis zum Frühjahr beisammen.“
„Verstehe ich Euch recht, Ihr wolltet gewaltsam Kriegsgeld einheben?“
„Gegen die Ausstellung von Schuldscheinen versteht sich. Jede aufgebrachte Münze, jede Silberschüssel, jeder Goldring würde nach dem geschätzten Wert eingetragen. Zu dem Zweck wäre ein Taxateur dabei.“
„Was für ein Einfall! Ihr habt einen gefährlich räuberischen Zug an Euch, Breitenbrunn“ lachte Hermann. „Kein Wunder, dass Euch die Bauern gefolgt sind!“
Schwarze Wolken im Westen und böiger Wind bewogen Hermann an diesem Tag nicht über Passau hinauszufahren. In der Erzbischöflichen Residenz wurde in Windeseile ein standesgemäßes Diner für den kaiserlichen Minister auf die Beine gestellt. Man kannte einander bestens vom letzten Sommer, als der Kaiser mit seiner Entourage hier einige Woche in Wartestellung verbracht hatte. Dabei hatte Leopold aus seinen täglichen Gängen auf den Wallfahrtsberg Trost und Erbauung geschöpft. Und abends an der gleichen Tafel gesessen wie Breitenbrunn. Zur Ehre und Unterhaltung des Herrn Markgrafen hatte der Hofmeister des Prälaten schnell illustre Gäste einberufen. Das Licht hunderter Kerzen spiegelte sich auf dem dreiteiligen vergoldeten Tafelaufsatz und dem schweren silbernen Geschirr. Zusammengeschmolzen hätte es drei Regimenter Infanterie geworben und über ein Jahr verpflegt.
"Wisst Ihr, mein Sohn, was aus der schönen Kopie unserer Muttergottes in der Mariähimmelfahrtskapelle bei Wien geworden ist?" Die Frage stellte der Gastgeber, Fürstbischof Graf Pötting, Breitenbrunn. "Uns plagt die Sorge, die Türken könnten es geschändet oder ganz vernichtet haben.“ Breitenbrunn lag die sarkastische Gegenfrage auf der Zunge, ob der Herr Fürstbischof wüsste, was aus den geschändeten Wienerinnen geworden war. Stattdessen sagte er, dass er leider nichts über den Verbleib des wunderbaren Bildes berichten konnte. (Wahrscheinlich hatten die Türken der Maria die Augen ausgestochen und dem Jesukind einen Bart gemalt.) Der Abend erteilte ihm eine Lektion in unverfänglichen Tischmanieren. Geistliche bekreuzigten sich, bevor sie zum Weinglas griffen, alle tupften sich vor dem Trinken die Mundwinkel mit der Serviette ab, das Nachschenken besorgten die Lakaien. Wurde eine neue Flasche geöffnet, nahm stets ein anderer Gast den ersten Schluck und gab eine Expertise ab. Gegessen wurde herzhaft, getrunken auch, anders als in einer Offiziersrunde aber nicht laut gelacht oder geschrien, und keiner hieb die Fäuste auf den Tisch und prahlte mit seinen Taten. Und statt der Finger wurden ausschließlich Gabeln benutzt! Aber die Jagdhunde strichen um den Tisch und schnappten nach dem Fleisch, das ihnen der Bischof zuwarf.
Das Gespräche drehte sich um die angespannte Situation in Bayern und das fatale Wirken des Kölner Kurfürsten Maximilien Heinrich von Bayern, der nach der französischen Pfeife tanzte. Er machte dem Kaiser auf Betreiben Ludwig XIV. die Vormundschaft über Joseph Clemens, dem minderjährigen Bruder von Herzog Max Emanuel, der vor Wien gefallen war, streitig. Der zwölfjährige Knabe war ein Faustpfand, sein Vormund würde in Bayern die Politik machen.
"Egal wie das Reichsgericht urteilt" sagte ein bayrischer Diplomat, "Ludwig wird ohnehin über kurz oder lang in Bayern einmarschieren unter dem Vorwand, das Land vor den Türken schützen zu müssen. In Wahrheit steckt er mit dem osmanischen Sultan unter einer Decke."
Der Mann hegte die Überzeugung, dass Franzosen und Türken einen Pakt mit dem Ziel geschlossen hatten, sich die Habsburgischen Erblande, Salzburg, Bayern und Baden zu teilen. Ein englischer Lord, der bisher nichts gesagt hatte, wollte nun wissen, ob es für diesen Pakt schlüssige Beweise gab. Die gäbe es, antwortete Hermann, beispielsweise in Form eines Briefes, den der Sultan an seinen ´verehrten französischen Bruder Ludwig` gesandt hatte. Oder die erpresserische Politik des Franzosen gegen Spanier, Portugiesen, Genuesen, Malteser, Venezianer, die einer heiligen päpstlichen Liga gegen die Türken beitreten wollten.
Das wären bloße Indizien, antwortete der Engländer, aber keine handfesten Beweise für einen geltenden Vertrag. Man durfte die Möglichkeit nicht außer Acht lassen, dass das französisch-osmanische Bündnis weniger eng war, als angenommen. Falls sich nun alle christlichen Staaten gegen Frankreich wendeten, bliebe Ludwig XIV. in der Isolation nur die Flucht nach vorne und er würde das Bündnis mit dem Sultan eingehen, das es bislang noch nicht gab. Deshalb durfte man Ludwig die Tür nicht vor der Nase zuschlagen.
Dieser scharfsinnige Einwand des Lords wurde in der Runde mit Kopfschütteln quittiert. „Wer nicht mit Frankreich verhandelt hat, weiß nicht, was wahre Niedertracht ist, mein Herr“ polterte Markgraf Hermann. „Unter diesem Bourbonen ist Frankreich zum Schurkenstaat geworden. Seine Minister sind Kretins, allen voran Louvois, der für seinen König noch keinen ehrlichen Krieg gewonnen hat. Aber Charles II. Stuart ficht das nicht an. Er hält weiter Ludwig die Stange und man fragt sich weshalb. ´Pecunia non olet` sagt man, aber ich behaupte, dass es im Londoner Tower gewaltig stinkt!“
Nach dieser schweren Beleidigung seines Königs blieb dem Engländer nach Dafürhalten der Zuhörer, die in der streitsüchtigen Kultur des Kontinents aufgewachsen waren, eigentlich keine andere Wahl, als den Minister mit Schwert oder Pistole zu fordern. Doch der Engländer nahm die Wort gelassen auf. "Ich bin kein Mann der Royals, Markgraf, sondern ein Mann der Wissenschaft. Politik kümmert mich nur am Rande."
"Gut gesprochen" lobte der Gastgeber erleichtert. Er hatte schon seinen kleinen Hof in den Schlagzeilen diverser Druckschriften gesehen: In Passau kam ein englischer Lord bei einem Duell mit dem kaiserlichen Kriegsminister zu Tode, (oder umgekehrt), nachdem der Markgraf zuvor.....
Pötting hob sein Glas. "Trinken wir auf die Gesundheit und das Glück beider Majestäten!" und der englische Gast fügte ein herzhaftes ´Confusion to the Turks` bei.
Als Nachspeise wurden gewürzte heiße Weine und aus Teig gebackene Tierfiguren und Wappenmotive serviert.
„Unser Mehlspeiskoch hat die Kuchen für die werten Gäste kreiert“ erklärte der Hofmeister. „Sie mögen sich darin wiederfinden!“ Des Markgrafen Kuchen hatte die Form eines