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willst du?“

      „Nur mal sehen, wie es dir so geht.“

      „Und? Wie geht’s mir so?“

      „Wie üblich. Du kommst mir ein wenig vereinsamt vor. Du solltest dich enger an die Familien anschließen. Ein wenig Spaß haben, ein wenig Jugend genießen, du weißt schon.“

      „Spaß!“ Diego spuckte das Wort aus wie eine angefaulte Traube. „Spaß im Hamsterrad! Jeden Tag, jeden Monat, jedes Jahr dasselbe. Ist nicht mein Ding, tut mir Leid.“

      „Es ist ein wenig öde“, gab Adriano zu. „Aber du weißt, dass es sein muss, wenn man jung bleiben will.“

      „Ich weiß nur, dass es nicht sein muss“, widersprach Diego. „Ihr habt alle die Wahl!“

      „Richtig!“ Adriano nickte bestätigend. „Ich habe gewählt und es gefällt mir gut so. Wenn es mir mal nicht mehr gefällt, dann höre ich einfach auf damit.“

      „Das sagen alle Junkies“, meinte Diego, und obwohl er sah, dass sich eine steile Falte auf der Stirn seines Cousins bildete, schob er noch nach: „Was wurde denn heute so geboten im Hamsterrad?“

      „Eine Poolparty an Bord der Recife. Hernandez hatte uns eingeladen. War okay!“

      „Mal wieder eine Poolparty. Wie aufregend.“ Diego hielt sich die Hand vor den Mund und täuschte ein Gähnen vor. „Und die Gäste? Alle gesund?“

      „Sie werden niemals erfahren, was mit ihnen passiert ist. Danke der Nachfrage. Wir sind ja schließlich nicht so unbeherrscht, wie ein gewisser Fünfjähriger, der sich nicht unter Kontrolle hatte“, gab Adriano ärgerlich zurück.

      Die Spitze glitt an Diego ab. „Du bist vielleicht nicht so gierig“, meinte er nur, „aber ...“

      Adrianos Kopf ruckte herum. „Dolores hat sich im Griff!“, behauptete er mit einem grimmigen Lächeln. Er wusste genau, wohin Diego zielte. „Außerdem hat sie noch nie jemanden umgebracht.“

      Diego wusste, dass das Thema seinem Cousin nicht behagte. Es hatte da mal eine Affäre gegeben. Einen Fall von plötzlicher Vergreisung im Freundeskreis der Geschwister. Ein junger Mann, der damalige Freund von Dolores, war im wörtlichen Sinn über Nacht um Jahrzehnte gealtert. Im Gegensatz zu Diego hatte sie die Sache aber erstaunlich gut weggesteckt. Nun ja, schließlich war sie auch schon ein wenig älter und viel erfahrener.

      Ein etwa elfjähriger Junge kam heran und versuchte vergeblich, einen Hund anzulocken, der unter einem der Tische hastig etwas in sich hineinschlang.

      „Dolores“, sagte Diego nachdenklich. „Hat sie nicht morgen Geburtstag?“

      „Ja!“ Adriano sah ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen an.

      „Und was wünscht sie sich?“

      „Was alle sich wünschen: Jugend, Schönheit, Reichtum, was weiß ich.“

      „Hat sie alles! Was wünscht sie sich wirklich?“

      „Du hörst jetzt besser auf!“ In Adrianos Stimme war plötzlich ein drohender Unterton.

      Sie kämpften mit Waffen, die im Lauf der Jahre stumpf geworden waren. Stumpf zwar, aber immer noch schwer und mächtig genug, alte Wunden wieder aufbrechen zu lassen. Es gab Geheimnisse in den alten Familien, über Jahrhunderte hinweg gesponnene Intrigen und Gerüchte, die man besser nicht erwähnte.

      „Na, egal was es ist. Du wirst es schon möglich machen. Bis auf das Eine ...“

      „Oh, es wird ja schon dunkel. War nett, mit dir zu plaudern.“ Adriano lehnte sich zurück und schaute demonstrativ auf die Breitling an seinem Handgelenk. Mit einer eleganten Bewegung stand er auf und legte Diego die Hand auf die Schulter. „Ich verschwinde jetzt besser“, sagte er leise mit einem Lächeln, „bevor ich dir deinen verdammten Schädel von den Schultern reiße.“

      „Stimmt!“, grinste Diego zurück. „Das würde auffallen. Ein andermal vielleicht.“

      „Ein andermal bestimmt!“, meinte Adriano, hob zum Abschied grüßend die Hand und ging zwischen den Tischen hindurch in Richtung Parkplatz. Dabei kam ihm der kleine Hund in die Quere. Er schaute Adriano erschrocken an, kniff den Schwanz ein und rannte jaulend davon, ohne dass Adriano irgendetwas getan hätte. Er hatte das Tier noch nicht einmal richtig angeschaut.

      Diego sah seinem Cousin nach, wie er in der Dunkelheit unter den Bäumen verschwand. Adriano war wirklich verärgert, und vielleicht hatte er jetzt die ganze Woche Ruhe vor ihm. Zufrieden wandte er sich wieder dem Treiben auf der Terrasse zu und sein Blick blieb an einer Gestalt hängen, die er zuvor nicht bemerkt hatte: Ein hübsches Mädchen mit langen, hellblonden Haaren saß mit seinen Eltern und dem Jungen von eben an einem Tisch in der Nähe. Sie schien in irgendwelchen Schwierigkeiten zu sein, denn sie diskutierte mit ihrem Vater und ging mit ihrem Besteck auf das Essen los, als gelte es, einen Feind niederzumachen. Trotzdem machte sie keinen wütenden, sondern eher einen verzagten Eindruck. Sie wollte irgendetwas erreichen, hatte aber schon halb aufgegeben.

      Der Kellner kam und servierte die Seewolffilets. Dabei nahm er Diego einige Sekunden lang die Sicht, und als er wieder ging, saß das Mädchen nicht mehr am Tisch. Diegos Augen suchten das Restaurant ab, und da war sie: Sie stand am Tisch einer Freundin, die ähnliche Probleme zu haben schien, wie sie selbst. Das blonde Mädchen war ziemlich groß und sehr schlank und Diego merkte, dass sein Herzschlag sich um eine Winzigkeit beschleunigte.

      Das Essen war unwichtig geworden. Er war wie hypnotisiert und sah zu, wie sie sich mit einer fließenden Bewegung auf einen Stuhl gleiten ließ. Sie sprach ein paar Worte mit dem Vater der Freundin, wobei sie mit sparsamen Gesten die Dringlichkeit ihres Anliegens unterstrich. Hier wirkte sie viel überzeugender und lockerer, als im Gespräch mit ihren Eltern, und wirklich: Der Vater der Freundin nickte schließlich, woraufhin seine Tochter aufsprang und ihm eine ganze Serie von Küssen auf die Wange gab.

      Auch das hellblonde Mädchen stand auf und gemeinsam gingen die beiden zu einem dritten Tisch, wo es wohl nicht so gut lief. Diego ließ die schöne Unbekannte nicht mehr aus den Augen. Sie war einfach perfekt. Eine Frau, wie sie bislang nur in seinen schönsten und geheimsten Träumen vorgekommen war.

      Schließlich verließen alle drei Mädchen und die Terrasse. Ein viertes Mädchen sprang von einem Nachbartisch auf, rief etwas, und schloss sich ihnen an.

      Diego presste die Lippen zusammen. Die Nachzüglerin war schwarzhaarig und klein. Sie mochte das netteste Wesen der Welt sein, aber Diego stand sofort wieder das Mädchen aus seinem Traum vor Augen, dessen Körper sich in seinen Armen auf so unbegreifliche und schreckliche Weise verändert hatte. Warum konnte man solche Erinnerungen nicht einfach löschen, wenn sie einem doch nur das Leben vergifteten?

      Die vier Mädchen verschwanden in der Dunkelheit, aber für Diego waren sie noch schemenhaft sichtbar, als sie nahe der Wasserlinie stehen blieben, sich umwandten und gebannt in den Nachthimmel schauten. Die nahe Diskothek hatte gerade mit einem Samstagabendfeuerwerk begonnen.

      Was für ein Mädchen, was für eine Frau! Versonnen zerteilte Diego eines der Filets und schob sich den Bissen in den Mund. Er musste sie unbedingt kennen lernen! Vergessen war der Ärger mit Adriano. Er sah nur noch das Bild dieses Mädchens vor sich, und als die letzten Raketen ihre Ornamente an den Himmel gemalt hatten, stand sein Entschluss fest: Morgen würde er ihre Nähe suchen und sie ansprechen.

      05 SIEG

      „Warum denn nicht, Papa?“ begehre ich auf, als ich schließlich bei meinen Eltern am Tisch sitze, wo unser Abendessen serviert wird. „Fleur und Pauline machen schließlich auch mit und Felix auch!“

      „Felix?“ Mein Vater schaut mich etwas irritiert an. „Jungen machen da auch mit?“

      „Felix ist ein Mädchen“, kläre ich ihn auf. „Also, darf ich?“

      „Nein!“

      „Oh, Mann,

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