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noch hier verbringen wollen oder weiterwandern.“ „Wir wollen den Herrn um ein Zeichen bitten,“ antwortete Junia. „Wenn es sein Wille ist, werden wir die Stadt noch im Herbst verlassen.“

      Und das Zeichen kam rascher als erwartet: Am nächsten Morgen erschien einer der Ältesten der Gemeinde mit einem Brief in der Hand: „Ich habe eine Ladung zum Statthalter in Caesarea erhalten,“ sagte er, „der Proconsul wünscht Auskunft über die neue Religion, die wir hier in Miletene vertreten.“ „Dann werden wir dich begleiten,“ sagte Andronikus, „es sollte unsere Sache sein, den Glauben an den Christus Jesus zu verteidigen.“ In nur wenigen Tagen hatten die drei alles erledigt, was vor einer Abreise getan werden mußte. Der Abschied von der Gemeinde fiel ihnen schwer, waren ihnen doch viele der Brüder und Schwestern ans Herz gewachsen. Aber die Zeit drängte, Marcius hatte eine kleine Karawane ausgemacht, die in die Provinzhauptstadt ziehen wollte und der sie sich anschließen konnten. Vorsorglich hatte er auch ein Maultier erworben, für ihre Habseligkeiten und notfalls auch für einen von ihnen, wenn es erforderlich sein sollte.

      Es erwies sich bald, daß seine Fürsorge berechtigt war. Schon am zweiten Tag ihrer Wanderung durch die Bergketten des Taurus trat Junia auf einen lockeren Stein und stürzte. Zwar trug sie nur einige Hautabschürfungen davon, doch der linke Knöchel schwoll derart stark an, daß jeder Tritt mit Schmerzen verbunden war. Fast eine Woche saß sie so auf dem Tier, Andronikus kühlte ihren Fuß mit einem Tuch, das er hier und da in das eiskalte Wasser eines herabstürzenden Baches tauchte.

      Dann traf es ihn selber: Als er sich an einer Felswand abstützte, löste sich ein Steinbrocken oberhalb des Weges. Er konnte noch zur Seite springen, doch der Stein streifte seine Schulter, und wieder wurde das Maultier zum Retter. Alle atmeten auf, als sie endlich in der Ferne den gewaltigen Kegel eines hohen Berges erblickten, der aus der nunmehr flacheren Hügellandschaft aufragte, in der Caesarea, einst die alte Königsstadt Kappadokiens, sich ausbreitete, umgeben von salzigen Sümpfen in den Niederungen. Hier also würden sie auf den Proconsul treffen, und hier wollten sie den Winter verbringen in der Hoffnung, auch in der Provinzhauptstadt ihre Botschaft verkündigen zu können. Der letzte Teil ihres Weges führte durch ausgedehnte Weizenfelder, unterbrochen von großen Weideflächen für die Pferdezucht, ehe sie in einer Karawanserei am Rande der Stadt einkehrten.

      Am kommenden Tag machten der Älteste von Miletene und Andronikus sich auf zum Palast des Statthalters. Lange mussten sie in einem Innenhof warten, ehe man sie vor den Proconsul führte. Doch der hatte wenig Zeit und noch weniger Interesse an religiösen Disputen. Es stellte sich heraus, daß Vertreter der jüdischen Gemeinde in Miletene sich dagegen verwahrt hatten, daß die neue Gemeinde sich angeblich auf die verbrieften Rechte der Juden berufen hatte. Für den Römer waren das sowieso nur Spitzfindigkeiten, Streitereien von verschiedenen Richtungen innerhalb des Judentums. Der Form halber nahm er also die Erklärung von Androklus entgegen, daß man den jüdischen Messias als Gesandten Gottes verkünde, und erklärte die Angelegenheit für erledigt. Römische Belange seien nicht betroffen. Mit der fast schon ironischen Mahnung, sie mögen mit ihren Reden keine Unruhe in der Stadt verbreiten, entließ er die beiden.

      Andronikus und Junia beschlossen, am nächsten Sabbat die jüdische Gemeinde aufzusuchen, auch wenn sie nicht wussten, ob die Klagen der Miletener Juden gegen sie dort bekannt waren. Aber Gottes erwähltes Volk hatte das Recht, als erstes die Christus-Botschaft zu hören. Bis dahin wollte Andronikus in der Stadt nach einem Schreiber suchen, dem er seine Dienste anbieten konnte. Ihre letzten Denare wollte er, so weit es ging, gerne schonen.

      Die nächsten Wochen und Monate verliefen, wie die drei es schon von Miletene gewohnt waren: Andronikus sprach mehrmals in der Synagoge; es fand sich ein vermögender Kaufmann, Sohn einer jüdischen Mutter und eines phrygischen Vaters, der ihnen sein Haus für die Versammlungen anbot, in denen nun auch Junia sprechen konnte; eine erste, noch kleine Gruppe bekannte sich zum Christusglauben und ließ sich taufen; ein Teil der jüdischen Gemeinde widersprach den beiden und erreichte schließlich, daß man Andronikus ausschloß, während immer häufiger auch Kappadokier, Phrygier und Griechen sich dem neuen Glauben öffneten. Das alles vollzog sich, ohne daß eine breite Öffentlichkeit in der Stadt daran Anstoß nahm, und folglich erhielt auch der Statthalter davon keine Kenntnis. Wandernde Prediger, neue Kulte oder Lehren waren schließlich keine Seltenheit hier im Osten des Imperiums, wo so viele verschiedene Kulturen nebeneinander existierten.

      Als der Frühling auch auf die Hochebene Kappadokiens kam und der Schnee sich auf die Gipfel des Gebirges und des Argaeus Mons zurückgezogen hatte, gab es in Caesarea eine Gemeinde von Getauften, und mit jedem, der hinzukam, wuchs auch die Zahl derer, die sich offen zu der Botschaft bekannten und so andere neugierig machten. Junia und Androklus konnten zufrieden und dankbar sein: Was sie gesät hatten, ging nun auf und trug mannigfach Frucht. Im Sommer erreichte sie ein Brief aus Antiochia, der auch davon berichtete, daß es Streit zwischen den Jerusalemern und Paulus gegeben hatte und daß Petrus und die anderen Jünger nun endgültig zugestanden hätten, daß auch den Heiden das Evangelium verkündet werden dürfe, ohne sie auf das Gesetz zu verpflichten. In ihrem Antwortschreiben berichteten sie nicht ohne Stolz den Geschwistern im fernen Antiochia, daß der Glaube an den Christus Jesus auch in dieser Gegend Fuß gefasst hatte. Wieder kam also die Zeit, wo sie sich prüften, ob sie Caesarea verlassen und sich eine neue Wirkungsstätte suchen sollten.

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