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31 Das Buch

       32 GESTÄNDNISSE

       33 CONLAN

       34 BRENDA

       35 JERRY

       36 DER GEIST

       37 FLUCHT

       38 MARCO

       39 ZEPHYR

       40 TAURUS

       41 DIE MANHATTAN

       42 PORT GRIMAUD

       43 THAKUR

       44 DIE ALTEN AUS DEM MEER

       45 DAS PLATEAU

       46 TOURISTEN

       47 PARTYTIME

       Mehr von Christiane Weller und Michael Stuhr:

       Impressum

       SILENT SEA 1, “DAS GESCHENK”

       PROLOG

      Wie immer wusste er, dass es ein Traum war, aber schon das erste Bild erzeugte eine solche Panik in ihm, dass er verzweifelt versuchte, aufzuwachen.

      Es würde nicht gelingen. Es konnte nicht gelingen, weil es nie gelang. Die Bilder würden an ihm vorbeirasen, wie ein Schnellzug in voller Fahrt, und es war sinnlos, erwachen zu wollen, bevor der letzte Waggon vorbeigerauscht war.

      Er war den Bildern völlig ausgeliefert. Er kannte sie alle, aber das machte es nicht besser. Er wusste, wie der Traum zu Ende gehen würde. Er kannte das letzte Bild, das er fürchtete, wie nichts sonst auf der Welt: Das Bild, auf dem er sich in Adrianos Griff wand und zurückschaute in den sonnendurchfluteten Garten, wo sich die Strahlen der Sonne vieltausendfach in der leicht gekräuselten Wasserfläche des Pools brachen.

      Es begann wie immer ganz friedlich: Er schwamm allein im Pool. Obwohl er erst fünf Jahre alt war, war er ein ausgezeichneter Schwimmer und durfte schon lange allein ins Wasser. Eigentlich war das immer schon so gewesen. Er konnte sich jedenfalls nicht erinnern, dass seine Eltern ihm je das Schwimmen verboten hätten – außer in Gesellschaft natürlich.

      Waren Fremde in der Nähe, durfte er nicht ins Wasser. Seine Eltern hatten ihm erklärt, dass er so gut schwamm, dass die Fremden neidisch und ärgerlich werden könnten, wenn sie ihn im Wasser sahen, aber auch da gab es Ausnahmen. Es gab nämlich einerseits die Fremden, vor denen man nicht angeben durfte, und dann gab es da auch noch die Menschen vom Alten Bund. Mit deren Kindern durfte man im Wasser spielen, und das machte dann auch richtig Spaß.

      Was die Fremden so unter Schwimmen verstanden, war für den Jungen sowieso uninteressant. Das war kaum mehr als ein müdes Geplansche, und sie waren auch viel zu schnell erschöpft. Die vom Alten Bund dagegen waren stark und es machte Spaß, sich mit ihnen im Wettkampf zu messen.

      In seinem Traum war das Wetter immer schön, und unter all seiner Panik spürte er den Frieden des Augenblicks, das Salzwasser des Pools, die Sonne auf der Haut, die Ruhe ringsum.

      Die bis zum Boden reichenden Terrassenfenster waren geöffnet, und leise Musik drang aus dem Haus. Es war ein Augenblick ungetrübten Glücks, ein unvergesslicher Moment, besonders hervorgehoben durch die Katastrophe, die gleich unausweichlich folgen musste.

      Mit kraftvollen Bewegungen durchschnitt er das Wasser wie ein Delfin, tauchte ab, umrundete das Becken unter Wasser, und als er auftauchte, war sie da.

      Er hatte es vorher gewusst, dass dieses kleine Mädchen am Beckenrand stehen würde, aber er erschreckte sich trotzdem jedes Mal. Sie hatte ihn beobachtet, als er getaucht war und das durfte eigentlich nicht sein. Hoffentlich hatte sie nicht bemerkt, dass er viel zu lange unter Wasser geblieben war. So lange, wie sie selbst es niemals auch nur ansatzweise schaffen würde.

      Hatte sie es bemerkt? Es schien nicht so. Sie stand nur am Beckenrand und sah ihn mit tränenfeuchtem Gesicht an. Sie hatte irgendeinen Kummer. Er kannte das Mädchen vom Sehen. Der schwarze Haarschopf, die gebräunte Haut und das winzige, orangerote Bikinihöschen waren unverkennbar. Es war die Tochter der Nachbarn, die er hin und wieder aus dem Fenster seines Zimmers im ersten Stock gesehen hatte. Sie hatte in etwa sein Alter, aber sie hatten noch nie ein Wort miteinander gesprochen.

      Betont langsam schwamm er auf die Leiter zu, aber trotzdem bildete sich vor seiner Brust eine Welle, die sich teilte und als hoch aufgewölbtes Dreieck aus Wasser und Lichtreflexen den ganzen Pool durchzog. Das Mädchen bemerkte es nicht. Die Kleine war ganz in ihrem Kummer gefangen und starrte mit leeren Augen über die Wasserfläche.

      Der Erwachsene in ihm wollte ihr zurufen, dass sie weggehen sollte, ihm nicht zu nahe kommen, sich in Sicherheit bringen; aber er musste hilflos zusehen, wie der Junge in seinem Traum den Griff der Leiter erfasste und sich aus dem Wasser zog.

      Das Mädchen sprach nicht. Das tat es nie, aber trotzdem wusste er, warum es hergekommen war: Der neue Hund der Kleinen war plötzlich gestorben und es waren nur die Dienstboten im Haus. Mürrische, ungeduldige Leute die sich weder für den Welpen noch für das Kind interessierten. Ihre Eltern waren unterwegs und sie hatte dort keinen Trost finden können, darum war sie über die Mauer geklettert, hin zu dem Nachbarjungen, den sie hier entdeckt hatte.

      Unschlüssig stand der Junge am Rand des Pools und sah das Mädchen an. Er war so erzogen worden, sich nicht zu sehr mit Fremden einzulassen, und dieses hübsche, kleine Mädchen war ganz ohne Zweifel eine Fremde, das konnte er sofort erkennen. Aber sie war doch ungefährlich, so klein, wie sie war. Sie musste ungefährlich sein, denn sie war vor der Gleichgültigkeit im eigenen Haus in seinen Garten geflohen, um seinen Trost und seinen Schutz zu suchen. Und sie war sehr traurig. Stand einfach nur da und sah ihn mit ihren großen, dunklen Augen an, die immer noch in Tränen schwammen.

      Der Junge spürte, wie allein und hilflos sie war. Sie wollte sich bloß bei einem menschlichen Wesen ausweinen. Sie suchte seine Nähe und sein Mitgefühl, und auf einmal war alles ganz einfach: Mit einem raschen Blick zum Haus vergewisserte er sich, dass niemand sie beobachtete, machte einen Schritt auf sie zu und legte ihr einen Arm um die Schultern.

      Die Kleine atmete mit zitternden Lippen ein und legte scheu ihren Kopf an seinen Brustkorb. Sie war wirklich klein. Ihr Kopf reichte ihm gerade mal bis zum Kinn.

      Er spürte ihr tränenfeuchtes Gesicht auf seiner Haut und wie ihr schmaler Körper unter kleinen Schluchzern vibrierte. Er zog sie ein wenig dichter an sich heran, weil sie ihm unendlich Leid tat, wie sie sich so an ihn lehnte und leise weinte. Irgendetwas in ihm gab nach und wurde

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