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gemacht. Rhetorisch war er gelegentlich zwischen: Radikal, brachial, national und völlig durchgeknallt anzutreffen, denn sein damaliges Paradies, das war die „DDR“, die er als Sonne in der Finsternis betrachtete. Für ihn war die Mauer, nicht nur irgendeine Mauer, sondern sie war der anti-faschistische Schutzwall! Neben Harry, war er übrigens der einzige, der „angeblich“ Abitur hatte, und gelegentlich zum Jähzorn neigte.

      Biggi: Jahrgang 1950, genauso alt/jung wie Ina. Ja, und Biggi mochte es luftig, wenn man es auf ihre bunten Klamotten beschränkte, sie schlief mit Männern und mit Frauen, und sie fand es absolut spießig sowie faschistisch, wenn jemand anders drauf war als sie. Politisch war sie sehr weit links einzuordnen. Drogentechnisch, um das einmal, rückwirkend, klarzustellen, war sie immer an vorderster Front. Sie war von zarter Gestalt, aber umso lauter, wenn jemand ihr, in Diskussionen, zu nahe kam. Die Bundesrepublik war ihr in jeder nur erdenklichen Hinsicht, zu faschistisch. Sie war eine gebürtige Berlinerin, und ihr Standartsatz lautete: „Leute! Wir müssen nach Berlin, denn da passiert jetzt was. Ich kenne so viele Leute hier in der Umgebung, die schon längst abgehauen sind. - Es waren alles Anti-Faschisten.“

      Jimmy: Jahrgang 1946. Gitarrist, Komponist, Drogendealer, drogenabhängig, fanatischer Anti-Faschist und beizeiten Gedichte-Schreiber sowie Schriftsteller. Er war vielleicht am un-politischsten in der Edel-Kommune; er war mehr so auf die Muse bedacht; Kreativität war sein Ding. Gerne schlief er mit Penny, die ihm, vom Wesen her, ähnlich war. Aber er trieb es natürlich auch mit Ina, die irgendwie nicht den Hals vollkriegen konnte, wenn die Pferde mit ihr durchgingen. Ihre Geilheit war geradezu berüchtigt... auch, wenn es ihr, mit ihm, politisch zu einseitig bzw. zu langweilig wurde. „Ich könnte nie mit einem Nazi ficken, oder mit einem reaktionären Unternehmer,“ war ihr Lebensmotto. Sein, also Jimmy´s, Zynismus jedoch, durchbrach gelegentlich, die politische Monotonie innerhalb der Kommune, was „alle“ irgendwie erfreute, besonders natürlich Ina, die im Geiste, längst schon in Berlin, auf der Straße, zusammen mit Biggi, randalierte und die Öffentlichkeit mit irgendwelchen allgemeinen politischen Thesen bombardierte und in den absoluten Wahnsinn trieb. Aber wie gesagt: Nur im Geiste.

      Alle wie sie da waren, lebten von gelegentlichen Jobs, oder sie ließen sich Geld von den Eltern schicken. Geklaut wurde natürlich auch alles Mögliche und dann sofort verscherbelt. Mindestens einmal im Monat fuhr man mit dem antifaschistischen Gemeinschaftsbus, welcher Harry gehörte, nach Amsterdam und kaufte, für sich und für andere, großzügig jede Art von Drogen ein.

      Über Arbeit- und über Revolution zu reden, das war eine Sache innerhalb der Kommune, aber selber in die Hände spucken, um etwas zu leisten, für sich oder für andere, nein, das war nicht die Auffassung der „Kommune München“ wie sie sich damals nannten. Arbeit, regelmäßige Arbeit, und dann auch noch für den Kapitalismus, das ging gar nicht. Und in diesem speziellen Punkt waren sich alle 6 auch immer einig, es gab nie den geringsten Streit deswegen, es war der unbezwingbare Grundgedanke des Anti-Faschismus, welcher sie zusammen schmiedete. Für die Küche, und für die Reinigung des Badezimmers, wurden allerdings die Frauen, ohne Vorbehalte, in einer erregten Grundsatzdiskussion, abkommandiert. Harry tat zwar anfänglich so, als wenn er das nicht in Ordnung finden würde, dass die Frauen in die übliche Rolle, einer reaktionären, Hausfrau gedrängt würden, aber Jimmy und Sunny hielten das für die beste Lösung. - Ja, und nur unter heftigsten Protesten, unter immer wieder kehrenden Diskussionen, mit verschiedensten Argumenten, willigten: Ina, Penny und Biggi eines Tages endlich ein, obwohl sie es faschistisch, kontra-revolutionär und spießig fanden, dass die Frauen den Männern den Dreck weg machen durften. Denn, für die schmutzige Wäsche und fürs Einkaufen waren sie ebenso zuständig. Harry hatte hierzu vorab gesagt: „In einem antifaschistischen Haushalt, welcher sich mit dem Proletariat solidarisieren will, um auf Missstände im Kapitalismus hinzuweisen, gehört es sich einfach, dass jeder seine eigene Fähigkeit mit einbringt, so dass ein kollektives Gemeinschaftsgefühl entsteht. So etwas Ähnliches kann man übrigens auch bei Karl Marx nachlesen.“ Ob das nun wirklich stimmte mit Karl Marx, dass der die Frauen in ihren typischen Rollen belassen wollte, vor der eigentlichen Revolution, das wurde von niemanden hinterfragt, man wollte keinen Ärger mit Harry. Alle vertrauten auf Harry, da seine komplizierten Argumente irgendwie einleuchtend klangen, wenn er sich pathetisch auf Marx - und dessen Thesen aus dem 19ten Jahrhundert-, berief. Marx war sowieso, in der Kommune München, zu einem Gott emporgestiegen – Zweifel an seinen Schriften, oder an einer kritischen Auslegung seiner Schriften, wurden von überhaupt niemanden geduldet, auch nicht wenn irgendwer zu Besuch kam. Marx wurde von allen wie ein Heiliger verehrt, der unfehlbar war. Und es war natürlich Harry, der mit ein paar Standartfloskeln immer wieder brillierte, gerade bei Diskussionen, in denen es sich um das Alltagsleben in der Kommune drehte. Das Jahr 1967 war demzufolge sehr vielschichtig, und nicht nur die Ermordung von Benno Ohnesorg, am 2. Juni, hatte die Studenten in Berlin erzürnt, auch in der Kommune München kam es, als sich das Jahr dem Ende neigte, aufgrund der bevorstehenden Weihnachtstage, zu unnormalen sowie heftigsten Auseinandersetzungen. Das Problem war, dass Harry der Meinung war, dass Weihnachten kein Fest der Liebe ist, sondern lediglich der Ausdruck einer faschistischen, vom Kapitalismus unterwanderten Weltanschauung sei. Harry sagte wörtlich zu den anderen, die vor ihm auf dem Boden saßen: „Wer Weihnachten feiert, und zwar so wie fast alle auf der Welt, der ist für mich ein kontra-revolutionäres Faschisten-Schwein, der nichts begriffen hat.“ Ina und die anderen nickten zwar mit den Köpfen, um Harry stillschweigend recht zu geben, trotzdem begriffen sie nicht, dass ausgerechnet er, die Festtage, in Würzburg, bei seinen Eltern und seiner Schwester verbrachte. Alle anderen blieben nämlich in der Kommune. Ja, und ohne dass es zum Krach kam, kaufte Biggi einen kleinen Tannenbaum, schmückte diesen und alle sahen sich dann, am Heiligen Abend, nach einem schönen Essen, im Fernsehen einen besinnlichen Film an, welcher von Jesus Christus handelte. Als Harry nach den Festtagen zurück in die Kommune kehrte, hatte Biggi den Baum längst schon abgeschmückt und entsorgt, so dass Harry keinen Grund hatte sich erneut aufzuregen, um seine Mitbewohner als Spießer oder gar als Faschisten sowie Kontra-Revolutionäre zu beschimpfen.

      Sylvester wurde allerdings kräftig gesoffen und gefeiert, damit hatte Harry kein Problem, ganz im Gegenteil, er forderte die Frauen auf, dass sie sich alle, aus politischen Gründen, ausziehen müssten. Er, und die anderen beiden Kerle, würden sich die Augen verbinden, die Frauen müssten sich in den Räumlichkeiten verteilen, und wenn einer von den Männern eine Frau ertastet hätte, dann dürfte er mit ihr machen, was er wollte. - Dass Harry auf Sexspiele stand, das wusste jeder, aber dass er zu einer Art von Sexguru, nach indischem Vorbild geworden war, das verblüffte viele. Auch Ina war aufgrund dessen ein bisschen irritiert und verletzt, denn sie hatte immer geglaubt, dass sie ihm etwas mehr, als die zwei anderen Weiber, bedeuten würde, obwohl sie es nie offen aussprach, weil sie Angst vor seinen Worten hatte, die, durchaus, sehr weh tun konnten.

      Im März 1968 tauchten Heiner Lang-Schwanz und Uschi Untermeier auf, Harry hatte die beiden eingeladen, weil Biggi endlich mit der „Münchener Kommune“ nach Berlin wollte, um sich dort, wo sie einst abgehauen war, selbst zu verwirklichen. - Harry kannte Heiner und Uschi noch aus früheren Zeiten; Heiner sollte eine große Wohnung suchen und somit den Grundstein für den Umzug endgültig festlegen. Doch vor der Arbeit kam das Vergnügen. Innerhalb der ersten 3 Tage in München hatte Heiner mehrmals mit Ina, Biggi und Penny gebumst. Uschi hingegen ließ sich von den Herren der Münchener Kommune beglücken und auf Händen tragen. Zwischendurch wurden Unmengen von Marihuana geraucht, - Alkohol floss in Strömen und dann telefonierte Heiner stundenlang mit einem Vermieter in Berlin, der eine geräumige 6 Zimmer Wohnung zur Verfügung stellen konnte. Und es klappte tatsächlich! Der „Deal“, wie er ihn nannte, war somit perfekt. Während Heiner und Uschi, am darauffolgenden Tag, total „stoned“ zurück nach Berlin flogen, wurden in der Münchener Kommune die Koffer sowie die Kartons gepackt. Drei riesige Umzugswagen waren erforderlich, um alles, was Harry und Co. nicht zurück lassen wollten, korrekt sowie unbeschädigt unterzubringen. - Es war an einem Mittwoch, als die Wagen sich langsam, Richtung Osten, in Bewegung setzten. Die Münchner Kommune war ebenfalls, komplett, mit dem Flugzeug nach Berlin-West gereist, weil Heiner ihnen, aus politischen Gründen, dazu geraten hatte. Ja, und am Freitag, dem 15. März 1968, spät am Abend, war dann endlich alles unter Dach und Fach, in Berlin, in der neuen WG, die frisch renoviert war und zudem sogar noch etwas luxuriöser war, als das, was man in München zurückgelassen hatte. Die Zimmer (sowie

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