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die er bereist hatte, offensichtlich über lange Jahre und auf der Suche nach etwas, das er mir gegenüber nicht genauer erklärte. Zweimal fieberte er und sprach in fremden Sprachen, die ich als Griechisch und Arabisch identifizierte; gelegentlich auch in Englisch, wenn er zu einem Wesen zu sprechen schien, das Gegenstand seiner Verehrung war, ja seiner Anbetung, wie es mir vorkam. Was er in diesen Gesprächen sagte, möchte ich jedoch nicht preisgeben, da ich sie in meiner Eigenschaft als Arzt hörte.

      Eines Tages deutete er auf eine kleine Kiste aus einem tropischen Holz (dieselbe, die ich heute als Bahngut an Sie aufgegeben habe) und bat mich, sie sofort nach seinem Tod an Sie zu schicken. Außerdem bat er mich, ein Manuskript einzupacken, das ebenfalls nach seinem Ableben an Sie geschickt werden sollte.

      Er sah, dass ich dabei einen Blick auf die letzten Blätter warf, die stark versengt, teilweise verbrannt waren und sagte (ich wiederhole wörtlich):

      »Ja, ja, das ist nun nicht mehr zu ändern. Sie müssen es abschicken, so wie es ist. Ich hatte mich entschlossen, das Manuskript zu vernichten, und es war bereits im Feuer, als ich den Befehl erhielt - einen klaren, deutlichen Befehl - und ich es wieder aus den Flammen riss.«

      Was Mr. Holly mit diesem Befehl meinte, kann ich nicht sagen, da wir nie wieder von dieser Angelegenheit gesprochen haben.

      Ich komme jetzt zum letzten Akt. Eines Abends gegen elf Uhr wollte ich meinen Patienten wieder aufsuchen, da ich wusste, dass sein Ende bevorstand, um sein Herz mit einer Strychnin-Injektion etwas länger schlagen zu lassen. Doch bevor ich das Haus erreichte, kam mir die Haushälterin entgegengelaufen, offensichtlich verstört vor Angst, und ich fragte sie, ob Mr. Holly gestorben sei. Sie schüttelte den Kopf und erklärte, dass er verschwunden sei; er sei aus dem Bett gestiegen und so wie er war, barfuß und im Nachthemd, aus dem Haus gegangen. Er sei zuletzt von ihrem Enkel gesehen worden, zwischen den schottischen Fichten, an derselben Stelle, an der wir jetzt standen. Der Junge war halb hysterisch vor Angst zu ihr gelaufen, da er glaubte, einen Geist gesehen zu haben.

      Das Mondlicht war sehr hell in dieser Nacht, besonders, da es von frisch gefallenem Schnee reflektiert wurde. Ich war zu Fuß gekommen und begann sofort mit der Suche zwischen den Fichten, bis ich am Rand der kleinen Schonung die Spuren nackter Füße im Schnee entdeckte. Ich folgte ihnen und befahl der Haushälterin, zurückzugehen und ihren Mann zu wecken, da niemand sonst in der Nähe wohnte. Die Spur war in dem frisch gefallenen Schnee sehr leicht zu verfolgen. Sie führte auf die Kuppe eines Hügels, der sich hinter dem Haus erhob.

      Auf diesem Hügel befindet sich ein uraltes Monument aus aufrecht stehenden Monolithen, das von der einheimischen Bevölkerung der Teufelsring genannt wird - eine Art Miniatur-Stonehenge, das von einem vorgeschichtlichen Volk dort errichtet worden ist. Ich hatte es bereits mehrere Male besichtigt und war zufällig auch anwesend, als bei einer Sitzung einer archäologischen Gesellschaft sein Ursprung und Zweck diskutiert wurden. Ich erinnere mich, dass einer der gelehrten Gentlemen eine These über eine Figur verlas (es handelt sich dabei um die primitive, rohe Darstellung eines Oberkörpers und eines mit einem Schleier oder einer Kapuze verhüllten Gesichts), die in einem Cromlech oder Dolmen gemeißelt war, der im Mittelpunkt des Kreises steht.

      Er vertrat die Ansicht, dass es sich um eine Darstellung der ägyptischen Göttin Isis handele und dass dieser Ort ihr geweiht worden sei; zumindest aber hätte diese Stätte der Verehrung einer Naturgöttin gleicher Art gedient. Die anderen gelehrten Gentlemen hielten diese Hypothese für schlechtweg absurd. Sie erklärten, dass Isis niemals nach Britannien gekommen sei, obwohl ich nicht einsehen kann, warum die Phönizier, oder sogar die Römer, die ihren Kult mehr oder weniger übernommen haben, ihn nicht hierhergebracht haben sollten. Doch ich verstehe nichts von solchen Dingen und möchte mich deshalb nicht auf eine Diskussion darüber einlassen.

      Ich erinnerte mich, dass auch Mr. Holly diese Stätte kannte; erst am vergangenen Tag hatte er sie mir gegenüber erwähnt und mich gefragt, ob die Steine noch immer unbeschädigt seien, wie zu der Zeit, als er hier aufgewachsen war. Dann erklärte er mir, dass er dort, bei diesen alten Steinen, sterben wolle. Als ich ihm sagte, dass er wohl nie mehr die Kraft haben würde, auf diesen Hügel zu steigen, sah ich, dass er verhalten lächelte.

      Nun, dieses Gespräch lenkte mich auf den richtigen Weg. Ohne mich länger um die Fußspuren zu kümmern, ging ich, so schnell ich konnte, zu dem Ring aus Steinen hinauf, ein Aufstieg von etwa einer halben Meile. Als ich ihn erreichte, sah ich dort, vor dem Dolmen und nur mit seinem Nachthemd bekleidet, Mr. Holly barfuß im Schnee stehen - der seltsamste Anblick, den ich jemals erlebt habe.

      Nie werde ich diese Szene vergessen. Der Ring von rohen, aufrecht stehenden Steinen, deren Spitzen auf den sternübersäten Himmel gerichtet waren, ein Bild einsamer Größe. Der hohe Trilithon in ihrer Mitte überragte sie, sein Schatten wurde von dem hellen Mondlicht auf die blendend weiße Schneedecke geworfen, und außerhalb dieses Schattens, so dass ich jede seiner Bewegungen klar erkennen konnte, und selbst den verzückten Ausdruck auf seinem sterbenden Gesicht, stand die weißgekleidete Gestalt von Mr. Holly. Er schien irgendeine Beschwörungsformel zu intonieren - auf Arabisch, glaube ich - denn lange, bevor ich ihn erreichte, hörte ich seine volle, sonore Stimme, sah ich seine zum Himmel emporgereckten Arme. In seiner rechten Hand hielt er das Zepter, das ich Ihnen auf seinen ausdrücklichen Wunsch zusammen mit seinen Zeichnungen zugesandt habe. Deutlich konnte ich das ringförmige Kopfstück des Zepters erkennen, sah das Glitzern der Edelsteine, die auf seinen Drähten aufgereiht waren, hörte das feine Klingeln der goldenen Glöckchen.

      Und dann schien mir plötzlich eine andere Gegenwart bewusst zu werden, und nun verstehen Sie vielleicht meinen Wunsch, dass mein Name in diesem Zusammenhang nicht genannt werden soll, da ich keine Lust habe, in eine abergläubische Geschichte hineingezogen zu werden, die unmöglich und absurd erscheinen muss. Doch halte ich es unter den obwaltenden Umständen für richtig, Ihnen zu berichten, was ich sah - oder zu sehen glaubte: irgendetwas schien sich im Schlagschatten des zentralen Dolmen zu materialisieren oder aus seiner mit der primitiven Götterfigur geschmückten Höhlung zu kriechen - ich weiß nicht, was es war und wie es geschah - etwas Helles, Erhabenes, das allmählich die Gestalt einer Frau annahm, an deren Stirn ein sternenartiges Licht glühte.

      Auf jeden Fall erschreckte mich diese Vision, oder Reflektion, oder was immer es gewesen sein mochte, so sehr, dass ich im Schatten eines der Monolithen stehenblieb und nicht einmal fähig war, den Mann, den ich bis hierher verfolgt hatte, anzurufen.

      Während ich so im Schatten des Steins stand, wurde mir bewusst, dass auch Mr. Holly etwas gesehen hatte. Jedenfalls wandte er sich der strahlenden Erscheinung im Schatten zu und stieß einen Schrei aus, einen wilden Freudenschrei, und trat auf sie zu. Und dann schien er durch sie hindurch zu Boden zu fallen.

      Als ich die Stelle erreichte, waren das Licht und die schattenhafte Gestalt verschwunden, und ich fand nur Mr. Holly, der mit ausgestreckten Armen auf dem Boden lag, das Zepter mit der rechten Hand umklammert.

      Er war tot.

      Den Rest des Briefes dieses Arztes brauche ich nicht zu zitieren, da er sich mit mehreren sehr unwahrscheinlichen Theorien über den Ursprung dieser Lichtgestalt befasst, mit Einzelheiten über den Abtransport des toten Holly und über sein Gespräch mit dem Coroner, den er davon überzeugen konnte, dass eine gerichtliche Überprüfung der Todesursache nicht nötig sei.

      Der Kasten, von dem er sprach, ist inzwischen sicher eingetroffen. Über die darin aufbewahrten Skizzen und Zeichnungen brauche ich nichts zu sagen, und über das Sistrum, oder Zepter nur ein paar Worte. Es war aus Kristall gearbeitet und hatte die bekannte Form des Crux-ansata, dem Lebenssymbol der Ägypter: Stange, Kreuzstange und Ring zu einer Einheit verbunden. Von einer Seite des Rings zur anderen waren Drähte gespannt, auf denen Edelsteine in drei Farben aufgereiht waren: blitzende Diamanten, meerblaue Saphire und blutrote Rubine; an dem vierten Draht, dem obersten, hingen vier kleine, goldene Glocken.

      Als ich es zum ersten Mal in die Hand nahm, begann mein Arm vor Erregung zu zittern, und die kleinen Glocken klingelten: ein lieblicher, sanfter Klang wie der eines fernen, nächtlichen Geläuts über der Stille des Meeres. Ich hatte auch das Gefühl - doch das konnte Einbildung gewesen sein -, dass ein Beben von dem heiligen und wunderschönen Ding in meinen Körper drang.

      Was

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