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Fahrzeugen hindurch. Bei einem weißlackierten Cabrio blieb er stehen, hielt sich an der Fahrertür fest und entleerte laut gurgelnd seinen Mageninhalt in das Innere des Wagens.

      »Was ist los, Waldemar?«, fragte Winfried besorgt, »geht's dir nicht gut?«

      Waldemar würgte und entleerte sich abermals in den Wagen. Er hob seinen Kopf, löste sich von der Karosserie, fand sein Gleichgewicht wieder und grinste. »Mir geht es bestens. Wisst ihr, wessen Auto das ist? Das ist das Cabrio unseres Geschäftsführers. Ex-Geschäftsführers«, sprach er lallend.

      Schwankend ging Waldemar ein paar Schritte vorwärts, sie folgten ihm zu seinem Auto, einem rostigen Gefährt, das aufgrund zahlloser Unfälle schon vollkommen verbeult war.

      »Meinst du, dass du in deinem Zustand noch in der Lage bist, zu fahren?«, fragte Ralf skeptisch.

      »Fahren kann ich ganz sicher noch«, erhielt er zur Antwort, »und auf vier Reifen kann ich nicht umkippen. Laufen kann ich nicht mehr. Kommt, steigt ein. Ich habe eine Idee, wo wir jetzt noch richtig Spaß haben können!«

      Nach kurzem Zögern nahmen alle in seinem Wagen Platz. Waldemar startete mit quietschenden Reifen, brauste die Kurven der Parkebene in die Höhe, zerschmetterte die Schranke und gab nach Verlassen des Parkhauses durchgehend Vollgas. In Schlangenlinien und mit maximalem Tempo raste er durch die Straßenschluchten der Frankfurter Skyline.

      Er legte eine Vollbremsung hin, das Fahrzeug blieb vor einem Bürogebäude stehen und er verkündete freudig: »Wir sind da!«

      »Moment! Was sollen wir hier?«, fragte Winfried überrascht, »das ist unser Bürogebäude!«

      Waldemar stieg aus und lachte. »Ex-Bürogebäude! Ich habe doch versprochen, dass wir noch Riesenspaß haben werden.« Er lockerte einen Pflasterstein vom Gehweg und warf ihn gegen eine Scheibe, die laut zerplatzte.

      »Das ist ja cool, was du für Arbeitskollegen hast!«, lachte Gernot, nahm als zweiter einen Stein und warf ihn in ein anderes Fenster, das sich ebenso in Scherben auflöste.

      Ralf schloss sich nun auch an. Mit ohrenbetäubendem Scheppern zerlegten sie ein Fenster des Gebäudes nach dem anderen, bis unzählige Scheiben zerschmettert waren. »Das macht echt Spaß!«, rief Waldemar gutgelaunt, »es ist mittlerweile meine Hauptbeschäftigung!«

      Sie hielten inne, als sich Blaulicht näherte, ein Polizeiauto bei ihnen hielt und zwei Polizisten ausstiegen. »Anwohner hatten Randale gemeldet. Wisst ihr etwas? Und das Wrack im absoluten Halteverbot, ist das euer Auto?«

      »Nein«, antwortete Waldemar, »hier waren eben noch ein paar Halbstarke, wahrscheinlich ist es deren Auto. Die sind weggelaufen, als sie das Blaulicht gesehen haben. Gerade sind sie dort um die Hausecke gerannt.«

      »Danke!«, entgegneten die Polizisten kurz und rannten in die Richtung, die Waldemar ihnen gezeigt hatte. Als sie um die Hausecke verschwunden waren, rief Waldemar seine Begleiter zur Eile: »Sofort einsteigen, machen wir uns vom Acker!« Hektisch nahmen sie Platz im Auto und er gab Vollgas, bis sie das Bankenviertel verlassen hatten.

      Die Bewerbung

      »Du musst doch etwas machen. Irgendwas!«

      In letzter Zeit gingen ihm die vorwurfsvollen Bemerkungen aus seinem Bekanntenkreis immer mehr auf die Nerven, daher durchstöberte er in einer Wochenendausgabe der Regionalzeitung die Stellenangebote und bewarb sich bei zwei Unternehmen. Mit Erfolg. Zwei Vorstellungsgespräche wurden vereinbart, geschickterweise ließen sich beide Termine auf zwei aufeinanderfolgende Tage legen.

      Schon den Tag zuvor hatte Winfried sich nach Stuttgart begeben und in einem Hotelzimmer einquartiert. Als er vormittags durch das Summen seines Weckers langsam wach wurde, kamen ihm zunehmend Zweifel, ob er das Vorstellungsgespräch derart aufgeregt überstehen würde. Es ist zu früh, mein Schädel brummt, ich fühle mich gar nicht wohl. In der Minibar entdeckte er einen hochprozentigen Drink mit Namen ›Seelenerfrischer‹, leerte ihn in einem Zug und sprach sich Mut zu. Ein kräftiger Schluck am Morgen vertreibt Kummer und Sorgen. Und den Kater. Und beruhigt die Nerven.

      Als er im Bad seinen Kulturbeutel öffnete, fiel eine Dose mit kleinen bunten Pillen heraus. Seit Jahren befand sich diese schon ungeöffnet in der Tasche, ein Überbleibsel aus seiner Party-Zeit, das ihm damals ein Freund besorgt hatte. Es würde ihm gut tun - hatte dieser versprochen - und eine euphorische Stimmung hervorrufen. Die hätte er jetzt dringend nötig. Die passende Gelegenheit, die Wirkung einmal zu testen. Nachdem er eine der Pillen geschluckt hatte, bemerkte er noch keine Veränderung, jedoch machte es ihn optimistischer. Ich bin bereit für das Gefecht. Es kann losgehen.

      Der Termin fand bei ›Quickdeal Ltd.‹ statt, einem IT-Unternehmen in Stuttgart, das sich auf Finanzsoftware spezialisiert hatte. Verabredet war er mit zwei Interviewpartnern: mit Herrn Schadmeier, dem Human-Resources-Beauftragten sowie einem russischen IT-Experten.

      Am Empfang wurde er nach fünf Minuten abgeholt von einem Herrn, der sich mit einem markanten Akzent vorstellte: »Ich bin Oleg Popowitsch, russischer IT-Professional«, und Winfried die Hand schüttelte. »Ich bin erfeut, Sie kennenzulernen.«

      Der Mann führte ihn in einen Konferenzraum. In einem unbeobachteten Moment zückte Winfried ein Taschentuch und reinigte sich die Hände.

      Ein korpulenter zweiter Herr betrat das Zimmer, zog seinen Bauch ein und streckte ihm die Hand entgegen. »Ich bin der Human-Resources-Beauftragte Fabian Schadmeier. Wie war nochmal ihr Name?«

      »Winfried. Winfried Kunze«, stellt er sich mit festem Händedruck vor.

      Alle nahmen Platz, der Human-Resources-Beauftragte benötigte dafür etwas länger, da die Stühle im Raum für seine Statur deutlich zu eng waren.

      »Zuerst will ich Ihnen unser Unternehmen kurz vorstellen: in unserer Nische sind wir breit aufgestellt«, erklärte er, während Winfried den im Sitz eingezwängten Körper betrachtete. »Wir sind auf High-Speed-Handel spezialisiert«, fuhr er fort, »das bedeutet, wir entwickeln Software, die alle Börsengeschäfte analysiert und im Bruchteil einer Millisekunde reagiert.« Er wandte sich an seinen Nachbarn. »Mein Kollege von der IT kennt sich damit besser aus, er wird Ihnen das genauer erklären.«

      »Beim Börsenhandel ist es so: ständig liegen Kauf- und Verkaufsaufträge von Wertpapieren vor, die darauf warten, bedient zu werden«, holte der Russe aus. »Kommt ein neuer Auftrag hinzu, dann kann ein Kontrakt zustande kommen. Genau in dem Moment kommen wir ins Spiel. Wenn eine Differenz vorhanden ist, reagiert die Software. Sie blockiert das neue Gebot und nutzt den Augenblick, um die Wertpapiere billiger zu erwerben und sofort wieder zu verkaufen. Einen oder zwei Cent teurer. Das passiert in Bruchteilen einer Sekunde.«

      »Und in der Summe verdienen wir damit Millionen!«, riss der andere das Wort wieder an sich.

      »Ich bin begeistert«, meldete sich Winfried zu Wort, der durch die gerade einsetzende Wirkung der Droge farbenfrohe kleine Feen durch den Raum schwirren sah.

      »Ich merke, Sie haben die passende Einstellung zum diesem Beruf. Nun zu Ihnen, Herr Kunze: Sie waren in der langen Zeit ihrer Festanstellung auf Derivate spezialisiert. Sie haben somit einschlägige Erfahrung in der Finanzbranche.« Bei den folgenden Worten zwinkerte er ihm schelmisch zu, »mit solchen phantastischen Produkten – kann man das so sagen?«

      »Ja, einschlägige Erfahrung«, antwortete Winfried und erinnerte sich an die nächtliche Aktion mit Waldemar, nachdem sie ihren Job verloren hatten und die Scheiben ihres Bürogebäudes zertrümmerten.

      Sein Gesprächspartner blickte ihn erwartungsvoll an. Er stellte die nächste Frage: »Wie würden Sie ihre Arbeit im Büro beschreiben? Wie beurteilen Sie das Verhältnis mit ihren Kollegen?«

      Die Fang-mich-Spiele im Bürogebäude kamen ihm in Erinnerung, ebenso wie die Situation, als sich die Teamassistentin aus dem Fenster im zehnten Stock gestürzt hatte. Er formulierte vorsichtig und fasste zusammen: »Die Arbeit war sehr abwechslungsreich. Mal stand der Spaß im Vordergrund, mal der Ernst.« Er erinnerte sich daran, wie die Feuerwehr mindestens einmal pro Woche angerückt war und danach eine saftige Rechnung wegen Fehlalarms

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