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in seinen Geschichten als wertlose Nichtsnutze die Welt nur belasten und gefährden.“

      „Ach so!“, ruft Lulu aus. „Und die Menschen eifern dann den Helden nach und stürzen sich wieder in die Arbeit?“

      „Genau, so ist es, Lulu. Doch das ist längst nicht alles. Ego Puppenspieler arbeitet noch mit viel perfideren Tricks. In seinem Theater fängt er seine Zuschauer quasi als lebende Puppen ein. Während er diese in den Bann seiner Geschichten zieht, wirft er gleichzeitig seine Fäden aus, die wie unmerkliche Tentakel seine nichtsahnenden Zuschauer einfangen. Die klebrigen Fäden docken direkt an den Menschen an und bleiben an ihnen hängen, auch wenn diese nach Hause gehen.“

      „Ach, daher kommt der Name Ego Puppenspieler?“

      Custos nickt anerkennend: „Ja, Lulu. Weil er die Menschen wie Puppen tanzen lässt. Sie sind zu seinen Marionetten geworden. Wenn sich zum Beispiel einer von ihnen, einer uralten Sehnsucht folgend, endlich mal entspannt und ein bisschen Ruhe gönnt, zupft Ego Puppenspieler kurz am Faden und sein Marionettchen schreckt auf und macht sich wieder an die Arbeit.“

      Lulu runzelt die Stirn: „Aber die Menschen könnten sich doch auch wehren. Warum gehorchen sie immer gleich, wenn Ego-Puppenspieler an ihrem Faden zieht?“

      „Tja, Lulu, da hat der Puppenspieler mehrere Methoden auf Lager, aber eine davon ist besonders tückisch: Er lässt über seine Fäden Schuldgefühle in die Menschen krabbeln. Sie sehen aus wie kleine schwarze Nagetiere und besetzen zunächst die Gedanken der Menschen. Dann denken die Menschen zum Beispiel: Was sitze ich hier so faul herum. Ich habe doch noch so viel zu tun! Oder: Wie das Rosenbeet schon wieder aussieht. Ich muss unbedingt das Unkraut herausrupfen! Und wenn sie diese Gedanken ignorieren – was schon nicht einfach ist – krabbeln die Nagetierchen in die Eingeweide der Menschen und fressen sich Stück für Stück immer tiefer hinein, werden dabei immer dicker, verursachen erhebliche Magenschmerzen und nehmen ihnen manchmal sogar die Luft zum Atmen. Wer dies öfter durchgemacht hat, hört schon bald auf den ersten Gedanken und springt lieber mal schnell auf, um das Unkraut zu rupfen.“

      „Das ist ja gruselig!“ Lulu schaudert es bei der Vorstellung.

      „Das ist es wirklich, Lulu“, stimmt ihr Custos bei. „Von oben betrachtet sieht das Ganze wie ein riesengroßes Spinnennetz aus, in dem die Menschen hilflos zappeln. Und sie haben fast keine Chance, Ego Puppenspieler zu entkommen. Denn sobald sie anfangen, mal wieder ihrer Intuition zu folgen oder womöglich ihr Herz ein bisschen zu öffnen, zieht Ego Puppenspieler sie an seinen Fäden in sein Theater und treibt ihnen ihre Intuition oder Gefühlsduseleien, wie er es nennt, gründlich wieder aus.“

      Bei diesen Worten fällt Lulu der ganze Schrecken der Nacht nach dem Konzert auf dem Parkplatz wieder ein.

      Custos, der sieht, was in Lulu vorgeht, bestätigt: „Ja, Lulu. Dies genau ist die Erklärung für dein Erlebnis nach dem Konzert.“

      „Aber warum macht dieser Ego Puppenspieler das denn alles?“, ruft Lulu aus. „Warum lenkt er die Menschen so ab, dass sie nicht mehr an ihre Kinder denken?“

      „Ego Puppenspieler liebt es einfach, Macht über die Menschen zu haben. Er genießt es, die Menschen nach seiner Pfeife tanzen zu lassen. Und genau diese Macht würde er verlieren, wenn die Menschen ihre Kinder wieder zu sich zurückholten.“

      Lulu schaut Custos etwas verständnislos an und so fährt dieser fort: „Weißt du Lulu, jedes Kind hier ist das ganz ursprüngliche, wilde und intuitive Wesen des Menschen, zu dem sie gehören. Ohne dieses Wesen sind die Menschen gar nicht komplett. Ihnen fehlt ein ganz wesentlicher Teil. Und wenn sich die Menschen endlich wieder mit ihrem hier gehütetem Kind, also ihrem ursprünglichen Wesen verbinden, gewinnen sie auch wieder ihre Lebendigkeit, Intuition und Kreativität zurück. Dann wissen sie selbst wieder, was sie wollen und haben keine Lust mehr, nach der Pfeife eines anderen zu tanzen. Und aus und vorbei ist es dann mit der Macht des Ego Puppenspieler.“

      „Und warum sind diese Wesen hier alle so klein? Warum sind es alles Kinder?“

      „Weil die Menschen ihr wildes, ursprüngliches Wesen meist schon im Alter zwischen drei und fünf Jahren verlieren.“

      Lulu lässt ihre Augen über die vielen Kinder schweifen. Ein kleiner Rotschopf bahnt sich den Weg in ihre Richtung.

      Custos läuft der Kleinen entgegen, nimmt sie liebevoll auf den Arm und flüstert ihr etwas ins Ohr. Das Kind legt seine Händchen rechts und links auf Custos` Wangen und gibt ihm einen lauten Schmatz auf die Nasenspitze.

      Bei Lulu angekommen, stellt Custos sie dem kleinen Rotschopf vor: „Das ist Lulu. Sie ist gerade bei uns zu Besuch.“

      Das Kind strahlt eine ungeheure Kraft und Lebendigkeit aus. Lulu begrüßt die Kleine mit einem fröhlichen „Hallo“ und schaut dabei in zwei große grüne Katzenaugen, die vor Vergnügen nur so glitzern. Das Mädchen sieht Lulu ebenfalls direkt in die Augen und Lulu kann sich nicht mehr aus diesem Blick lösen.

      „Das ist Veronika“, hört sie Custos sagen, als sie gleichzeitig das Gefühl hat, in die Augen der Kleinen hineingezogen zu werden. Wieder wird sie von einem gewaltigen Sog erfasst und in derselben rasenden Geschwindigkeit, in der Lulu zu Custos befördert worden war, landet sie nun auf einem Felsen am Rande eines Gartenlokals.

      Etwas benommen schaut sie sich um. Die Umgebung ist idyllisch: sanfte Hügellandschaft, dahinter die Berge.

      „So geht das einfach nicht, Veronika!“, hört Lulu plötzlich eine Frau mit strenger Stimme rufen. Sie wendet ihren Blick und reibt sich erstaunt die Augen, als sie den kleinen Rotschopf Veronika fröhlich um einen Tisch hüpfen sieht.

      „Setz dich jetzt sofort hin!“, befiehlt die junge Frau energisch. Doch das Kind ist so mit sich und seinem Spiel beschäftigt, dass es die Worte scheinbar gar nicht wahrnimmt.

      Gebannt folgt Lulu dem Geschehen.

      Neben der Frau sitzt eine ältere Dame, deren Stirn sich in strenge Falten legt. Sie schaut die jüngere Frau missbilligend an. „Das kannst du dir nicht bieten lassen. Von mir hättest du schon längst eine gefangen, hättest du dich in diesem Alter so aufgeführt wie Veronika. Sie muss endlich mal Grenzen gesetzt bekommen! Noch keine fünf Minuten hat sie bisher still gesessen und schau nur ihren Teller an. Einmal im Kuchen rumgestochert und das war´s!“

      Die ältere Dame wendet sich mit ärgerlicher Stimme direkt an das Kind: „Schluss jetzt Veronika, setz dich an den Tisch!“.

      Doch diese hat einen kleinen Hund entdeckt, und rennt freudestrahlend auf ihn zu.

      Erzürnt steht die ältere Dame auf und zerrt Veronika unsanft zum Tisch zurück.

      Die jüngere Frau fühlt sich sichtlich unbehaglich. Lulu hat das Gefühl, dass sie von der Situation überfordert ist.

      Veronika hat inzwischen angefangen, wütend zu schreien. Sie reißt sich von ihrer Oma los und tritt ihr dabei gegen das Schienbein.

      Die Unsicherheit von Veronikas Mama entlädt sich jetzt in Wut. Sie steht auf, packt Veronika und marschiert mit ihr in das Lokal direkt in die Toilettenräume.

      Lulu läuft unbemerkt hinter den beiden her und beobachtet entsetzt, wie die junge Mutter wutentbrannt auf Veronika einschlägt. Sie würde so gerne einschreiten und der Kleinen helfen, aber intuitiv weiß sie, dass sie hier nur als Zuschauerin geduldet ist.

      Die Mutter hat sich wieder etwas beruhigt. „Haben wir uns jetzt verstanden, Veronika? Wirst du jetzt brav sein?“ Ihr Tonfall ist versöhnlicher, aber nach wie vor streng.

      Der kleine Rotschopf nickt schluchzend und in diesem Moment passiert etwas Seltsames. Aus Veronika löst sich ein Gebilde heraus. Es gleicht zunächst einem Schatten, doch schnell nimmt es konkretere Form an und sieht aus wie ein Abbild des Kindes. Wie eine Zwillingsschwester steht dieses kleine Geschöpf hinter Veronika. Fast gleichzeitig taucht plötzlich Custos auf und nimmt das Wesen sanft und behutsam in seine Arme.

      Lulu ist zunächst froh über das Erscheinen von Custos. Doch dann beobachtet sie verzweifelt, wie dieser sich mit der kleinen Gestalt auf

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