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richtig bewusst gemacht, dass er schon seit geraumer Zeit in einer Krise steckte. Die Modeentwürfe gingen ihm nicht mehr so leicht von der Hand, schon lange hatte er sich in keines seiner Modells mehr verliebt – irgendwas stimmte nicht. Da kam der Anruf auf seinem Handy gerade richtig. “Du Max, i bin´s, der Gerry. I sitz groad im Römischen Filmstudio. A Schmarrn is des mit der Garderobe hier. Willst neet kommen ? Mir brauchn a zündende Idee.”

      Natürlich wollte er – Rom im Frühling durfte man sich nicht entgehen lassen, den Aperitiv auf der Navona, die opulenten Essen in diversen Osterien und Trattorien, und das Ganze in Gesellschaft seines Freundes Gerry !

      Gerry beschäftigte sich schon seit Jahren mit dem sozialgeschichtlichen Phänomen der Sklaverei. In altrömischer Kulisse drehte er heuer eine Komödie. Er spielte einen Bayern, den Sklavenjäger nach Rom verschleppt hatten; er musste dort allerlei Wirren standhalten. Eine pfundige Idee!

      Die Filmboys würden bestimmt Maximilians lahme Libido aufmöbeln. Seine Wohnung im Glockenbachviertel würde er solange in die Obhut der Bavaria Homesitting GmbH geben.

      Kapitel 3

       Das Paradies ruft

      Judith Schätzle raste auf dem Fahrrad durch die Freiburger Sedanstraße. Ausgerechnet zu ihrer Abschiedsparty im Grünhof musste sie sich verspäten.

      Am letzten Arbeitstag in der Anzeigenredaktion des Kleinanzeigenblattes “Zypresse” hatte sie ein Stammkunde telefonisch aufgehalten. Wie jede Woche rief der Besitzer des Second Hand Musikgeschäfts “Kling Klang” aus der Konradstraße an und gab seine Annoncen auf – nicht nur für seine gebrauchten Musikinstrumente. Seine witzig-charmante Art ließ sogar die sonst auf Pünktlichkeit versessene Judith die Zeit vergessen. Versonnen tippte sie unter der Rubrik “Verschiedenes” folgenden Text ein.

      “An einem Freitagnachmittag kamst DU ins Kling Klang und hattest ein geblümeltes Klung Kling an. Deine Stimme klang und klingelte mir noch lange im Ohr. Klingelt DIR noch mein Blick im Gedächtnis-Klang ?”

      Seine schmalzige Stimme klingelte jedenfalls noch nachhaltig in Judiths Ohren , als sie fast mit einem Taxi zusammenstieß.

      “ Ja, geht´s noch Mädchen ?! Diese Fahrradfahrer ghöre sämtlich zammegfahre! Pass doch auf !”

      "Mensch, Jean-Marie, reg dich ab! Ich lad dich dafür mit zu meinem Abschiedsessen im Grünhof ein !" Mit einem amüsierten Blick auf seine inzwischen gut 100 Kilogramm meinte sie neckend:" Du kannst die riesigen Grünhofportionen mit Sicherheit problemlos verputzen." Jean-Marie schwieg sich souverän über diese Bemerkung aus und konterte verwundert: " Hab ich Abschied ghört? Gehsch du etwa aus Freiburg weg? Ja, spinnsch du ?"

      Judith ersparte sich hierzu den Kommentar – auch sie war im Badischen aufge-wachsen, konnte sich jedoch über den völlig überzogenen Lokalpatriotismus ihrer Landsleute nur noch lustig machen. Jean-Marie war das beste Beispiel dafür. Er zog es doch glatt vor, im 36. Semester Taxi zu fahren, nur damit er nicht aus Freiburg weg musste. Als sie ihm dann erklärte, aus beruflichen Gründen nach München zu ziehen, streifte sie ein schräger verständnisloser Blick. “Also ehrlich, freiwillig zu den Schicki Mickis, wo willsch denn da überhaupt ne Wohnung finde ?”

      "Mit Geschick und Glück ist viel möglich. Ich hab doch schon hier im Home- sitting Bereich gejobbt. Das mach ich auch in München. Ich hab schon die Zusage für eine Wohnung im Glockenbachviertel, ganz zentral und ruhig. Ich muss lediglich den Hund ausführen und die wahrscheinlich neurotische Wohnungskatze füttern und hab erstmal für 4 Wochen eine feste Bleibe. Dann seh ich weiter. In der Zwischenzeit kann ich meiner eigentlichen Tätigkeit nachgehen, Deutsch für Ausländer. München bekommt immer mehr Zuzug von ausländischen Firmen. A bissl was geht immer – im Gegensatz zu diesem verpennten selbstverliebten Freiburg.”

      Jean-Marie, überwältigt von so viel Dynamik, dachte nur bei sich,

      die isch in nem Alter, wo sie sich´s beweise will. Diese Fraue heutzutag sin nimmer z´ bremse.

      Das entsprach auch durchaus den Tatsachen.

      Judith hatte mit ihren inzwischen 28 Jahren die erste Bremse vor dem Brems-paket „Freund- Kinder- Häuslebaue“ erfolgreich gezogen. Ihre dreijährige Beziehung mit Arnold war vor 5 Monaten zu Ende gegangen. Ihr jahrelanges Zögern mit ihm zusammenzuziehen hatte ihn dazu bewogen, seinen Kontakt zu einer Arbeitskollegin zu vertiefen, die prompt bei ihm einzog. Das Studium der Romanistik, Geschichte und Deutsch als Fremdsprache hatte Judith vor einem Jahr abgeschlossen. Der Bereich “Deutsch als Fremdsprache” war in Freiburg wenig zukunftsträchtig – nur selten siedelten sich Unternehmen in der beschaulich-trägen Unistadt an. Der SC Freiburg hatte zwar in den letzten 5 Jahren seinen Etat auf 50 Millionen verdoppelt und die notorischen Minderwertigkeitskomplexe des badischen Bürgertums kompensiert. Seitdem jedoch Trappatoni überzeugend demonstriert hatte, dass Minimaldeutsch zum Fußballspielen durchaus ausreiche, war die Hoffnung auf kapitalträchtige Spieler mit Interesse am Deutschunterricht völlig auf Null gesunken. Natürlich gab es viele Ausländer, die Deutsch studierten, aber meistens an der Uni oder sie besuchten Kurse im international renommierten Ephraim Lessing Kolleg. Daneben gab es eigentlich nur ein nennenswertes Sprachinstitut, das aber seine Sprachlehrer schamlos ausnutzte. Ein Jobmix aus Homesitting, telefonischer Kleinanzeigenaufnahme und vereinzeltem Deutschunterricht hatte die Basis ihrer Existenz gebildet. Da sie in Süddeutschland bleiben, nicht aber nach Stuttgart ziehen wollte, blieb nur München. Während eines Kurzbesuches dort vor 3 Monaten war sie mehr als angetan – regelrecht begeistert war sie durch die barock-florentinische Stadt gestreift. Als sie dann noch auf ihrer astrokarto-graphischen Karte gesehen hatte, dass München auf ihrer Jupiterlinie lag, traf sie umgehend die nötigen Vorbereitungen für einen Umzug.

      Auf zu neuen Ufern, war ihre Devise. Bloß nicht im badischen Vierteledunstkreis versauern ! Auch was ihr Hobby Astrologie betraf, war München absolute Klasse, viele bekannte Astrologen hatten hier ihr Domizil und boten gute Workshops und Seminare an. Zufrieden stellte sie die Übereinstimmung zwischen ihrer Aufbruchsstimmung und ihren derzeitigen Sternkonstellationen fest. Ihre aktuelle 7 Jahres-Phase war seit kurzem der herausforderungsfreudige Widder und die dazugehörige Marsauslösung im 4. Haus stand bevor – wenn das nicht zumindest eine gute Wohnung versprach, würde selbst sie stark an der Astrologie zweifeln!

      Kapitel 4

       München leuchtet

      Belustigende Vorstellungen über den Hausherrn von der Hans-Sachs-Straße in München gingen ihr durch den Kopf, während Judith sich in ein cremefarbiges Sofa gleiten ließ, um in Ruhe die Einrichtung zu betrachten. Diese ausgesucht eleganten und farblich abgestimmten Möbel ließen auf einen Mann mit ausge-prägt femininem Stil schließen. Selbst die Perserkatze Daphne und der Russel-Terrier Jacky passten farblich ins creme-weiße Ambiente dieser im italienischen Flair gehaltenen Dachterrassenwohnung mitten in der Hochburg der homoero-tischen Szene Münchens. Das einzig fast schon arrangiert anmutende Chaos herrschte im Arbeitszimmer, einem Atelier vergleichbar.

      Der weissblaue Himmel Münchens leuchtete senkrecht auf einen Barocktisch, der mit Modeentwürfen für Männeroutfits übersät war. Eher dem Ökolook zugeneigt, schmunzelte Judith über den vornehmen Briefkopf auf dem Geschäftspapier: “All about Adam” Inhaber Maximilian Gernleitner, Klenzestraße, 80469 München

      Judith taxierte die üppig grüne Bepflanzung der großen Dachterrasse und den phlegmatischen Blick der Katze. Jacky, daran gewöhnt, um diese Uhrzeit ausgeführt zu werden, wartete schwanzwedelnd an der Tür, bereit Gassi zu gehen.

      Isar oder nicht Isar – das war die Spazierfrage! Oder doch bis zum Englischen Garten ?

      Wie angenehm, das Haus eines reichen und kultivierten Menschen zu hüten. Wenn der Typ bloß länger weg wäre, wär ´s regelrecht perfekt. Ihr graute es beim Gedanken, wieder auf Wohnungssuche gehen zu müssen. Mehrere Besichtigungen und das systematische Durchforsten der Zeitungen hatten sie davon überzeugt, nicht auf üblichem Weg zu einer annehmbaren und dazu noch bezahlbaren Bleibe

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