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Initiation - Erwachsenwerden in einer unreifen Gesellschaft. Peter Maier
Читать онлайн.Название Initiation - Erwachsenwerden in einer unreifen Gesellschaft
Год выпуска 0
isbn 9783752970593
Автор произведения Peter Maier
Издательство Bookwire
Als eine Nachricht von Pat's Freund ausblieb, wurde mir bald klar, dass ich mich schnell nach einer anderen Arbeit umschauen musste. Das Geld wurde wieder knapp. Heute weiß ich, warum es damals im Ölgebiet nicht geklappt hat: Der internationale Ölpreis war unerwartet deutlich gesunken. Damit rentierte sich der Tagebau nicht mehr richtig. Die Firmen konnten daher nicht Volllast arbeiten und stellten keine neuen Leute ein. Es wurde also nichts mit dem tollen Job. Diese Enttäuschung musste ich aber erst einige Tage lang verdauen und dies hat mich für kurze Zeit etwas depressiv gestimmt. Ich musste schleunigst weg von der Farm, da mich hier jeder Tag Geld kostete.
13.
Deine dritte Arbeitsstelle war zugleich Deine letzte, wenn man die drei „wwoof“-Farmen als eine Arbeitsstelle ansieht. Du hast in einer Kneipe gearbeitet. Was war Deine Aufgabe dort? Wo hast Du in dieser Zeit gewohnt? Wie war die Bezahlung im Vergleich zu vorher? Hast Du dabei neue Kontakte knüpfen können?
Um den 10. Januar herum verabschiedete ich mich von Pat und von seiner Farm und fuhr mit meinem wenigen Gepäck mit dem Bus zu der zwei Stunden entfernten Provinzhauptstadt Edmonton des Bundesstaates Alberta. Ich wollte nicht mehr bei Pat bleiben, er war mir einfach zu anstrengend als Persönlichkeit. Andererseits habe ich bei ihm Reiten lernen dürfen. In Edmonton wohnte ich wieder in einem Hostel. Ich wollte mich im Gastronomiebereich umschauen, weil ich mehr Kontakt zu Leuten bekommen wollte. Auf der Farm war es nämlich ziemlich einsam für mich gewesen.
Nach drei Tagen zog in dem 8-Betten-Zimmer im Bett unter mir der Australier Ben ein. Mit ihm habe ich mich sofort angefreundet. Er war von Beruf Elektriker, ein eher ruhiger Typ mit guten Umgangsformen. Er wurde für mich so etwas wie eine Leitfigur. Mit ihm bin ich danach aufs dortige „Arbeitsamt“ gegangen, um nach einer Arbeit zu suchen. Die Kneipe gilt in Kanada als das eigentliche Job-Center. Ob ich mit meinen begrenzten Sprachkenntnissen als „Bedienung“ Chancen haben könnte? Ben riet mir, es doch einfach mal zu probieren. Diesen Anstoß von ihm brauchte ich anscheinend dringend, um meine Selbstzweifel zu überwinden.
In der Hauptstraße, die mir wie ein Klein-Schwabing in München erschien, hinterließ ich in mindestens zehn verschiedenen Kneipen und Bars eine schriftliche Bewerbung. In der vorletzten Kneipe der Straße hieß es dann, dass sie einen Koch bräuchten. Ich machte dem für die Küche zuständigen legeren Chef-Koch klar, dass ich im Kochen überhaupt keine Ahnung hätte. Schon nach einem Tag rief er mich aber im Hostel an. Es wurde anscheinend gerade als Vorteil angesehen, dass ich bezüglich Kochen noch völlig unbedarft war. So ein Glück! Am 15. Februar wollte ich anfangen.
Nun machte ich mich aber zusammen mit Ben zuerst auf Wohnungssuche. Denn im Hostel wollte ich mit noch sieben anderen nicht länger in dem einen Zimmer bleiben. Bald fanden wir ein Haus, das zwei Brüdern aus Ostdeutschland gehörte. Dort zog ich schon zwei Tage später mit Ben in die Kellerwohnung ein und hauste da auch bis zum Ende meines Kanada-Aufenthalts. Es wurde meine beste Zeit. Hier konnte ich mich endlich entspannen. Mit Ben fühlte ich mich sehr wohl.
14.
Kamst Du mit dem Geld hin, das Du in Kanada verdient hast, konntest Du Dich also bei Deiner zehnmonatigen Reise finanziell über Wasser halten? Wie waren die letzten Wochen bei Deiner Arbeit in der Kneipe? Warst Du froh, dass der Aufenthalt in Kanada wieder zu Ende ging oder bist Du danach vielleicht sogar mit Wehmut wieder nach Deutschland heimgefahren?
Der Wirt zahlte mir neun Dollar die Stunde. Damit konnte ich nicht viel Geld machen, aber es deckte zumindest meine Unkosten. Fairerweise muss ich gestehen, dass mir in der Zeit von Weihnachten bis zum 15. Februar das Geld ausgegangen war. Daher hatte mir mein Vater im Januar nochmals 1000 Euro überwiesen. Somit habe ich insgesamt zweimal von meinem Vater Geld gebraucht – für den Visionssuche-Kurs im Herbst und jetzt zur Überbrückung im Januar.
In der Kneipe habe ich insgesamt dreieinhalb Monate gearbeitet; es war die längste Periode an einer Arbeitsstelle und zugleich meine „geilste“ Zeit in Kanada. In der Kneipe, in der es nur Bedienungen gab, herrschte eine etwas verrückte, aber angenehme Atmosphäre. Nach der Arbeit saß ich meist mit den Mädels noch auf ein Bier zusammen. Das einzig Dumme war, dass ich etwa 35 Minuten zu Fuß nach Hause hatte. Einmal bin ich diese Strecke sogar bei 15 Grad minus gegangen.
Von dem siebenköpfigen Küchenpersonal hat jeder gekifft, der Chef hat gesoffen. Die 17-jährige Bedienung Amely schluckte regelmäßig Ecstasy, das hat mich brutal abgeschreckt. Überhaupt waren die meisten vom Personal Kinder von Alt-Hippies. Von ihren Eltern wurden sie anscheinend in den Drogenkonsum eingeführt. Ich habe dort auch einmal „Gras“ geraucht, mir aber in Kanada und auch bisher niemals selbst Drogen gekauft. Gerade weil die Kollegen und Kolleginnen dort so ungeniert Drogen nahmen, hat mich dies nachhaltig abgeschreckt; dies war eine wichtige Lebenserfahrung für mich.
Ja, ich bin schon mit Wehmut heimgefahren, vor allem wegen Ben. Denn von ihm konnte ich auf menschlicher Ebene viel lernen. Mit ihm war immer etwas los, er hatte fast jedes Wochenende eine andere Freundin. In der Regel waren die Mädchen sehr hübsch. Wo kriegte der die bloß immer wieder her? Auch ich hatte einmal für kurze Zeit eine Freundin. Es war für mich eher ein Experiment. Sie war Kanadierin und hatte den Bachelor of Psychology, mittlerweile ist sie sogar Professorin. Sie war damals 26 Jahre alt und somit knapp fünf Jahre älter als ich, etwas schüchtern und pummelig, eigentlich nicht mein Typ. Aber ich wollte in Kanada auf diesem Gebiet wenigstens einmal einen Stich machen.
Der Abschied von der Kneipe tat mir ebenfalls etwas weh. Ich hatte mich mit den circa 30 Leuten Personal aus der Kneipe und den sieben Leuten in der Küche wirklich gut angefreundet. Sie waren alle wirklich nett zu mir und diese Gemeinschaft ging mir danach schon ab.
15.
Was hast Du eigentlich in Kanada gesucht? Was hast Du mit Deiner Reise ursprünglich bezwecken wollen? Welche Erfahrungen hast Du im Rückblick gesehen gemacht? Haben sich Deine Wünsche erfüllt? Haben sich Deine ursprünglichen Ziele, warum Du nach Kanada aufgebrochen bist, verändert?
Der wichtigste Grund, warum ich nach Kanada ging, war, dass ich mir selbst und vor allem meinen Eltern beweisen wollte, dass ich auch ohne sie emotional (und finanziell!) leben kann. Und dies habe ich wohl geschafft.
Kanada war eine gute Erfahrung auf dem Weg, meine Einstellung bezüglich fremder Leute zu verändern, die von mir selbst zunächst auf einer höheren Ebene angesiedelt wurden. Dieses Thema ist auch jetzt noch nicht ganz erledigt. Darin fühle ich mich immer noch nicht zu hundert Prozent frei. Bei vielen Leuten habe ich kein Kontaktproblem, nur mit denen, die ich vorher auf eine höhere Stufe gestellt habe. Bei denen habe ich nämlich noch immer Angst, abgewiesen oder blöd angeschaut zu werden. Dies empfinde ich als eine Blockade in mir und dieses innere Muster hat mich auch in Kanada noch immer die eine oder andere Kontaktmöglichkeit gekostet. Ben war da mein großes Vorbild, denn er hatte auf dem Gebiet genau das, was ich suchte: Selbstbewusstsein und innere Freiheit.
16.
Deine Eltern haben Dich dann bei Deiner letzten Stelle in Kanada besucht und mit Dir zusammen eine Reise durchs Land gemacht. Wie war es, als Du Deine Eltern nach zehn Monaten wieder getroffen hast? Haben Sie Dir viel zugehört, als Du während Eurer gemeinsamen Reise über Deine Erlebnisse und Erfahrungen in Kanada berichtet hast? Wie haben sie auf all dies reagiert?
Ich war drei Wochen mit meinen Eltern im Wohnmobil unterwegs. Wir haben viel zusammen angeschaut. So hatten wir genug Zeit, dass ich sukzessive alles Wichtige aus mir „raustropfen“ lassen konnte. Das Schlimmste nach so einer Reise wäre gewesen, wenn mich jemand gefragt hätte: „Wie war es?“ Denn da hätte ich nicht gewusst, was ich auf diese Frage antworten sollte. Ich war ja voll von vielen einzelnen Erlebnissen. Meine Eltern