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sah erst erleichtert zu ihm auf, um dann auch zum Fenster hinauszusehen. Wollte wissen, wonach R.R. Ausschau hielt. R.R. hob im selben Moment die Pistole dicht an Zarifs Schläfe und drückte ab. Zarifs Kopf ruckte zur Seite. Der Körper erschlaffte. Aus dem Loch in der Schläfe sickerte Blut. Er ging um die Leiche herum. Die Austrittswunde auf der anderen Seite von Zarifs Schädel war größer. Er sah zur Wand, die Kugel war in der Wand steckengeblieben, und verglich Zarifs Sitzhaltung und die Flugbahn. Es passte. R.R. ging wieder um Zarif herum und öffnete das Fenster vor dem Schreibtisch. Legte die Pistole in Zarifs rechte Hand und dessen Zeigefinger um den Abzug, umschloss sie und gab einen Schuss durch das offene Fenster nach draußen in die Luft ab. Dann ließ er Zarifs Hand mit der Waffe fallen. Die Pistole glitt aus der Hand und fiel polternd auf den Boden. R.R. merkte sich Stelle und Lage. Er hob die Waffe auf und lud eine Patrone nach. Dann legte er sie wieder an Ort und Stelle. Nachdem er das Fenster geschlossen hatte, ging er ins Nachbarzimmer und packte den Koffer wieder aus. Die Sachen legte er zurück in den Kleiderschrank. Den leeren Koffer deponierte er unter dem Bett. Von dort nahm er sich die Sporttasche mit dem Geld und ging zur Wohnungstür. Er sah sich noch ein letztes Mal um, dann verließ er die Wohnung und zog sanft die Tür hinter sich zu. Auf der Treppe stellte er noch einmal kurz die Tasche ab, um sich die Lederhandschuhe auszuziehen und ein Basecap aufzusetzen. Den Schirm der Mütze zog er tief ins Gesicht. Er lief die Treppe hinunter und verließ das Haus. Niemand begegnete ihm. Feuchter, brackiger Geruch wehte vom Kanal herüber. Zehn Meter weiter stand Zarifs Jaguar unter einem Baum. Da wird er wohl noch eine ganz Weile stehen bleiben, dachte R.R. und bog vom Paul-Linke-Ufer in die Forsterstraße, dort hatte er seinen Wagen geparkt. Er setzte sich in das Auto und lehnte sich zurück. Er wäre zufrieden mit seiner Arbeit gewesen, wenn er sich nicht wegen eines schwachen Moments noch mehr Arbeit aufgehalst hätte. Er sah zur Tasche, die er auf dem Beifahrersitz abgestellt hatte. Na ja, wenigstens ein sehr lohnender Job, dachte er. Und wer weiß, vielleicht sogar notwendig. Er hatte nicht das Gefühl, dass Nasser Al-Sharif ihm noch vertraute. Was allerdings auf Gegenseitigkeit beruhte. Er musste an die Geschichte mit der Waffe von dem verschwundenen Polizisten denken, dessen letzte Ruhestätte in einem Brandenburger Wald nur R.R. kannte. Den Namen des Bullen hatte er schon vergessen. Nasser hatte die Waffe auf einmal bei einer anderen Geschichte wieder ins Spiel gebracht, nur um ihm seine Macht zu demonstrieren. Er hatte die Waffe seinerzeit Nasser überlassen. Ein Fehler, wie sich herausstellte. Und wohin Nassers Misstrauen, ob berechtigt oder nicht, führen konnte, war jetzt im dritten Stock eines Mietshauses am Paul-Linke-Ufer zu sehen.

      

      

      

      

       Mittwoch, 20.2.

      

      

      

      1.

      Er ärgerte sich. Wieder einmal. Es haben doch bisher weniger zu seiner Whiskyverkostung, die er zu seinem Geburtstag veranstalten wollte, zugesagt, als er dachte. Drei haben auf seine Mail überhaupt nicht reagiert. Mit seiner Zunge fuhr er sich über die spröden Lippen.

      Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass es noch früh am Tag war und ein zweiter Blick in den Kalender, dass keine Termine anstanden. Beim Betrachten des Datums fiel ihm auf, dass heute der dritte Mittwoch des Monats war. Der Tag, an dem abends immer der monatliche Whiskystammtisch im ›Union Jack‹ stattfand. Er war dort noch nie gewesen. Aber vielleicht wäre es ja mal an der Zeit hinzugehen, dachte er. Über die letzte Geschichte mit Uwe sollte inzwischen Gras gewachsen sein. Je länger er darüber nachdachte, umso mehr gefiel ihm die Idee. Ob Uwe noch sauer auf ihn war? Er zuckte gleichgültig mit der Schulter. Ihm doch egal. Was sollte der machen? Ihn rausschmeißen?

      Er setzte sich an den Rechner und loggte sich in das Whiskyforum ein. In der Rubrik ›Stammtisch Berlin‹ fand er schon eine Liste, in der man sich eintragen konnte. Er war der Siebente. Über das Forum liefen seine meisten Kontakte. Nicht alle hatten Facebook. Wenn er schon dabei war, konnte er auch gleich bei der Webseite von Sergey, whisky-justforfun, vorbeischauen. Mit einem Klick öffnete er die Seite und sah auf den ersten Blick, Sergey hatte einen Whisky mit 98 Punkten bewertet. Man brauchte kein Prophet sein, die Flaschen dieser Abfüllung würden innerhalb kürzester Zeit preislich durch die Decke gehen. Wer davon welche hatte, könnte die mit sattem Profit verscherbeln. Und er hatte keine einzige davon. Vor einer Woche hatte ihm jemand zwei Flaschen angeboten. Er hatte es ausgeschlagen. Ärger stieg in ihm hoch. Über Sergey, über sich. Jetzt würden andere den Reibach machen und er würde leer ausgehen. Wieder war er zu kurz gekommen. Ein Gefühl, was ihn schon sein ganzes Leben begleitete.

      ***

      Roger Rudy saß am Küchentisch und sah zum Fenster. Der Himmel war seit Tagen wolkenverhangen. Helles Grau wechselte sich mit dunklem ab. Die Wolken hingen schwer und träge über der Stadt. Regentropfen rannen die Scheiben herunter. Ein Zustand, der seit einer Woche kaum unterbrochen wurde. Leichtes Nieseln wechselte sich mit heftigen Schauern ab und umgekehrt. Man konnte leicht zu der irrigen Ansicht kommen, der Winter wäre vorbei. Eine fehlerhafte Annahme, wie ein Blick auf den Kalender zeigte. Für R.R., wie Roger Rudy in bestimmten Kreisen genannt wurde, eigentlich ein typisches Novemberwetter. Vor ihm auf dem breiten Tisch lag auf einem Leinentuch ausgebreitet seine Glock, zerlegt in ihre Einzelteile. R.R. war gerade dabei, sie zu reinigen. Der Revolver daneben, den er einem Rocker bei einem Pokerspiel abgenommen hatte, wartete noch darauf. Die Pistole war nicht registriert, von dem Revolver des Rockers wusste er es nicht, vermutete es aber. Wenn doch, ließe er sich nicht zu ihm zurückverfolgen. Der ursprüngliche Besitzer war wenig später vor einem Wettlokal in Berlin-Wedding von einer rivalisierenden Gang niedergeschossen worden und dann verblutet. Acht Kugeln hatten ihn durchlöchert.

      R.R. sah zur Uhr. Sie zeigte Punkt 11. Zeit für ein Glas Wein, dachte er, und einen Blick in die Tageszeitung. Die Todesanzeigen waren dabei für ihn von besonderem Interesse. Er kaufte die Zeitung immer in dem kleinen Lottoladen an der Ecke. Jetzt lag sie auf seinem Schreibtisch. Er schmunzelte still vor sich hin, weil er wegen der Uhrzeit und seinem Wein an Koslowski denken musste. Genauer gesagt, an dessen Spruch, wenn es um seinen notorischen Bierdurst ging: Vor 11.00 Uhr trinke ich nichts. Aber irgendwo auf der Welt ist es immer 11.00 Uhr.‹ R.R. konnte sich nicht erinnern, dass er Koslowski während seiner Arbeitszeit schon mal Biertrinken gesehen hätte. Da bevorzugte er literweise Kaffee. Vermutlich setzte Sal den Spruch in der Freizeit oder im Urlaub um, wenn er denn mal welchen hatte. R.R. sah wieder zum Fenster. Er hatte heute nichts anderes vor, wollte nur eine gewisse Planung voranbringen, die das Oberhaupt des Neuköllner Araberclans Nasser Al-Sharif betraf und zu der er sich bis Mitte März den Termin gesetzt hatte.

      R.R. stand auf und ging zu dem temperierten Weinschrank, öffnete die Tür und ließ einen kurzen Blick über die Ansammlung liegender Flaschen gleiten. Er entschied sich für einen neuseeländischen Pinot Noir, zog die Flasche heraus und schloss die Schranktür. Mit einem Korkenzieher öffnete er sie. Dann nahm er die bereitstehende Glaskaraffe und füllte die Flasche um. Den Rest aus der Flasche goss er sich gleich ins Glas. Er setzte den schweren Glasverschluss auf die Karaffe, nahm das Glas in die andere Hand, ging ins Wohnzimmer und stellte alles auf dem geräumigen Schreibtisch ab. Dann schaltete er den Laptop ein und setzte sich in den Schreibtischstuhl. Während der Laptop seine Zeit brauchte, um hochzufahren, hielt er seine Nase ins Glas, sog den Duft ein. Anerkennend verzog sich sein Mund zu einem zufriedenen Lächeln. Ja, das war eine gute Wahl und mit der Zeit in der Karaffe würde er noch besser werden. Nachdenklich schloss er die Augen und dachte an den Auftrag, den ihm Mohammed Javed Zarif gegeben hatte, kurz bevor er ihn dann erschoss. Irgendetwas ließ ihn zögern, es hinausschieben. Hatte er Skrupel? Er hatte sein Wort gegeben und als er das Geld genommen hatte, war klar, dass er den Auftrag ausführen würde. Es ließ sich nicht länger hinauszögern. Das war er Zarif und noch mehr seinem Pflichtgefühl schuldig. Doch irgendwie konnte er sich nicht dazu durchringen. Was war es, dass ihn zögern ließ? Nassers lukrative Aufträge, die es nicht mehr geben würde? Er war sich sicher, er würde andere bekommen. Er hatte einen guten Ruf in der Branche. Und selbst

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