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was?“, lacht sie. In einem wahren Gewaltakt dreht sie sich in einem Ruck zu mir um und so finden wir uns Bauch an Bauch wieder. „Wenn wir schon so eng aneinander gepresst Bus fahren müssen, dann können wir uns dabei auch ansehen, findest du nicht?“, sagt sie mit aufreizender Stimme. Ich bin mir nicht sicher, ob ich in ihren blauen Augen Belustigung oder Ärger lese, entscheide mich aber spontan für die erstere Wahl. Aus einem mir unbekannten Grund ist es mir lieber, wenn sie sich über mich lustig macht, als wenn sie sauer auf mich ist.

      „Fährst du auch zum Konzert?“, wage ich den Versuch, eine ordentliche Konversation anzufangen.

      Statt einer Antwort prustet sie los. „Du bist echt witzig, weißt du das?“ Sie klopft mir mit der flachen Hand gegen die Brust.

      Verlegen kräusle ich die Nase. „Hat mir bisher noch keiner gesagt.“, muss ich zugeben. „Aber vielleicht wollten sie mich nur nicht anstacheln.“

      Sie schenkt mir ein schräges Lächeln. „So wird es sein.“

      „Kennst du Die Art?“, versuche ich, das Gespräch am Laufen zu halten.

      Sie zuckt mit den Achseln. „Hab noch keinen von ihnen getroffen.“

      Ich hebe theatralisch den Blick. „Ich meine die Musik.“

      „Ja klar.“ Kullert sie jetzt nur mit ihren großen blauen Augen, um mich nachzuäffen? „Sonst wäre ich ja wohl kaum hier.“

      „Ich glaube, viele von denen“ - dabei schwenke ich mein Kinn, um auf unsere Mitreisenden zu verweisen - „wissen nicht mal, was die für Musik machen.“

      „Und du?“, fragt sie mit einem belustigten Lächeln.

      „Ich kenne ein paar Stücke. Noch von früher.“, sage ich.

      „Aha, von früher. Wie alt bist du denn?“, zieht sie mich auf. Ihr scheint dieses Gespräch tatsächlich Spaß zu machen.

      „Ich meine vor der Wende. Da hatte ich eine Demokassette.“, kläre ich sie auf.

      Jetzt kann ich doch eine Spur von Respekt in ihrem Blick sehen. „Wirklich? Wo hattest du die denn her?“, fragt sie aufgeregt.

      „Aus einem Plattentauschring. Ich hab sie gegen eine Iron Maiden getauscht, aber als ich sie das erste Mal gehört habe, dachte ich doch, dass mich der andere übers Ohr gehauen hat. Man braucht ein bisschen, um sich reinzuhören.“, wage ich mich vor. Wenn sie sich jetzt als Hardcore-Die-Art-Fan entpuppt, habe ich abgegessen und bin immer noch drei weitere Haltestellen eng gegen sie gepresst. Jede Fluchtmöglichkeit ist ausgeschlossen.

      „Finde ich auch.“, sagt sie begeistert. „Aber wenn man sie einmal mag, kriegt man sie nicht mehr aus dem Kopf.“

      Ich nicke zustimmend. „Ich bin übrigens Tilo.“, stelle ich mich vor.

      „Petra.“, sagt sie und schiebt ihre Hand vor meinen Bauch. Umständlich ergreife ich sie und wir drücken einmal fest zu.

      Bevor wir weiterreden können, wird unsere Aufmerksamkeit von einigen Teenagern abgelenkt, die im Gelenkbereich des Busses „Irish Coffee“ angestimmt haben. Wie ein Stromstoß in einem Wasserbecken breitet sich der Song nach vorn und hinten aus und schon bald brüllen alle um uns herum den zugegebenermaßen simplen Text. Bei „coffee, coffee, coffee, coffee“ spüre ich für einen kurzen Moment den Impuls, mit dem Kopf zu wackeln, kann mich aber gerade noch am Riemen reißen. Petra wäre sicher wenig begeistert, wenn ich sie hier K.O. köpfen würde.

      Endlich hält der Bus vor dem Club Einheit und die grölende Masse stürmt hinaus in die kalte Nacht.

      Petra klopft mir auf den Rücken. „Viel Spaß noch! Und ich hoffe, das Harte in deiner Hose war nur eine kleine Schnapsflasche.“ Mit einem belustigten Glitzern in ihren Augen verschwindet sie in der Masse.

      Ein schwerer Arm legt sich auf meine Schulter. „Wer war denn die Schnecke?“, will Robert wissen.

      Ich glotze in die Richtung, die sie genommen hat, kann aber vor lauter schwarzen Jacken nichts genaues erkennen. „Petra.“, sage ich nur. „Lasst uns zusehen, dass wir reinkommen. Ich will mir in der Kälte nicht den Arsch abfrieren.“, sage ich zu meinen Freunden.

      Trotz meiner mahnenden Worte und unserer entsprechenden Eile steht schon eine lange Schlange vor dem Einlass.

      „Die sind aber alle früh aufgestanden.“, schimpft Robert. „Hoffentlich kommen wir rein, bevor es losgeht.“

      „Wird schon. Vom Jammern wird die Schlange auch nicht kürzer.“, erwidert Sirko schnippisch und stellt sich in die Reihe, bevor uns noch Leute überholen können. Wir stampfen vor uns hin, während wir uns mit all den anderen vor und hinter uns in gefühltem Zeitlupentempo auf die warmen Räume des Clubs zubewegen.

      „Warst du eigentlich wählen?“, fragt Sirko völlig unvermittelt Robert.

      „Klar.“, antwortet der. „Hab ich euch doch schon erzählt. Ich hab Demokratischen Aufbruch gewählt.“

      „Die Stasitruppe von Schnur?“, zeige ich, dass auch ich ein informierter Staatsbürger sein kann.

      Auch Sirko scheint enttäuscht zu sein. „Hast dich also nicht von deiner Meinung abbringen lassen.“, stellt er kopfschüttelnd fest.

      Robert zuckt mit den Schultern. „Ich finde, was wir jetzt brauchen, ist eine schnelle Wiedervereinigung. Am Ende sonnen wir uns so lange in unserer Revolution, bis die Kommunisten zurück an der Macht sind, ohne dass jemand was gemerkt hat. Und wenn ich mir den Wahlzettel so ansehe, ist die einzige Aussicht auf diese schnelle Vereinigung die Allianz für Deutschland.“

      „Aber da hättest du wenigstens CDU wählen können.“, brummt Sirko. „Die waren zumindest nicht alle bei der Stasi.“

      Robert winkt ab. „Klar, alle waren bei der Stasi. Außerdem sind die meisten ja dazu gezwungen worden.“, behauptet er. „Wenn wir alle, die mal für die Stasi gearbeitet haben, abservieren würden, müssten wir die Politiker wahrscheinlich von drüben importieren.“

      „Als ob die besser wären.“, halte ich dagegen.

      „Seit wann bist du denn so gnädig mit der Stasi?“, wundert sich Sirko.

      „Es ist eben nicht alles so schwarz und weiß, wie es auf den ersten Blick scheinen mag.“, antwortet Robert ausweichend. Dann blickt er zum nahenden Einlass. „Holt mal euer Geld raus, Männer! Gleich sind wir im Warmen und können wieder mal so richtig abfeiern.“

      Als wir in den Club kommen, steigt Die Art gerade auf die Bühne. Wie alle anderen hier sind auch die vier Jungs von oben bis unten in Schwarz gekleidet. Woher wissen wir eigentlich, dass es wirklich Die Art ist, geht es mir durch den Kopf. Man hätte auch vier x-beliebige junge Männer aus der Schlange vor dem Club ziehen und ihnen Instrumente in die Hand drücken können. Ein bisschen Geschramme, lautes, besoffenes Gegröle und die meisten im Raum hätten nicht mal mitgekriegt, dass sie verarscht werden. In mir reift gerade eine Geschäftsidee heran. Im Prinzip könnte man sogar mehrere Konzerte der selben Band gleichzeitig in verschiedenen Städten…

      „Hallo Karl-Marx-Stadt!“, grölt Makarios von der Bühne herunter und erntet einen lautstarken Jubel. Ohne weitere Umschweife schrammt die Gitarre los, kurz darauf gefolgt von Bass und Schlagzeug. „Black Dust in the air, black dust everywhere.“, schreit Makarios ins Mikrofon und die Masse vor mir setzt sich in Bewegung. Es erinnert mich entfernt an die Metal-Konzerte, die ich bisher besucht hatte. Trotzdem ist es anders. Es wird weniger mit den Köpfen gewackelt. Dafür schubsen sich alle wild durcheinander. Es ist kein geordnetes Hin- und Herwogen wie bei den Metallern und Arme fliegen auch nur in die Höhe, wenn einer in der Menge das Gleichgewicht zu verlieren droht. Für einen Augenblick taucht Petras Kopf aus dem Gewühl auf, dann ist sie auch schon wieder verschwunden. Ich sehe Sirko, wie er links von mir aus dem Gewühl geflogen kommt und mit glückseligem Lächeln gleich wieder hineinspringt. Sind denn hier alle irre geworden?

      Robert knallt mir seine Pranke auf die Schulter. „Das ist Pogo. Solltest du auch mal versuchen!“ Mit einem sanften Schubs bugsiert

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