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21. Juni , Köln-Bayenthal

      Charlotte Riemke stand vor ihrem Kleiderschrank. Sie wusste nicht mehr, was sie aus dem Schlafzimmer holen wollte, so übermüdet war sie.

      Am morgen war sie um 5 Uhr aufgewacht und hatte nicht mehr einschlafen können. Die Sorgen um die Entlassung Blascheks aus dem Gefängnis, Stefan, der trotzdem nach Italien fahren wollte, und das ewig knappe Haushaltsgeld waren einfach zu viel. Ihre Gedanken kreisten um die Probleme. Vormittags hatte sie ihre Freundin Selma angerufen und eine Stunde von ihren Sorgen erzählt. Wie erhofft hatte Selma ihr zugehört, ihr bestätigt, wie schwer die Situation war und wie verantwortungslos Stefan handelte. Danach hatte sie sich besser gefühlt.

      Unschlüssig schaute sie in den Kleiderschrank, schloss die Türe und verließ den Raum. Auf halbem Weg nach unten fiel ihr wieder ein, dass sie einen Koffer holen wollte und kehrte um. Nach dem Gespräch mit ihrer Freundin hatte Charlotte beschlossen, so nett wie möglich zu ihrem Mann zu sein, damit er ein schlechtes Gewissen bekam und nicht fuhr. Sie würde seinen Koffer packen und den Kulturbeutel. So konnte sie nebenher kontrollieren, ob er Kondome mitnahm.

      Als Stefan abends nach Hause kam, stand zu seiner Verwunderung Spargel in Kochschinken gerollt und mit Remouladensauce gefüllt auf dem Tisch. Dass es seine Lieblingsspeise gab, bedeutete offensichtlich etwas. Die letzten Wochen waren geprägt gewesen von gereizter Stimmung. Er wollte und konnte von seinem Entschluss zu verreisen nicht abrücken, und auch Charlotte wollte nicht klein beigeben.

      Charlotte hatte ein tief dekolletiertes Shirt an und trug darunter einen push up BH, der ihre Brüste vorteilhaft zur Geltung brachte. Entgegen ihrer Gewohnheit trug sie im Haus hohe Schuhe.

      "Bin gleich soweit", säuselte sie aus der Küche. Als sie sicher war, dass Stefan zu ihr schaute, bückte sie sich mit durchgestreckten Beinen nach etwas in der untersten Schublade. Stefan betrachtete ihre langen Beine und als sie sich zur Seite drehte, um zu sehen ob er schaut, setzte sie ihr bezauberndes Lächeln auf. Plötzlich erinnerte er sich, wie verliebt er damals gewesen war. Vielleicht war sie doch noch die Frau, für die er allen anderen entsagen wollte. Nach der Heirat, als die Kinder kamen, hatte sich so vieles verändert. Charlotte hatte ohne ihre Arbeit und ohne eigenes Geld an Selbstvertrauen, Fröhlichkeit und somit auch an Ausstrahlung verloren. Die Kinder waren nur eineinhalb Jahre auseinander. Während Stefan und Charlotte gehofft hatten, die beiden würden viel miteinander spielen und daher weniger Arbeit machen, hatten die ersten Jahre eine doppelte Arbeit bedeutet. Erst als beide aus dem Kindergarten waren, konnte Charlotte wieder arbeiten gehen.

      Allerdings waren da schon fast fünf Jahre vergangen, Jahre, die viel Kraft gekostet hatten und in denen viel Zärtlichkeit verloren ging.

      "Wo sind die Monster?", fragte Stefan.

      "Die sind im Freibad und müssen bis um sieben zurück sein", sagte Charlotte mit sanfter Stimme.

      "Also erst in einer halben Stunde. Die werden die Zeit auskosten. Was meinst du, wie sollen wir die Zeit bis dahin totschlagen?", imitierte er ihren Tonfall.

      "Woran denkst du?", fragt sie unschuldig.

      "Genau daran, woran du auch denkst."

      "Reicht die Zeit denn?"

      "Mir schon, nur ob sie dir reicht?", ärgerte er sie. Dann nahm er sie auf den Arm, um sie nach oben zu tragen. Nachdem er ihren Kopf beinahe gegen den Türrahmen gehauen hatte, bestand sie darauf, die Treppe selbst hinauf zu gehen.

      Als Laura und Leo um Punkt sieben die Haustür öffneten, kamen ihre Eltern gerade die Treppe herunter.

      "Was habt ihr denn ausgefressen?", fragte Laura.

      "Wieso?", fragte Stefan zurück.

      "Weil ihr ein Gesicht macht, als hättet ihr was ausgefressen."

      "Liebes Fräulein, deine Eltern fressen prinzipiell nichts aus", sagte Charlotte in einem Ton, der besagte, dass die Diskussion für sie beendet war, und ging in die Küche.

      "Wir sollten öfters mal was ausfressen", flüsterte Stefan Charlotte zu.

      "Wer ist denn abends immer so müde?", gab sie schärfer als beabsichtigt zurück.

      Nach dem Abendessen gingen die Kinder in ihre Zimmer. Charlotte stellte Weingläser auf den Terrassentisch und schickte Stefan eine Flasche Barolo aus dem Keller holen. Sie wollte einen neuen Versuch unternehmen, Stefan davon abzubringen, am nächsten Tag nach Italien zu fahren. Doch er blieb bei seiner Entscheidung. Die Gründe, die er nannte, waren dieselben wie zuvor. Das Treffen mit den Anwälten von RAI sei sehr wichtig, und er habe zu viel Zeit in die Planung gesteckt. Blaschek wäre schon das Gespenst seiner Jugend gewesen und er würde sich nicht sein weiteres Leben von ihm diktieren lassen. Er würde in die Toskana fahren, auch wenn Blaschek bald frei käme.

      Charlotte überlegte, ob sie ihm drohen sollte, entschied aber, dass man im Moment nicht mit Stefan reden konnte, und sie wollte keine Drohungen aufstellen, die sie nicht einhalten konnte. Frustriert ging sie ins Bett.

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