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Frauen in seiner eigenen Abteilung.

      »Das ist doch selbstverständlich. Der vorläufige Obduktionsbericht wird heute fertig, den sende ich Ihnen dann sofort zu.« So ließ es sich doch viel besser arbeiten, als mit all den Griesgramen und Intriganten, die ihm hier so über den Weg liefen.

      »Ja, das wäre sehr wichtig, wann ist denn die Obduktion voraussichtlich beendet?«

      »Herr Dr. Müller-Lanz beginnt gleich um zehn Uhr dreißig, das dauert dann vielleicht zwei Stunden. Die Laboruntersuchungen beanspruchen natürlich einige Tage.«

      Burkhardt merkte, wie er immer noch das Telefon anlächelte und entschied spontan: »Ist gut, ich bin pünktlich um zwölf Uhr bei Ihnen am Institut, ich pflege immer persönlich mit dem Untersuchenden zu sprechen. Manchmal geht es um kleinste Nuancen, die einem bei der Ermittlung weiterhelfen.«

      Das klang sehr erfahren und entschieden, vielleicht beeindruckte es die Assistentin, half ihm aber bestimmt nicht bei seinem Fall weiter. Die Fakten, die er brauchte, kamen später aus dem Labor. Aber ein persönliches Gespräch mit der Assistentin hellte bestimmt seine Laune auf. Das schadete nicht, und wer weiß, vielleicht ergab sich daraus etwas, es war an der Zeit, dass er sich intensiver um sein Privatleben kümmerte.

      Burkhardt rief die Akte der Toten am Rechner auf und las die durch die Identifizierung gesicherten Informationen. Die Tote war die neunundsechzigjährige Dagmar Bieberstein, alleinstehend, niemals verheiratet gewesen, kinderlos. Er nahm nochmals den Hörer ab und erkundigte sich in der Zentrale, ob man mit der Nichte bereits einen Termin im Präsidium vereinbart hatte.

      »Nein, es ist nichts vermerkt, da müssten Sie sich wohl doch selbst bemühen.« Die weibliche Stimme klang schnippisch und Burkhardt merkte, wie ihm das Blut ins Gesicht schoss, während sie weitersprach: »Gut dass Sie noch im Haus sind, Herr Jochens hat gerade mitgeteilt, dass er dringend mit Ihnen sprechen muss.«

      Das Foto! Jochens war Leiter der Abteilung Medien und Öffentlichkeitsarbeit.

      »Dann teilen Sie ihm mit, dass mein Dienst seit genau drei Stunden beendet ist!« Damit knallte Burkhardt den Hörer auf die Ladestation und stand auf. Das reichte, erst machte er Überstunden, um heute früh um acht Uhr die Zeugenaussage dieser widerspenstigen Tania Redleffs aufzunehmen und dann kamen sie ihm hier in die Quere. Die Redleffs hatte sich tatsächlich pünktlich eingefunden. Sie war ihm gegenüber einsilbig und verschlossen geblieben. Hatte kurz und knapp die Ereignisse zu Protokoll gegeben und dabei völlig ruhig und überlegen gewirkt. Er meinte immer wieder ein feines Lächeln gesehen zu haben, das ihren Mund umspielte. Ihr Verband an der rechten Hand war ihm nicht entgangen, aber da die Verletzung erst nach seiner kurzen Visite im Baguetteladen entstanden sein musste, hatte er keinen Anlass gefunden, sich danach zu erkundigen. Völlig widersprüchlich, diese Frau, obwohl sie ganz klar bei ihren Aussagen geblieben war, die sie ihm gegenüber schon in der Nacht beim Tatort gemacht hatte. Am Ende hatte sie ihm noch kühl erklärt, schriftlich bei seinem Vorgesetzten Beschwerde einzureichen, wegen seines Verhaltens an ihrem Arbeitsplatz. Das erschien ihm ebenfalls ungewöhnlich, normalerweise rannten Leute mit ihrer Beschwerde doch direkt zum Vorgesetzten. Wer machte sich denn die Mühe, deswegen einen Brief zu schreiben? Burkhardt verschloss seine Schreibtischschubladen und auch den Aktenschrank an der Wand, griff seine Jacke und verließ das Büro. Er war viel zu müde, um sich jetzt noch mit irgendeinem Abteilungsleiter wegen des veröffentlichten Fotos auseinander zu setzen. Außerdem hatte das Foto doch gute Dienste geleistet. Wer weiß, wie lange es sonst gedauert hätte, bis jemand diese mausgraue Frau vermisst hätte. Burkhardt verließ das Gebäude durch den seitlichen Personalausgang und beeilte sich, durch grellen Sonnenschein zum Wagen zu kommen. Als er den Parkplatz verließ, kam er am gut gefüllten Besucherparkplatz des Präsidiums vorbei. Gleich in der ersten Reihe standen zwei Fahrzeuge, in denen jeweils eine wartende Person saß. Er pfiff leise durch die Zähne, hatte seine Zeugin am frühen Morgen auch jemanden dabei gehabt, der im Wagen auf sie wartete? Hatte sie deshalb keine Zeit erübrigt, sich persönlich bei seinem Vorgesetzten zu beschweren? Ihr Lebensgefährte konnte es nicht gewesen sein, der befand sich nach ihrer Aussage auf einem Forschungsschiff. War es etwa dieser Hassan gewesen?

      Burkhardt merkte, wie ihm der fehlende Schlaf zusetzte. Nicht mal nach dem Duschen und Rasieren fühlte er sich frisch. Eine gute Stunde blieb ihm noch, wenn er um zwölf im rechtsmedizinischen Institut sein wollte, und das wollte er unbedingt. Er entschied sich gegen Essen und für Schlaf. Etwas Schlaf war besser als keiner.

      21

      Burkhardt empfing der Geruch nach Desinfektionsmitteln im Flur der Rechtsmedizin.

      Die Assistentin reichte ihm zur Begrüßung freundlich die Hand, obwohl er erst gegen ein Uhr mittags eintraf, eine ganze Stunde später als vereinbart.

      Ihre kurzen Haare leuchteten dieses Mal intensiv rot, das letzte Mal waren sie noch platinblond und länger gewesen. Sie hieß, wie er bereits wusste, Verena Bellmann, und sie führte ihn in eine Art Wartezone im Gang des alten Gebäudes. Es standen drei mit dunklem Leder bezogene Schwingsessel unter einem Fenster. Das Leder glänzte an exponierten Stellen und die Fenster wirkten mit ihrer Einfachverglasung und der Sprosseneinteilung original alt. Eigentlich ganz schön, wenn es nicht so heftig durch die verzogenen weißen Rahmen ziehen würde, dachte Burkhardt, während er Verena Bellmann nachsah. Sie war mit wehendem weißem Kittel unterwegs, den Rechtsmediziner Herrn Dr. Müller-Lanz von seiner Ankunft zu unterrichten.

      Mit geschäftiger Miene kehrte sie zurück. »Tut mir leid, der Herr Doktor hat mit der nächsten Obduktion begonnen, er ist erst wieder in zwei Stunden zu sprechen«, bedauernd zog sie ihre zierlichen Schultern ein wenig hoch, »vielleicht kann ich Ihnen fürs Erste weiterhelfen, ich habe bei den Untersuchungen assistiert.«

      Burkhardt freute sich, dieser bisher sehr zäh verlaufende Tag nahm eine unerwartete Wendung.

      Der Kriminalkommissar wartete im Gang, während sie ihr Notebook holte. Danach führte sie ihn in einen kleinen, nüchternen Besprechungsraum. Es gab dort nicht mehr als einen Tisch und vier funktionelle Holzstühle mit kühler Sitzfläche. Die schneeweißen Wände wurden lediglich von der Tür und von einem Fenster unterbrochen. Kein Bild, kein Regal und das Weiß strahlte so hell, dass Burkhardt die Augen zusammenkniff. Wenigstens war dieses Fenster neueren Datums, die sechs symmetrischen Segmente aus Isolierglas waren von Kunststoffrahmen eingefasst. Blinzelnd setzte er sich, zog seinen Notizblock hervor und er fragte sich, ob seine Müdigkeit die Strahlkraft vom Titanweiß verdoppelte. Mit zusammengekniffenen Augen kritzelte er das Datum und den Ort oben auf das Papier, während die Assistentin ihr Notebook aufklappte. Dabei kam er sich hoffnungslos altmodisch vor. Burkhardt musste dafür sorgen, dass für solche Gelegenheiten ein kleines Ultrabook bereitstand, sonst machte er sich ja lächerlich.

      Er räusperte sich. »Dann legen Sie mal los, zuerst die Fakten bitte, danach frage ich Sie dann gezielt in einigen Punkten zu Ihrer persönlichen Meinung.

      Freundlich und klar akzentuiert trug Verena Bellmann vor, dabei wechselte ihr konzentrierter Blick regelmäßig zwischen ihm und dem Bildschirm: Name der Toten, Körpergröße 1,72m, Gewicht 95 kg, sehr gut verheilter gynäkologischer Eingriff, bei dem die Gebärmutter und die Eierstöcke entfernt wurden, Burkhardt folgte den Informationen, notierte sich Stichworte für seine Fragen und sah immer wieder fasziniert auf den passend zu den roten Haaren kräftig rot umrandeten Mund.

      »Ist was?« Verena Bellmann machte eine Pause und sah ihn an. Burkhardt meinte, einen herausfordernden Zug um ihren Mund herum zu erkennen. Er war wohl etwas mit seinen Gedanken abgedriftet, die roten Haare und Lippen in dieser weißen Umgebung wirkten hypnotisierend.

      Er schüttelte ein wenig den Kopf. »Hatte heute Nachtschicht, meine Konzentration lässt gerade ein wenig nach, gibt es hier einen starken Kaffee?«

      Da lachte sie plötzlich hell auf, der Hall stach in seinen Ohren.

      »Das, was hier als Kaffee aufgebrüht wird, ist schönster Blümchenkaffee. Aber drüben beim Italiener gibt es guten Kaffee. Und ich könnte meine Mittagspause nachholen....«

      Diesen Seitenhieb auf seine Verspätung verstand er auf Anhieb,

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