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in die vierte Etage, das hatte er schon besser geschafft. Die Schreibtischtätigkeit zeigte Wirkung. Eine hübsche junge Frau mit dunklen, sehr langen, glatten gepflegten Haaren empfing ihn an der Wohnungstür. Der sinnlich geschwungene Mund wurde geschmackvoll vom kräftig roten Lippenstift betont. Für ihre feine, ebene Gesichtshaut wurde sie sicher von so mancher Frau beneidet.

      »Guten Tag, ich hatte eigentlich meine Schwester erwartet. Was wünschen Sie?«

      »Burkhardt, Kriminalpolizei Bremen, ich muss mit Herrn Domoglu sprechen.«

      Dabei zog er geübt seinen Polizeiausweis hervor, stellte sich aufrecht hin und sprach betont und deutlich. Er wollte gleich Eindruck machen, es war besser, wenn man sich von Anfang an Respekt verschaffte.

      »Mein Mann schläft«, erklärte sie und fügte an »er arbeitet heute Nacht, ist es sehr wichtig?«

      »Wäre ich sonst hier?«

      Der Frau schien seine Antwort zu missfallen, jedenfalls antwortete sie sehr kühl: »Ich sage ihm bescheid.« Und drückte Burkhardt die Tür vor der Nase zu.

      Er wartete mindestens fünf Minuten, ab und zu hörte er Schritte in der Wohnung. Er überlegte, nochmals zu klingeln, als die Tür wieder geöffnet wurde.

      »Hallo Herr Burkhardt, Sie kommen bestimmt wegen gestern Abend. Kommen Sie doch herein.« Domoglu empfing ihn ausgesprochen freundlich.

      Burkhardt nickte und folgte Hassan in die Wohnung. Sie setzten sich im modern eingerichteten, aufgeräumten Wohnzimmer an den Esstisch mit der spiegelnden Glasplatte. In der hinteren Ecke des Raumes befand sich ein professionell anmutender Computerarbeitsplatz mit Flachbildschirm, ergonomischer Tastatur, Maus, Drucker und einem anständigen Tower. Von seinem Platz konnte Burkhardt gelbe Aufkleber erkennen mit der Aufschrift Gaming und Extreme. Außerdem meinte er einen Server zu erkennen. Das alles deutete auf größere Computeraktivitäten hin, die in dieser Wohnung stattfanden.

      »Genau, ich benötige noch einige Angaben von Ihnen«, Burkhardt legte ein Formular auf den Tisch. »Haben Sie einen Kugelschreiber zur Hand?« Er ließ Hassan als erstes die persönlichen Daten in ein Zeugen-Formular eintragen. Während er ihm dabei zusah, wie er geduldig alle Angaben schrieb, die Burkhardt bereits von der Sekretärin seines Arbeitgebers erfahren hatte, arbeitete es fieberhaft in ihm. Wie konnte er Hassan Domoglu den Namen der jungen Frau entlocken, ohne sich selbst zu blamieren?

      Hassan war aber sehr zuvorkommend und fragte von sich aus: »Waren Sie auch schon bei Tania? Sie hat der Leichenfund ganz schön mitgenommen, wie geht es ihr denn?«

      »Nein, ich werde Tania, wie hieß sie doch gleich mit Nachnamen, als nächstes aufsuchen.«

      »Redleffs, Tania Redleffs.«

      »Genau, Frau Redleffs muss ich auch noch um ihre Aussage bitten.« So einfach ging das.

      »Ist mein Mann denn der wichtigere Zeuge?«, erkundigte sich Hassan Domoglus Frau interessiert. Sie zog den seidigen Stoff ihrer Bluse ein wenig zurecht und stützte sich mit beiden Unterarmen auf die Glasplatte des Tischs. Sie musste noch jünger sein als ihr Mann mit seinen einundzwanzig Jahren. Aber sie war eine Frau und schien intuitiv zu merken, dass Burkhardt falsch spielte.

      »Woher haben Sie eigentlich diese Adresse? Muss ich mir Sorgen machen, dass die Polizei meinem Mann was anhängt? Brauchen wir einen Anwalt?«

      »Nun mach aber mal halblang, ich habe doch nur der Frau geholfen, die die Leiche gefunden hat.« Hassan lächelte seine Frau beruhigend an.

      Woher kam dieses Misstrauen? Burkhardt konnte es sich nicht erklären, aber vielleicht erfuhr er etwas, wenn er geschickt weitermachte.

      »Haben Sie Erfahrungen?«, fragte er unbestimmt und blickte Frau Domoglu direkt in die Augen. Er fand, mit ihrem angespannten Blick wirkte sie wie eine Katze auf der Lauer. Sie hielt dem Blick stand.

      »Es ist doch immer das Gleiche. Da geschieht ein Verbrechen und mein Mann ruft hilfsbereit die Polizei. Schwups haben wir die Staatsgewalt auf dem Hals. Nicht etwa die erste Zeugin, aber die kommt ja auch nicht aus einer dubiosen Familie.«

      Burkhardt strich sich über das Kinn, das hieß im Umkehrschluss, dass Familie Domoglu eine kriminelle Vergangenheit hat? Er hätte sich besser informieren müssen. Anfängerfehler. Aber der Name war ihm bisher nicht begegnet.

      Domoglus Frau war noch nicht fertig: »Wer weiß, was Sie noch so in Ihrer Voreingenommenheit in die Wege geleitet haben? Ist das vielleicht die Erklärung für die lapidare Textnachricht von seinem Arbeitgeber? Mein Mann hat ab heute nicht mehr Dienst in Oberneuland. Hassan muss nach Oslebshausen, nachts zu Fuß ein unübersichtliches, kaltes Firmengelände überwachen. Den Dienstwagen muss er zurückgeben!«

      Burkhardt wurde heiß und kalt. Hatte das allein seine telefonische Auskunft ausgelöst? Das konnte nicht sein!

      »Ich habe nichts, aber auch absolut nichts gegen Ihren Mann in die Wege geleitet!« Er bekräftigte diese Aussage mit seiner zur Faust geballten rechten Hand. »Wie kommen Sie überhaupt darauf?«

      »Na, wenn ein Ausländer in einen Leichenfund verwickelt ist, wird doch schnell mal im Umfeld geschnüffelt. Das kennen wir. Was glauben Sie, weshalb mein Mann meinen Namen angenommen hat, als wir geheiratet haben?«

      Hassan schien das jetzt peinlich zu sein, er saß mit verschlossenem Gesichtsausdruck daneben, kaute nervös auf dem Kugelschreiber und versuchte zu beschwichtigen.

      »Meral, wir sind keine Ausländer, wie sind hier geboren. Wir haben einen deutschen Pass. Und der Kommissar hier ist noch so jung, er kann nun wirklich nichts dafür, dass sich hier diese unsägliche Struktur etablieren konnte.«

      Er seufzte. »Mein Geburtsname ist Z. Das reicht Ihnen doch schon. Die Familie Z. hat viele Mitglieder hier in Bremen. Einige davon sind höchst kriminell, aber alle anderen wollen hier arbeiten und in Ruhe leben.« Seine Stimme wurde nicht laut, sie verwandelte sich eher zu einem leisen, fast singenden Zischen, in dem eine gehörige Portion Resignation mitschwang. »Das geht aber nicht, weil weder Polizei noch Staatsanwaltschaft rechtzeitig durchgegriffen haben. Alles war verhandelbar, Konsequenzen waren Schall und Rauch. Und jetzt kommt ihr nicht mehr gegen das Ungeheuer an. Aber ich, ich will arbeiten, Geld verdienen für meine Frau und später auch für meine Kinder! Das Problem ist nur, einem Z. bietet niemand eine vernünftige, ehrliche Arbeit an. Nicht mal einen Ausbildungsplatz habe ich bekommen.«

      Burkhardt war perplex. So hatte er die Sache bisher noch nicht betrachtet. Er schwieg, während ihn Hassans Frau nicht mehr belauerte, sondern mit ihrem Blick durchbohrte. Schließlich ließ er sich zu einer unbedachten Äußerung hinreißen.

      »Ich werde gleich nochmal mit Ihrem Chef reden, das kommt schon wieder in Ordnung.«

      Das war ein Fehler.

      Hassans Frau hatte anscheinend ein solches Eingeständnis erwartet.

      »Siehst du Hassan, ich habe es von Anfang an gewusst.« Es lagen Abscheu und Ekel in ihrer Stimme.

      »Das ist ein Versager, der hat doch bei deinem Chef etwas verlautbaren lassen, in der Hoffnung, dass er etwas über dich erfährt. Du hast gestern Abend von seiner Stümperei im Park erzählt, wie er mit dir im Schlepptau die Spuren am Tatort zertrampelt hat. Wie er sich um den Wagen dieser Tania gekümmert hat, während du schon längst die Aufnahmen von der Leiche im Pavillon gemacht hast.« Sie schüttelte sich, dass die zartgemusterte Bluse erzitterte.

      »Und dann hast du noch behauptet, der hat eure Namen im Gedächtnis gespeichert, deshalb hat er niemanden geschickt, der die Personalien aufnahm.« Sie drehte Burkhardt jetzt vollends ihren Rücken zu.

      »Das hat der schlicht und ergreifend vergessen.« Sie erhob sich und gab ihrem Mann ein Zeichen, ihr zu folgen. »Sie finden den Ausgang!«

      Damit saß Burkhardt allein am Tisch.

      Etwas Gutes hatte die Sache zumindest, wenn Fotos auftauchten, wusste wenigstens er selbst, woher sie kamen. Später musste er unbedingt bei BVK-Objektschutz vorbeifahren und ein gutes Wort für Hassan einlegen. Grübelnd stand er auf und drehte eine Runde auf dem Wohnzimmerteppich

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