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so gut und sprich du mit ihnen“. Er wollte sich selbst nicht in der Zeitung oder im Fernsehen sehen. Sabrina Hamm kannte das bereits. Es war nicht Koketterie – er mochte es einfach nicht. Sie hatte damit keine Probleme. Sie ließ sich gern fotografieren und gefiel sich eigentlich immer auf Bildern. Sie fand ihre Nase zwar ein wenig zu groß, hatte aber gelernt, dass sie beim männlichen Geschlecht vielleicht gerade deshalb gut ankam.

      Sie klopfte den Staub von der Hose und ging auf die Gruppe Journalisten zu. Die grellgelbe Sicherheitsweste mit dem Aufdruck machte sie als Polizistin kenntlich. Die Reporter richteten sofort Kameras und Mikrofone auf sie.

      „Guten Tag, meine Damen und Herren“, sagte sie in die versammelte Runde. Alle brannten darauf, etwas von dem zu erfahren, was sie nur aus der Ferne beobachten konnten. „Ich bin Sabrina Hamm, ermittelnde Beamte bei der Kriminalpolizei Bremen. Der Pressesprecher kommt später, ich stehe ihnen für erste Antworten zur Verfügung. Es ist leider noch nicht viel, was wir wissen.“

      Alle Medienvertreter redeten gleichzeitig. Sie machte eine abwehrende Geste mit beiden Händen.

      „Die Feuerwehr geht im Augenblick von einer Gasexplosion aus. Sie sehen mich erschüttert. Leider mussten wir Tote und Schwerverletzte bergen. Bis jetzt sind es etwa dreißig Verletzte und ebenso viele Tote – leider überwiegend Kinder“, sagte Sabrina Hamm mit gesenkter Stimme: „Wir versuchen in Erfahrung zu bringen, wie viele Menschen sich zum Zeitpunkt des Unglücks im Gebäude aufhielten.“

       Die Presse hatte versucht mit den Angehörigen der Opfer zu sprechen, was die Polizei jedoch verhinderte. In einem abgesperrten Areal standen Zelte des Technischen Hilfswerks, dort konnten Angehörige betreut werden, ohne dass sie von Kameras beobachtet wurden. Immer wieder spielten sich dramatische Szenen ab, wenn Eltern glaubten, das eigene Kind entdeckt zu haben. Die Journalisten brauchten solche Bilder. Ein Teil in Sabrina Hamm verstand das gut. Dennoch appellierte Sie an das Gewissen der Medienvertreter. Sie sah, dass nicht alle unter ihnen hartgesottene Profis waren. In vielen Gesichtern bemerkte sie Erschütterung und Anteilnahme. Manch einer musste spürbar um Fassung ringen.

      Nach einer Viertelstunde verabschiedete sich Sabrina Hamm von dem kleinen Pulk. Sie suchte Rotberg und fand ihn im Trümmerfeld inmitten einer Gruppe von Forensikern in ihren weißen Overalls. Die Leute starrten auf eine Stelle in den Trümmern. Sie fürchtete, dass es dort etwas Unangenehmes zu sehen gab und überlegte, ob sie sich den Anblick ersparen sollte. Jetzt war sie aber darauf eingestellt, wie Rotberg es ihr als Tipp gegeben hatte.Sie ging entschlossen auf die Kollegen zu.

      „Was gibt’s?“, fragte sie.

      „Hier scheint der Explosionsherd zu sein“, antwortete er. „Ein Hund hatte Witterung aufgenommen. Nachdem der Kran ein heruntergestürztes Teil der Decke hochgehoben hatte, wurde die stark verbrannte Leiche einer erwachsenen Person entdeckt – wahrscheinlich eine Frau. Ein Experte der Feuerwehr hat die Stelle untersucht und gemeint, dass dies höchstwahrscheinlich das Zentrum sei. Frag’ mich bitte nicht, woran der das erkennt.“

      „An der verbrannten Frau!“, spekulierte Sabrina Hamm.

      „Möglich“, meinte er.

      Bevor man Stein um Stein beiseite räumte, erfassten die Spezialisten der Kripo den Abschnitt mit dem Drei-D-Scanner. Mit jeder Schicht, die abgetragen wurde, gab es einen weiteren Scan. Man fror einen Tatort quasi ein. Der Computer rechnete später aus Einzelscans eine komplette räumliche Situation zusammen. Selbst kleine Teile, die am Ort eines Verbrechens oder an einer Unfallstelle möglicherweise übersehen wurden, ließen sich nachträglich nochmals genauer betrachten. Man konnte analysieren, wie die Dinge im Raum verteilt waren und Rückschlüsse auf die Ereignis-Reihenfolge ziehen.

      Rotberg fiel es anfangs schwer, diese Technik zu nutzen. Er hatte nicht sofort die Vorteile erkannt. Dabei war ihm durchaus bewusst, wie viele Probleme er hatte, anhand von Tatortfotos das Gesamtbild der Umgebung im Kopf zusammenzusetzen. Genauso widerstrebte es ihm zunächst, vor Ort einen weißen Overall zu tragen. Jeder Polizist sah gleich aus.

      Die jüngeren Kollegen waren aufgeschlossener. Sie brachten ihm neue Methoden mit Begeisterung näher. Mittlerweile war er ein routinierter Nutzer aller Möglichkeiten. Er ging zwar nach wie vor lieber an die echten Tatorte – um auf gute Ideen zu kommen, wie er es nannte. Es faszinierte ihn aber, wie viele Bausteine heute zur Verfügung standen, um eine Tat nachzuvollziehen und eine Beweiskette lückenlos zu schließen.

      Jetzt sollten sie diesen Platz besser den Experten überlassen. Wenn es irgendeinen noch so kleinen Hinweis gab, würden sie ihn finden.

      Sabrina Hamm und Rotberg beschlossen in Erfahrung zu bringen, in welche Krankenhäuser die Verletzten gebracht worden waren. Es handelte sich um drei: Klinikum Links der Weser, Mitte und Bremen-Ost. Er rief vier Kriminalbeamte hinzu. Harald Wesselmann, mit dem er seit fast zwanzig Jahren eng zusammenarbeitete. Sven Grabert, ein jüngerer Beamter, der einigen Kollegen wegen seiner an Pedanterie grenzenden Genauigkeit auf die Nerven ging. Von der starken Seite dieses Verhaltens hatte aber manche Arbeit profitiert. Carola Menge, eine überaus kommunikative Beamtin und der wortkarge Ralf Köster – ein ideales Duo. In vielen Befragungen von Zeugen oder Verdächtigen führte die Mischung zu erfreulichen Ergebnissen. Die Zeitgenossen, die bei Carola Menges sprudelndem Charakter dichtmachten, knickten bei Kösters mürrischem Schweigen ein. Man konnte, wenn man ihn nicht kannte, unmöglich hinter seine Fassade sehen. Das schüchterte viele Menschen ein, ohne dass ein gereiztes Wort fiel.

      Rotberg teilte die Gruppe ein: „Du Ralf, fährst mit Carola ins Krankenhaus Links der Weser, Harald und Sven fahren zum Klinikum Mitte. Sabrina und ich machen uns auf den Weg nach Bremen-Ost. Wir nehmen dort alle Namen und Daten der eingelieferten Personen auf. Falls ihr die Erlaubnis der Ärzte bekommt, solltet ihr die ansprechbaren Zeugen befragen.“

      Er hob den Zeigefinger und sah mit hochgezogenen Augenbrauen in die Runde: „Aber auf jeden Fall immer das Klinikpersonal um ein Okay bitten. Nicht wahr, Carola.“

      Er zwinkerte ihr im Gehen zu. Sie verdrehte mit gespielter Genervtheit die Augen.

      Bremen, Montag 09. Februar 2009, 11.35 Uhr

      Nachdem das Eis zwischen ihnen gebrochen war, versuchte Rotberg ständig mit Sabrina Hamm zu arbeiten. Das Klima im Team hatte sich dadurch deutlich verbessert. Wenn Rotberg mit einem anderen Kollegen zu Einsätzen fuhr, tat er es aufgrund von dessen Kompetenz vor Ort.

      Wesselmann nahm er mit, wenn er sichergehen wollte, dass er gedanklich richtig lag. Der war im gleichen Alter und sah die Welt wie er. Manchmal genügte ein flüchtiger Blick zu ihm, dann wussten beide, was der andere dachte. Wesselmann war vielleicht das, was man einen Freund nennt. Rotberg konnte im Grunde nicht sagen, ob er wirkliche Freunde hatte. Wie so viele Männer, tat er sich schwer damit. Ging er mit ihm ein Bier trinken, fühlte er sich einfach wohl, auch wenn sie wenig oder nur Bedeutungsloses redeten. Das war wahrscheinlich das, was er als Männerfreundschaft verstand.

      Mit Sabrina Hamm verhielt es sich ähnlich und dennoch völlig ungleich. Nachdem er die Phase der Abwehr dieses erotischen Flirrens, das er in ihrer Gegenwart spürte, eingeordnet hatte, gab er sich einer kurzen väterlichen Phase hin. Dann ließ er auch das. Es fühlte sich gut an, mit ihr durch die Straßen zu gehen. Er nahm wahr, wie sie gleichermaßen auf Männer und auf Frauen wirkte. Die Menschen versuchten immer wieder einzuordnen, wie er mit ihr in Beziehung stand. Es gab seinem Ego einen gewissen Kick, wenn man ihm zutraute, ihr Lebensgefährte sein.

      Er war sicher, dass Sabrina Hamm das ebenso wahrnahm. Er bezweifelte allerdings, dass sie einen Kick dabei spürte, dass ein grauhaariger Kerl als ihr Partner wahrgenommen werden könnte. Er würde aber niemals mit ihr darüber sprechen.

      Am Anfang hatte er seiner Frau wenig von der neuen Mitarbeiterin erzählt. Jutta hatte aber feine Antennen. Immer, wenn Kollegen in der Abteilung eingestellt wurden, sprach er ihr über sie. Es war seine Art die Person in den Alltag zu integrieren. Jutta hörte zu und half ihm, das Bild über den Mitarbeiter abzurunden, richtig einzuordnen und so Widerstände aufzugeben.

      Jutta war sofort misstrauisch, als er zunächst nicht über diese Frau redete – wenn, dann ausschließlich abfällig. Und plötzlich

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