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Damen und Herren, zunächst möchte ich mich bei Ihnen entschuldigen, und zwar dafür, dass wir heute eine Änderung unseres Projektes vornehmen müssen. Mein Bruder und ich hatten in der Euphorie meiner Befreiung aus den Händen der Entführer spontan zugesagt, die Investitionslücke selbst zu schließen, die durch das Aussteigen der Partnerfirma entstanden ist. Die Analysten meines Konzerns haben das neue, kleinere Projekt akribisch unter die Lupe genommen und selbst mit spitzestem Bleistift eine sehr wahrscheinliche Unrentabilität festgestellt. In einem Satz gesagt, ein Museumsdorf mit fünf Bauernhäusern lohnt die Investition nicht. Vorher hatten wir auch nicht an das Parkproblem gedacht. Ein erfolgversprechendes Konzept sieht aber unweigerlich einen ausreichenden Parkraum vor, eventuell durch ein Parkhaus. Würden wir an den Museumsbereich, der mir wirklich sehr am Herzen liegt, eine abgespeckte Version des ursprünglich vorgesehenen Erlebnisparks angliedern, könnte sich Dr. Kunze, Sie wissen, der Vorstandschef der CHAT Medical Germany aus Berlin, vorstellen, wieder bei uns einzusteigen. Und ich glaube, der Chemiekonzern möchte seine vorher getätigten Investitionen nicht abschreiben.“

      Bei diesen Worten blendet Freiwasser eine Skizze der Neuplanung im hinteren Oytal ein und erklärt weiter:

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      „Im nördlichen Teil des Tales könnte man sich zudem eine weitere Skiabfahrt mit Seilbahn vorstellen, ein Projekt für die Zukunft. Ein gutes Hotel und eine Klinik oder Kuranlage sorgen für weitere Einnahmen. Hierzu würde ich die Gründung einer unabhängigen Investitionsgesellschaft vorschlagen, die aus Mitteln der EUROMIX Technology und dem Privatvermögen der Gräfin und wahrscheinlich der CHAT Medical Berlin finanziert wird. Bei der Gewinnausschüttung sollen alle in einem noch zu verhandelnden Schlüssel beteiligt werden, folglich auch die Gemeinde Oberstdorf und der Verein der RECHTLER. Weitere Anteileigner könnten noch die Klinik, der Restaurationsbetrieb in beiden Parkteilen und eine namhafte Hotelkette werden.“

      Der Landschaftsplaner setzt sich und schaut erwartungsfroh in die Runde. Die ist erst einmal sprachlos, dachten doch die meisten, heute würde nur die Verpachtung des Oytalhauses anstehen.

      Korbinian Einödhofer steht auf.

      „Ich brauche nicht zu betonen, dass ich immer der Meinung war, wir müssen neue Anreize für den Tourismus im Ort schaffen. Aber was soll das denn die Gemeinde kosten?“

      Auch Ludwig Geiger sieht sich genötigt, eine Frage zu stellen:

      „Genau, was soll das unseren Verein kosten?“

      Mehr fällt ihm ad hoc nicht ein. Er denkt aber augenblicklich an die Proteste, die sicherlich von einigen älteren, fanatischen Vereinsmitgliedern ins Feld geführt werden, da das Oytal als Naturschutzgebiet ausgewiesen worden ist.

      Nun erhebt sich Freiwasser erneut:

      „Ich sehe Ihre Sorgenfalten. Es geht sicherlich um eine zweistellige Millioneninvestition. Aber wie Sie den Worten der Gräfin zu Hohenstein bereits entnommen haben, gibt es für Sie beide“, er schaut dabei abwechselnd Einödhofer und Geiger an, „höchstens geringfügige finanzielle Belastungen bei der Errichtung der erweiterten Infrastruktur. Sie müssen nur die benötigten Weideflächen im Oytal bzw. bei Birgsau zur Verfügung stellen und den Tausch grundbuchamtlich festschreiben. Außerdem müssen Sie natürlich für die Akzeptanz Ihrer Mitglieder sorgen. Aber das können Sie sicherlich auch im kommenden Wahlkampf zur Bürgermeisterwahl thematisieren.“

      Die beiden Angesprochenen nicken, um damit anzuzeigen, dass sie die Antwort verstanden haben.

      Kapitel 9 - Bielefeld, Sparrenstraße 09.02., 17:00

      Kerstin Schibulsky kommt gerade mit ihrem weißen Renault Twingo und dem hellroten Blumen-Design vom Sennefriedhof zurück. Da sie überhaupt kein Interesse für Fußball aufbringen kann, ist sie gegen Mittag nach Brackwede zum Sennefriedhof gefahren, um mal wieder bei den Gräbern ihrer Eltern bzw. Schwiegereltern, den Familien Grote und Schibulsky, nach dem Rechten zu sehen.

      Obwohl das Wetter nicht gerade zu einem Spaziergang einlud, hat sie ihr Auto am Parkplatz an der Stadtbahnstelle „Senne“, Linie 1 nach Schildesche, abgestellt und anschließend noch eine Wanderung zur „Waterbör“ unternommen, dem Ausflugslokal, das einsam mitten im Naturpark Teutoburger Land liegt. Nach einem Stück Apfelkuchen mit Schlagsahne und einem großen Cappucino kehrte sie zum Twingo zurück.

      Wegen einer unangemeldeten Kurden-Demonstration wurde die Hauptstraße in Brackwede von einigen Teilnehmern blockiert, die zudem noch Steine aus dem Gleisbett der Straßenbahn entfernten und damit Pkw bewarfen, die wegen der Blockade zum Anhalten gezwungen wurden. Erst nachdem die herbeigerufene Polizei ca. zwanzig der höchstens 20-jährigen, kurdischen Demonstranten in Gewahrsam genommen hatten, da sie zusätzlich zur Sachbeschädigung auch Transparente mit Parolen und Symbolen der in Deutschland verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK mit sich führten, löste sich der Stau endlich auf.

      Als Kerstin nun die Haustür ihres Hauses in der Sparrenstr. 8 aufschließt, läutet das Haustelefon. Ohne den Mantel auszuziehen läuft sie ins Wohnzimmer und nimmt das Gespräch an:

      „Schibulsky.“

      „Hallo Oma, wie geht es euch.“

      Kerstin hat augenblicklich die Stimme ihrer Enkelin Britta erkannt, die seit einigen Monaten in München studiert.

      „Mir geht es wie immer sehr gut. Aber Opa ist nach eurem Abenteuer in Oberstdorf noch nicht wieder auf dem Posten. An das neue Hüftgelenk hat er sich zwar schon gewöhnt. Aber die OP-Wunde will und will nicht verheilen. – Und wie geht es dir, mein Schatz?“

      „Alles gut, Oma, mein Schlüsselbeinbruch ist gut verheilt. Ich verspüre keinerlei Schmerz mehr und habe schon wieder mit Schwimmen angefangen. – Geht es Opa denn wieder schlechter? Ich habe ihn im Krankenhaus nicht erreichen können.“

      „Das ist auch nicht möglich. Ungeduldig wie er ist, hat er sich vorgestern quasi selbst entlassen. Auf eigene Verantwortung natürlich und ich muss jetzt darauf achten, dass seine Wunde hygienisch versorgt wird. Heute war er schon wieder auf dem Sportplatz.“

      „Aber, Oma, du kennst ihn doch. Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann macht er das auch.“

      „Du sagst es, und dabei hatte er mir versprochen, keine Kriminalfälle mehr zu lösen. Und da macht er mit dir an Weihnachten diese Verfolgungsjagden in Oberstdorf.“

      „Zum Glück, Oma, sonst wäre ich wohl nicht bei der Entführung so glimpflich davongekommen. – Du sagst, seine Wunde an der Hüfte verheilt nicht?“

      „Genau, Britta, er muss schon bei der Erstversorgung in der Klinik in Oberstdorf oder dann hier in Bielefeld mit MRSA-Bakterien infiziert worden sein.“

      „Mein neuer Freund hat mir erzählt, dass seine Tante aus Garmisch-Partenkirchen auch diese multiresistenten Bakterien hatte. Die ist jetzt aber geheilt.“

      „Die Hoffnung habe ich natürlich auch. Aber die Antibiotika, die Opa Robert bisher erhalten hat, zeigen keine Wirkung.“

      „Weißt du zufällig, was Opa bekommen hat?“

      „Warum willst du das wissen? Ich dachte, du studierst Informatik und nicht Medizin.“

      „Tu ich auch, aber ich will Gregor mal fragen, was seiner Tante geholfen hat.“

      „Warte einen Augenblick. Ich habe mir das aufgeschrieben. Ich muss eben meinen Schreibblock aus dem Schrank holen.“

      Kerstin legt den Hörer ihres veralteten Wählscheibentelefons auf den Zeitungsständer, geht hinüber zum dunklen Eichenschrank und kramt im Sekretär herum.

      „Bist du noch dran, Schatz?“

      „Natürlich, Oma, was denkst du denn. Ich habe mir sogar auch was zum Notieren geholt.“

      „Also, was steht hier? Zuerst eine Kombination aus Glykopeptid-Antibiotika zusammen mit Rifampicin, anschließend mit Clindamycin,

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