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der Schränke. Nachdem man Proben vom Inhalt und von den Speiseresten zur Überprüfung weggeschickt hatte, kam das Labor zu folgendem Ergebnis: Dem Koch war es irgendwie gelungen, die tödlichen Eigenschaften von Brom und Blausäure zu kombinieren. Das Gemisch war also auf zwei Wegen in den Körper gelangt. Zum einen flüssig in Suppen, Soßen und Getränken, wodurch es in den Magen-Darm-Trakt gelangte. Die Opfer hatten allerdings zu wenig Zeit, um sich über Kopfschmerzen, Husten oder Durchfall zu sorgen. Zum anderen war das Gemisch langsam verdampft, was angesichts der heißen Speisen niemandem aufgefallen war, und so gelangte das Gift zusätzlich über die Atemwege in den Körperkreislauf. Der Blausäureanteil des Gemisches sorgte dafür, dass die Körperzellen keinen Sauerstoff mehr aufnahmen, und so waren die Betroffenen in wenigen Sekunden tot gewesen. Sie erstickten praktisch auf der Stelle. Auch für die fünf Personen, die man ins Krankenhaus gebracht hatte, bestand wenig Hoffnung.

      Man kannte die Todesursache, man hatte den mutmaßlichen Täter, nur eines wusste man noch nicht: Warum hatte er das getan? Und noch etwas war unklar. Für wen war die letzte übrig gebliebene Mahlzeit?

      Die anderen Angestellten, die nach Untersuchungen nur leichte Vergiftungserscheinungen hatten, hatten unterschiedlich reagiert. Drei hatten zusammen die Polizei und den Rettungsdienst alarmiert, und zwei waren vor Schreck geflohen, man würde sie später befragen, so dass für das letzte verbliebene Gericht augenscheinlich nur der Koch selber übrig blieb, aber vollkommen sicher konnte man nicht sein

      Und besonders kooperativ zeigte sich dieser auch nicht, besser gesagt, er zeigte überhaupt keine Regung. Er stand nur da, rührte an einer Soße und war ansonsten nicht ansprechbar. Normalerweise hätte man auch ihn, der vollkommen apathisch war, in eine Klinik bringen müssen, aber auf Grund der Ereignisse gingen einigen Kollegen die Nerven durch und man schüttelte ihn und schlug ihm solange ins Gesicht, bis er etwas klarer wurde. Die Beamten interessierte nur eine Frage: Warum? Warum hatte er sich so viel Mühe gemacht, um siebzehn Menschen gleichzeitig zu vergiften? Warum hatte er das getan?

      »Mühe?«, fragte der Koch müde und sichtlich verwirrt, wie aus einer Trance erwachend. »Getan? Was denn getan?«

      Später ergab sich: Der Koch wusste selber gar nicht, was er da angerichtet hatte. Und er hatte auch nur eine leichte Vergiftung, war er den Dämpfen nur rudimentär ausgesetzt gewesen.

      Das Letzte, an das er sich erinnern konnte, war, wie er am Vortag gegen 17:30 Uhr die Küche betreten hatte, um seinen Arbeitsplatz vorzubereiten. Die Zeit bis gegen 22:00 Uhr, als man ihn aus seiner Trance geholt hatte, fehlte völlig in seinem Gedächtnis. Zumindest behauptete er das.

      Er hatte keine Ahnung, wie er an das hochgiftige Gemisch gelangt war. Ja, er hatte überhaupt keine Kenntnisse von solchen Sachen, und wie er die Flüssigkeit unter die Speisen gemischt hatte. Im Übrigen hatte er auch niemals vorgehabt einen Menschen zu töten, geschweige denn gleich siebzehn eiskalt zu vergiften. Er hatte einen ziemlich konfusen Eindruck hinterlassen, konnte sich selbst keinen Reim darauf machen und konnte sich auch gar nicht vorstellen, dass er das getan haben sollte.

      Katana war jetzt zu Hause angekommen, stellte den Motor des Toyota ab, blieb aber noch einen Moment im Wagen sitzen. Seine Arbeit war eigentlich getan. Ob der Koch tatsächlich der Täter war, und warum er das getan hatte, oder ob es noch eine andere Person gab, die hinter all dem steckte, oder ob die Sachlage doch noch ganz anders war, lag nicht in seinem Aufgabenbereich. Er hatte alle Spuren gesichert und zur Verarbeitung katalogisiert. Aber er wollte die Kollegen von Zeit zu Zeit über den Stand der Ermittlungen befragen, weil ihn die Tat schockierte aber seltsamerweise auch faszinierte.

      Er fragte sich, warum dies wohl so war?

      Mombasa / Kenia, Montag 26. April, 07:50 Uhr

      Naomi war zu Tode erschrocken. So einen lauten Knall hatte sie noch nie zuvor gehört. Jetzt fiel erneut ein Schuss. Auf dem Fußgängerübergang stürzte ein Mann und blieb mitten auf der Straße liegen. Nun erst bemerkte Naomi, dass Ken nicht mehr neben ihr stand. Auch er lag auf dem Pflaster. Noch ehe sie wusste, was das Alles zu bedeuten hatte, brach an einer Kreuzung in Mombasa an einem gewöhnlichen Montagmorgen die Hölle los. Von nun an war es alles andere, als ein üblicher Morgen.

      Menschen liefen schreiend durcheinander und versuchten, hinter Häuserecken und parkenden Fahrzeugen Schutz zu finden. Ein Zeitungsverkäufer sprang hinter seinen Kiosk in Deckung, ein Obstverkäufer suchte diese hinter seinem Stand.

      Autos bremsten vor dem am Boden liegenden Mann scharf ab, die Fahrer stürzten aus ihren Wagen und liefen zu vermeintlich sicheren Stellen, an denen sich schon zahlreiche andere Leute aufhielten, die sich in Sicherheit gebracht hatten. Innerhalb weniger Sekunden war die Kreuzung wie leer gefegt. Der nächste Schuss erwischte eine flüchtende Frau noch am Bein, bevor sie um eine Ecke biegen konnte und sie humpelte, nachdem sie sich wieder aufgerappelt hatte, in Deckung.

      Der Mann auf der Straße rührte sich nicht mehr. Es bildete sich unter seinem Kopf eine kleine Blutlache, die rasch an Größe zunahm.

      Als Naomi das Blut sah, erinnerte sie sich daran, wie sie sich einmal in den Finger geschnitten hatte und überlegte, dass der Mann am Boden wohl große Schmerzen haben müsse.

      Nachdem sie das entstandene Chaos erschrocken und zugleich fasziniert betrachtet hatte, fiel ihr Ken wieder ein. Er lag auf dem Rücken und blutete aus einer Wunde in der rechten Schulter. Naomi hockte sich neben ihn, sich der Gefahr, in der sie schwebte, nicht bewusst. Sie glaubte, dass auch er Schmerzen haben müsse, verstand aber nicht, warum ihr Freund sich nicht regte und nicht mehr weitergehen wollte. Ihr fielen die Bilder aus dem Fernsehen wieder ein. Da wurde von Toten gesprochen. Sie wusste zwar noch nicht, wie man starb, aber was ein Toter war, das wusste sie schon. Ihre Großmutter war tot, und ihre Mama hatte ihr erklärt, dass sie in den Himmel vorausgegangen sei und nicht mehr zurückkommen werde. Plötzlich hatte sie Angst, Ken könnte auch tot sein und fühlte sich betrogen. Er hatte ihr doch gerade erst versprochen, sie immer zu beschützen. Und jetzt war er tot? Wer sollte ihr nun helfen? Er konnte sie doch nicht einfach so alleine lassen. Sie rüttelte an Ken und begann zu weinen. Noch vor wenigen Augenblicken hatte er ihren Tränenfluss gestoppt. Jetzt wurde ihr Jammern immer lauter, bis sie nur noch seinen Namen rief. Er sollte aufstehen, sie mussten doch zur Schule und er wusste doch, wie die Lehrer Verspätungen hassten. »Ken, komm doch, wir müssen weiter!«

      Der nächste Schuss zerstörte eine Fensterscheibe und sein Echo rollte durch die Straßen. Bis auf eine kleine Verletzung durch Splitter an einer neugierigen Frau, die ihr rundes Gesicht ans Glas gedrückt hatte, gab es dieses Mal keine schwereren Wunden. Der Schrecken durch das krachende Zerbersten des Glases bei denen, die sich in dem kleinen Laden aufhielten, war noch das schlimmste Übel.

      Naomi schrie mittlerweile immer wieder Kens Namen und zerrte an seinem Arm, ohne ihn jedoch vom Fleck zu bewegen. Alle, die sich in Sicherheit gebracht hatten und das sahen, blickten gebannt auf das kleine schreiende Mädchen, aber niemand konnte sich rühren.

      Der nächste Schuss traf Naomi am linken Ohr, riss sie herum und verursachte ihr einen schlimmen brennenden Schmerz. Jetzt schien sie zu verstehen, was passiert war. Sie krabbelte zurück zu Ken und weinte herzzerreißend.

      Nun endlich löste sich in einem etwa dreißig jährigen Mann die angestaute Spannung, er verließ seine Deckung und rannte auf das kleine Mädchen zu. Der Schweiß glitzerte auf seiner dunklen Haut. Er hatte die knapp fünfzig Meter schnell zurückgelegt, bekam aber Naomi nicht sofort zu fassen, da sie sich wehrte und lieber bei Ken bleiben wollte. Schroff riss er sie an sich und wollte umkehren. Jetzt kreischte und zappelte und schrie sie um Hilfe. Ken hatte doch versprochen, ihr zu helfen. Wo war nun seine Hilfe, jetzt, da sie sie brauchte?

      Mit der sich windenden Naomi unter dem Arm kam der Mann nicht mehr so schnell vorwärts. Der nächste Schuss traf ihn an der Ferse des linken Fußes. Er wurde herumgewirbelt, behielt aber durch Glück und Dank einer immensen Kraftanstrengung das Gleichgewicht, blieb auf den Beinen und stolperte um die rettende Hausecke, hinter der man ihm das Mädchen sofort abnahm.

      Vom

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