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nach Mitternacht im Hotel angelangt ging Andre die Schilderung eines im Grunde genommen alltäglichen Krankheitsgeschehens seiner Kollegin nicht aus dem Kopf. Patientinnen mit einem „Banalen Harnwegsinfekt“ landeten entweder in den Praxen niedergelassenen Kollegen oder bei seinen Oberärzten, wenn diese nicht weiter wussten. In der Vorlesung war es daher oft schwierig eine Patientin mit einem Harnwegsinfekt vorzustellen und auch dann handelte es sich meist um Blasenentzündungen als Folge von Bestrahlung oder einer neuerdings wieder häufigeren Tuberkulose.

      Andre schöne Tischnachbarin hatte seine Eitelkeit zielbewusst verletzt. Mitten im ersten Flirt fing sie seinen Blick auf die zur Toilette eilende Dame auf und lenkte sofort das Gespräch auf ein wie sie meinte häufiges Krankheitsbild. Aus eigener Erfahrung führte sie ihm dann vor Augen, dass er von den Begleitumständen einer Blasenentzündung keine Ahnung hatte, einschließlich des Fehlverhaltens von Ärzten und Apothekern. Heimtückisch hielt sie ihm sodann wie in einem Drama den Spiegel vor um sich selbst darin in Gestalt von Kajetan Bertram wiederzuerkennen. Kajetan –Bertram allein schon der Name! Wenngleich Lehrstuhlinhaber war er von den Vorstellungen einer Frau über Aufmerksamkeit Zuwendung und Hilfeleistung meilenweit entfernt! Und dann noch als Punkt auf dem I die Schilderung aus der Kneipe! Maliziös gekonnt wurde ihm zum Abschluss noch der Mann, als ein ausschließlich auf seine regelmäßige Samenentleerung bedachtes MCP (Male Chauvinistik Pig) vorgeführt!

      Völlig verblendet hatte sich Andre mit ihr für den nächsten Morgen zu einem Vortrag seines alten Freundes Frank verabredet. Eine Kopie von der „Heimkehr des Kriegers“ - bei der wahrscheinlich die Männer wenn überhaupt noch möglich- noch schlechter wegkamen wollte sie mitbringen.

      Am schlimmsten aber: sie hatte seine Neugier: Ursprung alles Denkens und Handelns geweckt!

      Im Nachkriegs Wien hatten sie trotz Verfolgung und Verlust von Professoren wegen Parteizugehörigkeit noch immer faszinierende Persönlichkeiten als Lehrer.

      „Stellen sie immer die Frage nach dem Warum an den Beginn ihrer Überlegungen!“ Mit diesen Worten begann der Pathologe Prof. Chiari seine überfüllte Vorlesung.

      „Warum woanders alles Anders ist“ dies beschäftigte Andre! Dem beschloss er nach zu gehen! Insgeheim aber wollte er sich auch für die erlittene Schmach rächen wie wusste er noch nicht und schlief darüber ein.

      Kapitel 3 - Warum Frauen durch Schönheit begünstigt durch eine kürzere Harnröhre benachteiligt sind.

      Ein Vortrag über „Die Keimbesiedelung der Harnblase.

      (Bei aufkommender Langweile weiter zu Kapitel 4.)

      Andres Freund Frank aus San Franzisko sieht nicht nur gut aus auch seine Vorträge sind brillant. Trotz des schönen Wetters ist der Vortragssaal bis auf den letzten Platz besetzt.

      Mit seiner schönen Tischnachbarin vom Vortag nimmt Andre in der für Gäste reservierten ersten Reihe Platz.

      „Ich bin gespannt was es zu diesem reichlich abgedroschenen Thema Neues gibt!“ sagt sie und gähnt verholen unter vorgehaltener Hand.

      „Warten sie es ab“ antwortet er trocken. Ihr Sarkasmus schien ungebrochen.

      Wie üblich hat Frank nur einige wenige Diapositive. Neben seinem Pult steht ein großes Holzgestell mit weißem Zeichenpapier und Farbfilzstiften.

      „ In der Harnblase“ beginnt er ohne Umschweife „sammelt sich aus den Nieren ausgeschiedener Urin – seine Nachbarin lehnt sich gelangweilt in dem bequemen Posterstuhl zurück- „ sowie eine stattliche Anzahl von Bakterien. Da es vorwiegend Darmbakterien - sogenannte Coli Keime sind liegt es nahe, dass sie auch von dorther stammen. Bis heute wissen wir nicht genau wie diese dorthin gelangen aber davon später mehr. Was dort in dem warmen Milieu passiert können sie sich leicht ausmahlen“ er macht eine kleine Pause und blickt dabei lächelnd auf Andres gelangweilte Nachbarin „sie vermehren sich. Wie schnell sehen sie auf diesem ersten Diapositiv!“

      Dieses - vom langen Gebrauch gelbstichig – zeigt eine gerade aufwärtsgerichtete schwarzen Linie auf der nach rechts gerichteter Abszisse sind die Stunden auf der Ordinate die Anzahl der Bakterien aufgetragen.

      „Da es sich in der Blase um ein sogenanntes stehendes Gewässer handelt“ fährt er fort „erfolgt die Verdoppelung dieser Keime innerhalb von 20 Minuten auch als Verdoppelungszeit bezeichnet. Bakterien sind Krankheitserreger und verursachen Entzündungen und sicher können sie mir die einfache Frage beantworten –erneut blickt er auf Andres schöne Nachbarin die mittlerweile kerzengerade in ihrem Stuhl sitzt - warum sie es nicht tun?“ Er nimmt einen Farbstift und malt eine Harnblase auf und darin- er wechselt den Stift- kleine gekrümmte U- Häkchen. Erneut machte er eine kleine Pause.

      „Nun für den Entzündungsprozess müssen diese Kolikeime“ er deutete auf die Häkchen „an der Schleimhaut haften bleiben. Erfreulicher Weise aber tun sie dies unter normalen Umständen nicht. Auch dieser Abwehrmechanismus ist nur teilweise geklärt aber er schützt unsere Blase trotz aller Bakterien vor einer Entzündung.

      Fassen wir all dies zusammen: der Nachweis von Bakterien im Urin ist nicht gleichbedeutend mit einer Blasenentzündung ganz im Gegenteil wir können dabei auch völlig Beschwerdefrei bleiben –er klappt die erste Papierseite um und schreibt in Großbuchstaben ABU auf die nächst folgende. A= asymptomatisch, B= Bakterien und U=Urin also lediglich Keime ohne Beschwerden.

      Nur allzu häufig führt der Bakteriennachweis bei behandelnden Kollegen zum Griff nach dem Rezeptblock und Verordnung eines Antibiotikums. Dies besonders dann, wenn im Anschluss an eine Blasenentzündung weiterhin Bakterien im Urin gefunden werden.

      Die Symptome kennen die Damen unter ihnen aus leidvoller eigener Erfahrung aber wie es dazu überhaupt dazu kommt und wie Blasenentzündungen vermeidbar sind darüber später mehr.

      Zunächst und dies ist entscheidend -erneut blättert er um und zeichnet diesmal gleichzeitig mit beiden Händen die Umrisse von zwei Nieren samt Harnleitern und eine Blase mit Harnröhre auf- ist die Frage FIEBER? - er unterstrich dies rot- für unsere weitere Therapie entscheidend, “ Andres Nachbarin hat mittlerweile einen kleinen Notizblock aus ihrer Handtasche gezogen und machte sich Notizen.

      „Bei einer Entzündung – schwellen wie bei allen Entzündungen gleichgültig ob Nase, Rachen oder Blase die Schleimhäute an und verfärben sich rot als Folge der erweiterten Blutgefäße, im Harn finden sich Blutkörperchen. Später sterben entzündlich veränderte Schleimhautzellen ab daran sind weiße Blutkörperchen beteiligt. Dem Abbau und Abräumprozess erfolgt der Erneuerung womit die Heilung eingeleitet wird.

      Dies alles können sie bei einem Schnupfen leicht an der Sekretabsonderung mitverfolgen. Bei Blasenentzündungen zeigen uns Teststäbchen wie hier auf diesem Diapositiv die Anzahl der weißen und roten Blutkörperchen und die der Bakterien an der Intensität der Verfärbung. Das Gleiche sehen wir im Mikroskop in den aufgefangenen Mittelstrahlurin. Im nächsten Bild sehen sie das Wachstum der Colikeime in einer Harnkultur zugleich auch ihre Empfindlichkeit gegenüber verschiedener Antibiotika. Aber ebenso wenig wie bei einem Schnupfen würde man sofort ein Antibiotikum verordnen. Erst bei einem Übergreifen auf Nebenhöhlen oder Bronchien sowie ein Anstieg der Körpertemperatur auf über 38.5 Grad- als grober Richtwert- läuten die Alarmglocken.

      Nicht anders bei einer Blasenentzündung. Der liebe Gott hat unsere Nieren mit einem Schutzmechanismus versehen vergleichbar mit dem Ventil in einem Fahrradreifen, an der Einmündung der Harnleiter in die Blase- er malte einen dicken Pfeil in seine Skizze. Dieser im anatomischen Aufbau komplizierte Tunnel verhindert, dass infizierter Urin in die Niere gelangt also den Rückfluss oder Reflux. Fehlt dieses Ventil von Geburt an wird es kritisch! Infizierter Urin gelangt in die Niere, Flankenschmerzen verbunden mit Fieber allen wohlbekannten Symptome.

      Um all dies zu verhindern entleeren Säuglinge und Kleinkinder ihre Blase bis zu zwanzig mal über Tag und nächtens bis die noch unreife Blase ihr endgültiges Fassungsvermögen erreicht hat. Damit schützt die häufige Entleerung 1. vor der Keimvermehrung im stehenden Gewässer er deutet erneut auf den schwarzen Strich in

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