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und sie mit teuren Klamotten versorge.“ Die versteckte Kritik scheint bei den Jungs nicht anzukommen, also fährt er fort: „Es ist gar nicht so schlecht hier, wenn du nur zu Besuch bist und viel Geld mitbringst; wenn das Geld aber ausgegeben ist, stehst du wieder alleine da.“

      „Ich wäre an deiner Stelle jedenfalls glücklich“, sagt Amadou entschieden.

      Sekou, der bisher nur schweigend dem Gespräch gefolgt ist, entschließt sich nun doch noch, daran teilzunehmen.

      „Was stört dich denn so an deinem Leben in Deutschland?“

      „Dass es kein Leben ist!", stößt Malik theatralisch jedes Wort betonend aus. Ibrahim, Sekou und Amadou signalisieren einmütig Verständnislosigkeit; deshalb fügt Malik etwas ruhiger hinzu: „Die westliche Zivilisation kennt nur Arbeit und den Konsum. Unsere Werte, unsere traditionellen Lebensweisen zählen dort nichts. Wir geraten in diese Mühle und werden langsam aber sicher von ihren Mahlsteinen zerrieben. Was bleibt, ist, wenn man Glück hat, ein Drecksjob zu sechs Euro 50 die Stunde.“

      „Ist doch klasse.“ Amadou triumphiert etwas zu euphorisch, um seinen Freunden mit ihrer Destruktivität gleich den Wind aus den Segeln zu nehmen. Aber Malik fährt unbeirrt fort: „Mein Leben ist zu einem Balanceakt zwischen zwei Welten geworden, und das ist eine anstrengende Sache. Ich versuche es allen recht zu machen, aber es ist nie genug. Stück für Stück werden mir in der westlichen Zivilisation die Wurzeln wie faule Zähne gezogen, bis ich irgendwann wie ein toter Baobab umfalle, haltlos und nirgendwo mehr richtig zu Hause.“ Er beugt sich mit eindringlicher Miene vor: „Versteht ihr, was ich meine?“

      Die Freunde versuchen, Maliks Alkoholfahne auszuweichen, indem sie ihre Oberkörper, soweit es geht, auf dem Hocker zurücklehnen. „Nein“, antwortet Amadou und verzieht angewidert das Gesicht, „ich will es auch gar nicht verstehen. Wenn es dir dort nicht gefällt, dann komm doch einfach zurück.“

      „Ihr habt keine Ahnung von dem Leben in Europa. Aber bevor wir weiterreden, gehe ich erst ‚mal pinkeln“, weist Malik Amadou zurecht und wurstelt sich schwerfällig von seinem Barhocker.

      Als er zurückkommt, wirkt er nüchterner, bestellt für alle noch einen Softdrink und nimmt das Gespräch da wieder auf, wo er es unterbrochen hatte. „So einfach, wie ihr euch das vorstellt, funktioniert die westliche Welt nicht. Ich kann nicht einfach wieder zurückkommen; jedenfalls nicht die nächsten 15 Jahre; ich habe dort einen drei-jährigen Sohn und einen hohen Kredit abzuzahlen.“ Übellaunig macht er eine Pause. Er hat schon viel zu viel gesagt. Wenn das im Dorf herumgetratscht wird, verliert er sein Gesicht und seine armen Eltern schämen sich für ihn.

      Hin und her gerissen zwischen dem Wunsch, sein Image als erfolgreicher Afrikaner mit den entsprechenden Insignien zu erhalten und dem Bedürfnis, endlich jemandem die Wahrheit zu sagen, entschließt er sich zu Letzterem. Vielleicht kann er damit diese netten Jungen vor allzu unrealistischen Vorstellungen und den mit Sicherheit daraus resultierenden Enttäuschungen bewahren.

      „Glaubt mir, die westliche Welt ist kompliziert, freudlos und kalt, ihr idealisiert sie zu Unrecht“, und kopfschüttelnd fügt er hinzu: „Das Paradies findet ihr dort nicht.“

      „Ich hab’s euch ja gesagt“, räsoniert Ibrahim, was Amadou gar nicht gefällt; er schnauzt seinen Freund von der Seite an:

      „Und wo hat Malik das Geld für sein Haus, sein Auto und das alles verdient? Doch wohl in Deutschland. So schlecht kann es da ja dann nicht sein.“

      „Na ja, wie man’s nimmt. Die Vorteile können sich sehr schnell zu Nachteilen entwickeln. Ihr seht jetzt nur das Haus, das ich hier baue, das Auto, mit dem ich herumfahre und die Geschenke, die ich mitbringe. Aber in Deutschland schufte ich von morgens bis abends sechs Tage in der Woche, um meinen Kredit abzubezahlen. Da ich einen festen Arbeitsvertrag habe, gab mir die Bank gerne Kredit. Sie ist bei der Vergabe auch nicht kleinlich; schließlich leben die davon, und das nicht schlecht. Die Zinsen, die ich zu zahlen habe, machen am Ende einen höheren Betrag aus, als der ganze Kredit. Das müsst ihr euch mal vorstellen! Ich werde die nächsten Jahre jeden Cent umdrehen müssen, bevor ich ihn ausgebe; mein ganzes Gehalt geht für Wohnen, Essen, meinen Sohn, Kredit abzahlen, Auto, Telefon und Unterstützung für zu Hause drauf. Da ist nichts übrig.“ Und leise fügt er mit gesenktem Kopf hinzu: „Wer weiß, wann ich meine Mutter wieder besuchen kann.“

      „Oh, das ist hart“, murmelt Ibrahim mitfühlend. Malik schaut ihn dankbar von unten herauf an. Er fühlt sich verstanden und fährt deshalb mit seinen Betrachtungen an Ibrahim gerichtet, fort.

      „Du denkst, du bist frei, wenn du ins Ausland gehst; dabei bist du nur ein argloses Tier in der Savanne, das die Falle im Elefantengras nicht sieht. Du denkst, Afrika ist weit weg, doch die Probleme von zu Hause holen dich ein, wo immer du auch hingehst. Sie sind permanent da und verlangen nach Abhilfe.“ Er macht eine Pause, wie um seiner nächsten Aussage noch mehr Wirkung zu verschaffen. „Du kannst dir nicht einfach ein schönes Leben in der Fremde machen.“

      Der Barkeeper wischt vor den Jungs den Tresen trocken und sein etwas seitlich geneigter Kopf lässt die Vermutung zu, dass er die Ohren spitzt. „Frag einen Afrikaner in Deutschland, ob er dort glücklich ist. Ich kenne keinen.“ Ruckartig hält er in seiner Tätigkeit inne und schaut Malik verblüfft ins Gesicht; Amadou schnalzt als Reaktion ärgerlich mit der Zunge. Er will so etwas nicht hören. Ihn interessiert an dem vorangegangenen Gespräch nur die Information, dass es einfach ist, von der Bank viel Geld zu bekommen.

      „Aber mit dem Kredit kommst du wenigstens zu was.“ Beifall heischend blickt er in die Runde. „Wenn du hier geblieben wärest, hättest du wahrscheinlich kein Haus bauen und kein Auto kaufen können. Vielleicht hättest du nicht einmal einen Job. Hier passiert rein gar nichts.“ Er verschluckt sich fast vor Aufregung, denn Malik hat doch alle seine Vorstellungen bestätigt. Das ist der Silberstreifen am Horizont, auf den er gewartet hat, seine Chance. Er muss nur zugreifen.

      Also bittet er Malik mit lässiger Handbewegung um dessen Adresse in Deutschland. Der durchwühlt seine Taschen und zaubert nach erfolgreicher Suchaktion stolz eine arg ramponierte, mit goldener Schrift versehene Visitenkarte zutage. ‚Produktionshelfer’ steht da drauf und zwei Telefonnummern. „Ich komm dann mal vorbei“, sagt Amadou betont cool und seine Hand zittert etwas, als er die Karte entgegennimmt.

      Ibrahim und Sekou ärgern sich über Amadou. Ihr Freund ist so besessen von der Idee, in einem europäischen Land sein Glück zu machen, dass sein Wahrnehmungsvermögen alles Kritische sofort ausblendet und nur die Informationen an sich heranlässt, die seinen Traum nicht gefährden. Wozu sollen sie noch mit ihm über Für und Wider einer Reise nach Europa diskutieren? Sie haben ihn bereits verloren. Jetzt gilt es, nur noch Schadensbegrenzung zu betreiben.

       Unlogische Konsequenz

      Auf dem Heimweg sind die drei Freunde damit beschäftigt, ihre aufgewühlten Gedanken zu sortieren. „Du hast nichts kapiert!“, bricht es heftig aus Sekou heraus. Ibrahim nickt bestätigend.

      „Aber, aber ihr müsst doch zugeben, dass er auch etwas Positives gesagt hat.“ Geradezu flehentlich schaut Amadou seine Freunde an.

      „Für mich hört sich selbst das Gute noch schlecht an“, meint Sekou; „ich möchte jedenfalls nicht der Gefangene eines Kredites sein.“

      „Ich doch auch nicht“, pflichtet Amadou ihm bei, „aber vielleicht verdiene ich ja als Künstler so viel Geld, dass ein Kredit kein Problem ist. Auf jeden Fall werde ich Tag und Nacht arbeiten, um das geliehene Geld zurückzuzahlen und um meinen Eltern ein sorgenfreies Leben zu ermöglichen.“

      Sekou und Amadou schauen Ibrahim an, der sich, seitdem sie das ‚Paradies’ verlassen haben, in zähes Schweigen hüllt. „Sag doch auch mal was dazu“, bettelt Amadou; und Sekou fügt hinzu: „ Du bist der Älteste und der Vernünftigste von uns Dreien, vielleicht hast du eine Idee, einen Rat für Amadou“.

      Abrupt bleibt Ibrahim stehen. „Wir werden alle drei fahren.“

      „Was??“, schreien Sekou und Amadou wie aus einem Mund auf.

      „Also,

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