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Sie waren im Religionsunterricht gewesen, aber da drehte sich alles nur um langweilige Gutelaunelieder und Pusteblumen. Es war wie überall: Der Unterricht bereitete einen nicht ausreichend für das Berufsleben vor. So mussten sie nun einsehen, dass sie nur mangelhaft ausgebildete Mönche waren.

      Der Mönch spielte ein aussichtsloses Spiel mit ihnen. Er bastelte sich einen Satz aus lateinischen Wörtern, indem er auf den Seiten mit dem Zeigefinger hin und her sprang, dass ihnen schwindelig wurde. Seinem Blick war zu entnehmen, dass es sich um eine Frage handelte.

      Die beiden Freunde taten gar nichts. Das schien ihnen das Beste.

      Der Mönch vergaß sich und hieb so heftig mit der Bibel auf den Tisch, dass der Faulzahnige aufschreckte und der Schreiber zusammenzuckte. Er fuhr sie auf seiner Muttersprache an, dann versuchte er es nachsichtiger auf Latein. Schließlich bemühte er sogar radebrechend die Sprache, die die Fischer gesprochen hatten. Ohne Ergebnis.

      Abermals ließ der Mönch die Bibel auf den Tisch sausen.

      Die beiden Freunde lächelten verlegen. Angstschweiß schoss aus allen Körperstellen in ihre Klamotten. Hätten sie nicht schon einmal das Leder einer Peitsche auf ihrer zarten Haut gespürt, wären sie vielleicht jetzt noch voller Zuversicht gewesen.

      Einmal mehr krachte der Einband der Bibel auf die Tischplatte.

      „Mit irgendwas ist er unzufrieden“, flüsterte Martin Benjamin zu.

      „Mit irgendetwas, das in der Bibel steht“, erwiderte dieser.

      Der Dicke zupfte sich an der kratzenden Halskrause.

      Dass der Mönch sich nach ein paar derben Flüchen nun mit dem Faulzahnigen beriet, war ein weiteres schlechtes Zeichen. Er schien ihn von etwas überzeugen zu wollen, gegen sie zu hetzen.

      Es war doch der Dicke, der am stärksten aus dem Mund stank. Das bemerkten sie, als dieser einen riesigen Rülpser fahren ließ und der Mönch auf Distanz gehen musste.

      Er ging nicht auf die Einflüsterungen des Mönches ein, sondern ließ sich von Benjamin nochmals das belebende Pulver verabreichen.

      Sofort danach machte er den Eindruck, als könnte er sich zu einer Entscheidung durchringen. Er gab den Soldaten Befehle.

      Ein letztes Mal versuchten die Freunde, das Unheil abzuwenden.

      Martin sprach ein paar Sätze auf Persisch. Er parlierte nicht mehr fließend wie zu seinen Zeiten als Eunuch, aber es würde ausreichen, um die Portugiesen, die dummerweise keine vernünftige europäische Sprache sprachen, die nicht im Sarg lag, von seiner Bereitschaft zur Verständigung zu überzeugen. Es hörte sich nach vollstem Harem an, schlimmster Unzucht, süßlichsten Düften. Er erzählte von Damen im Beisein von Herren, Beischlaf im Beisein von Eunuchen, Essen, Trinken, Parfums und Blumen.

      Die Portugiesen verstanden nur Hafen.

      Benjamin zog ihren letzten Trumpf. Inständig hoffte er, dass die Mongolen auch schon durch diesen Ort gezogen waren, als er das purste, reinste, edelste Mongolisch erklingen ließ, das er jemals aus eigenem Mund gehört hatte. Es hörte sich nach vollster Steppe an, tiefster Walachei, stinkendster Reiterei. Er erzählte von Kämpfern, Schlachten, Pferden, Pökelfleisch, Grassorten und hellen Frauenschenkeln.

      Die Portugiesen überboten sich gegenseitig in Unverständnis.

      Der Mönch gebot dem Schreiber, ein Schriftstück aufzusetzen. Dieser machte sich beim Verfassen beinahe in die Hose. Währenddessen aß der Dicke einen Braten, den einer seiner indischen Untergebenen im zweifarbigen Kostüm gebracht hatte. Dabei bekleckerte er seine Halskrause mit triefendem Fett.

      Nick und Mike, sauste es durch Benjamins Schädel.

      Martin dachte hingegen anders. Er dachte erst an Mike, dann an Nick.

      Der Geruch von Lammfleisch stieg den Freunden in die Nase und obwohl sie die Überreste toten Lammes verschmähten, bekamen sie so großen Hunger, dass ihnen klar wurde, wie schwächlich und erbärmlich sie den Portugiesen erscheinen mussten. Sie konnten sich kaum noch auf den Beinen halten, und es war nicht die Müdigkeit. Was auch immer jetzt geschehen würde, es wäre ihnen recht. Eine Henkersmahlzeit sollte dann aber drin sein. Wer wollte schon mit leerem Magen sterben?

      Immer wieder wechselten sie den Standfuß, so kraftlos waren ihre Glieder.

      Waren die Portugiesen wirklich in Indien, kramte Benjamin in seinem Geschichtsgedächtnis. Oder ist das eine stark abweichende Parallelwelt?

      Indien, dachte Martin nach. Ostindien oder Westindien? Und wo dort genau? Vielleicht sind wir aber auch den Indianern in Amerika.

      Der dicke, faulzahnige Gouverneur, Polizeichef, Bürgermeister oder sonstwas hatte fertig gegessen. Er erhob sich. Seine Masse hatte getäuscht: Zwar war er breit, aber, wie auch der Mönch und der Schreiber, kleiner als Martin. Was nicht hieß, dass er nicht jeden Inder in dieser Stadt überragte. Schnaufend kam er ganz nah in sie heran und betrachtete verwundert Benjamins blaue Augen. Er rieb sich den Bart, weitete die geröteten Augen. Dann ging er zur Betrachtung von Martins Sidecut über. Die Löckchen über den abrasierten Stellen schienen ihm sehr zu gefallen. Er sagte etwas in seinen Matschlauten zum Mönch, das wie schteile Wurschtsuppe klang.

      Daraufhin verlangte er die Herausgabe des Koks. Benjamin zog die Plastiktüte heraus, die der Dicke zuvor schon erstaunt begutachtet hatte. Dann täuschte er einen Niesanfall vor. Während der kurzen Verwirrung schüttete er sich den Großteil des Inhalts in die Handfläche. Anschließend lief er am Dicken vorbei und gab den Rest auf denTisch. Die Tüte stopfte er sich wieder in die Hosentasche und ließ das übrige Koks aus seiner Hand dort hineinrieseln.

      Zunächst zeigte der Dicke Unmut über diese forsche Aktion, dann aber machte sich Zufriedenheit auf seinem Gesicht breit. Er forderte den Schreiber auf, das Pulver in ein Gefäß zu geben. Der Angesprochene öffnete das Fenster, schüttete sein Tintenfass über der Gasse aus und spülte es mit einem Wasserkrug, der neben dem Tisch stand, aus. Dann schritt er verschüchtert zum Tisch und schob das Pulver mit zittriger Hand in das Tintenfass. Der Chef grunzte zufrieden und befreite den Hals von der Krause.

      Kann jemand nochmal das Fenster aufmachen, dachte Martin.

      Ich hab dich reingelegt, du Fettwanst, dachte Benjamin.

      Dann war leider schon die Zeit ihres Abschieds gekommen. Der Faulzahnige erteilte den Soldaten Befehle. Von denen packte sich jeder einen Zeitreisenden und beförderte ihn aus dem Zimmer. Widerstandslos ließen sie sich die Treppe hinunter- und zur Tür hinausbringen.

      Dort wurden sie getrennt. Doch statt ihre Panik zu schüren, nährte dies ihre Hoffnung. Überschwänglich verabschiedeten sie sich. Benjamin musste sich zusammenreißen, damit er seinem Freund keine Kusshand zuwarf.

      Diese Vorstellungsgespräche bringen gar nichts, dachte Martin. Das ganze Trara nur um festzustellen, dass wir kein Portugiesisch und kein Indisch können. Wir wären sowieso nie eingestellt worden.

      Diese Assessments sind überflüssig. In Persien das Gleiche. Die ganze Zeit wird man durchgeknetet und am Ende kriegt man den Job nicht, weil man zu wenige Praktika gemacht hat.

      Hoffentlich haben Nick und Mike versagt, dachte Martin mit einem zuversichtlichen Lächeln, als man ihn unsanft durch die Stadt schleifte und ihn dabei mit Tritten und Schlägen traktierte.

      Wie ich Nick und Mike kenne, waren sie zu faul, das Ding zu zerstören, dachte Benjamin mit einem Dauergrinsen im Gesicht, als man ihn zu einem nahe gelegenen Haus eskortierte.

      Martin befühlte spitzbübisch sein Handy.

      Benjamin umfasste sein Mobiltelefon mit einem Hochgefühl.

      Je länger sie sich nicht mehr sahen, desto wahrscheinlicher war, dass sie wieder in die Raumkapsel kamen.

      Das einzige, was ihre Stimmung trübte, war der ungetrübte Sonnenschein. Auch hier hatten die Menschen offenbar keinerlei Kenntnis von Wolken. Allerdings kam zur Sonne auch noch die Schwüle dazu. Persien erschien ihnen im Vergleich ein großartiges Urlaubsland zu sein.

      Beide

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