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Vom Tank 2 flog der Tankdeckel hoch mitsamt 6.000 Tonnen Öl. Zum Brand kam es nicht: Die Flammen wurden sofort erstickt. Da Öl jedoch Auftrieb hat, lief kaum etwas nach unten ins Wasser aus und wir setzten die Fahrt, eine geringe Ölspur hinterlassend, bis nach Rotterdam fort, wo das Schiff nach dem Löschen repariert wurde. Damals gab es noch kein so ausgeprägtes Umweltbewusstsein. Heute wäre so etwas kaum vorstellbar.“

      „Nach diesen beiden Tankern wollte ich mal einen Frachter sehen und bekam bei der Reederei Knöhr & Burchard als „Dritter“ mit der „RODENBEK“ einen Stückgutfrachter. Ich war zwei Tage im Hamburger Hafen an Bord, da fragte mich der Inspektor, ob ich nicht lieber als „Zweiter“ auf die „ISEBEK“, die in Genua lag, gehen wolle. Kurz entschlossen setzte ich mich auf die Bahn und fuhr nach Italien. Dort angekommen, war ich total enttäuscht. Ich hatte nicht gewusst, dass die ISEBEK ein Tanker war. Nach drei Monaten habe ich dann um Versetzung gebeten und fuhr wieder als „Dritter“ auf der „SCHÜRBEK“, die in Charter für die Holland-West-Afrika-Linien mit Wein, Bier, Autos, Stoffen und anderem Stückgut nach Freetown und Douala verkehrte. Dann ging ich als Bauaufsicht auf die „LASBEK“, die in Lübeck gebaut worden war und bei Stülcken in Hamburg die Restausrüstung bekam. Mehrfach war ich noch als Werftbesatzung eingesetzt, so auf der „MICHAEL M.“ und auf der „DALBEK“. Zwischendurch gab es Hafenablösedienst: Während der Hafenliegezeiten wurden die fahrenden Besatzungen ersetzt. Das waren noch herrliche Zeiten; da machte Seefahrt noch Spaß. Wir liebten Wein, Weib und Gesang. Überhaupt waren die frühen Jahre in der Seefahrt die schönsten. Die Liegezeiten von mehreren Tagen machten noch Landgang möglich. In arabischen Häfen, etwa in Djidda, wurde der Alkohol im Hafen sogar an Bord verboten und im Zollspind verschlossen. Wenn wir auf Reede lagen, um tagelang auf die noch nicht freie Pier zu warten, veranstalteten wir Bordpartys auf dem Achterdeck. Alles wurde mit Signalflaggen, Lampions und Girlanden geschmückt, wir zogen uns fein an, grillten und tranken einen guten Tropfen. Man sah noch etwas von der Welt. In jungen Jahren waren die Eindrücke noch überwältigend: die fremden Menschen, die Märkte, die Landschaften, die Cafés und Bars. Die exotischen Strände waren nicht wie heute mit Touristen übervölkert und gehörten weithin uns Seeleuten.“

      Beeindruckend fand Herbert vor allem die Naturerlebnisse an Bord. Bei der Linienfahrt nach Rotsee und Persergolf kam er oft durch den Suezkanal und erlebte dort mehrfach Sandstürme. „Da auf den meisten Strecken des Suezkanals Einbahnverkehr herrscht, fahren die Schiffe bis zum Bittersee und danach wieder im Konvoi. Die Kanaldurchfahrt dauert in der Regel 16 Stunden. Durch erfahrene Kapitäne oder Kanallotsen ist man je nach Windverhältnissen meistens vorgewarnt und macht irgendwo an Kanalpollern fest oder geht im Bittersee vor Anker, bevor der Sandsturm einsetzt, denn man hat keine Sicht mehr, auch Radar ist dann außer Gefecht. So ein Sturm kann bis zu 12 Stunden dauern. Der feine gelbe Staub dringt durch alle Ritzen. Türen und Fenster werden fest verschlossen, aber die Maschinen müssen weiterlaufen und brauchen bei Betrieb Frischluft, so dass auch der Maschinenraum mit einer gelben Schicht bedeckt wird. In der Regel herrscht bei solchen Stürmen eine Temperatur von 50° C im Schatten, aber die Wohnraumlüfter müssen abgestellt bleiben!“

      Gerne denkt Herbert auch an die Nordlandfahrten zurück, als er auf Linie nach Island und Norwegen unterwegs war. Stundenlang konnte er, in seinen warmen Parka gehüllt, an Deck auf einem Stuhl sitzen und im September oder Oktober abends das Wunder des Nordlichts bestaunen: Grüne Lichttürme bauen sich auf, werden immer größer, immer höher, gehen in gelb und rot über, werden dann ganz hell und brechen plötzlich in sich zusammen, um sich dann wieder neu aufzubauen. „Da konnte ich bis in die Nacht hinein sitzen und zusehen. - Oder wenn ich an die Mittsommernächte am Nordkap denke: Die rote Sonne stand nachts kurz über den Bergen und spiegelte sich glutrot in den Gletschern. Da mochte man gar nicht schlafen gehen. Die norwegischen Fischer winkten uns mit Fischen in der Hand zu und gaben dadurch zu verstehen, dass sie mit uns tauschen wollten: eine Wanne Fisch gegen eine oder zwei Flaschen Schnaps. Sie kamen dann mit ihrem Kutter längsseits. Wir warfen ihnen eine Schmeißleine zu und zogen daran den Fisch an Deck. Am selben Abend noch gab es dann frischen Bratfisch.“

      Herbert erinnert sich auch gerne an die Ausflüge auf Island: Mit einem gemieteten Landrover fuhren sie ins Landesinnere, wo man auch im Winter in den heißen Quellen, den Geysiren, baden konnte. Ob er denn auch auf Islandponys geritten sei? „Nein, aber wir haben einmal welche an Deck in abgepolsterten Containerboxen nach Norwegen transportiert. Der Bootsmann musste sie mehrmals am Tag füttern. Sie waren bei schlechtem Wetter recht nervös, fraßen aber trotzdem, woraus ich schließe, dass sie nicht seekrank waren.“ Als er aus Neufundland Fischöl für einen US-Hafen holte, sah er mehrfach Eisberge aus nächster Nähe: In 500 Metern Entfernung ragten sie 100 bis 300 m aus dem Wasser auf. Da man in der Maschine regelmäßig alle 15 Minuten die Seewassertemperatur messen musste, die bei Eisbergnähe immer schnell absank, musste - besonders nachts oder bei schlechter Sicht - sofort die Brücke benachrichtigt werden. Bei Winterfahrt in nordischen Gewässern schaffte es die Bordheizung oft nicht, die Kammern richtig zu erwärmen, wenn an der Isolierung des Schiffes gespart worden war. Da konnte es dann schon passieren, dass die Anzugjacke im Spind an der Bordwand von der Kondensfeuchtigkeit steifgefroren war.

      „Mitte der 70er Jahre waren wir auf der Fahrt nach Israel im Mittelmeer unweit von Cartagena, als uns in der Maschine eine Treibölleitung brach. Durch einen Turbolader wurde komprimierte Luft in den Zylinder geblasen und dabei auf über 120° C erwärmt. Das Öl aus der gebrochenen Leitung verdunstete und vermischte sich mit der heißen Luft im Maschinenraum. Wir drei Leute der Maschinenbesatzung konnten uns noch rechtzeitig aus der Maschine flüchten, bevor sich der blaue Dunst entzündete. Von Deck aus konnten wir dann durch Fernschaltung die Tanks schließen, die Motoren stoppen, die Türen und Lüftungsklappen des Maschinenraumes hermetisch abriegeln und Kohlensäure (CO2) hineinblasen, so dass die Flammen erstickt wurden. Der aus Aluminium gefertigte Turbolader war geschmolzen und unbrauchbar geworden. Wir konnten jedoch den Hafen von Cartagena mit reduzierter Geschwindigkeit mit eigener Kraft erreichen und dort mit Bordmitteln die aus Hamburg per Luftfracht herbeigebrachten Ersatzteile selber einbauen. Nach drei Tagen war der Schaden behoben.

      Auf der „REINBEK“ fuhr Herbert in Charter für die K.N.S.M. siebzehn Monate in die Karibik, nach Mittel- und Nordamerika.

      Als „Zweiter“ arbeitete er auf einem britischen Schiff, der „ALVA CAPE“ und umrundete in neun Monaten einmal die Erde: Rotterdam - Texas - zurück über den Atlantik und durch den Suezkanal nach Persien, Indien, Singapur, US-Westküste: Seattle, San Francisco - Panama - Texas.

      Bei „Hörnchen“, der kleinen Hornlinie, machte Herbert eine Reise auf einem Kühlschiff: Auf der Elbe wurde bei Stadersand Dynamit geladen. Das war gefährliche, aber gut bezahlte Ladung. Es durfte nur in vorgeschriebenen Räumen geraucht werden. Ein Teil davon wurde auf den Azoren bei der US-Army gelöscht. „Die machten hohe Sicherheitsauflagen. Man durfte kein Eisen unter den Schuhen tragen: Es könnte zum Funkenschlag kommen. Als wir in Libyen und in Djibouti im Golf von Aden den Rest löschten, kümmerte sich niemand um Sicherheit: Die Kisten wurden geworfen. Es passierte aber auch nichts. Mit leerem Schiff ging es nach Freetown in Sierra Leone, wo wir auf Reede von japanischen Fischdampfern vorgefrorenen Thunfisch übernahmen, der bei uns an Bord tiefgefroren und nach Venedig gebracht wurde. In Freetown gerieten wir gerade in die Unabhängigkeitsfeiern. Das Freibier floss in Strömen, und besonders die Norweger deckten sich reichlich damit ein. In Tunesien luden wir Zitronen für Odessa. Dort kam der russische Lotse total voll Wodka an Bord, und wir landeten an einem völlig falschen Liegeplatz. Im Schwarzen Meer liefen wir dann Constanza in Rumänien an, um Rinderhälften für Lissabon zu übernehmen. Portugiesische Häfen waren damals bei uns Seeleuten sehr beliebt: Die Kneipen waren gemütlich und die Frauen schön. So kamen wir alle reichlich spät an Bord zurück. Der Alte sagte zunächst gar nichts. Auf See ließ er dann jeden einzeln antanzen und fragte ganz ruhig, was man sich denn dabei gedacht habe. Dann brachte er uns dazu, dass wir freiwillig eine Geldbuße von 15 $ in das Schiffchen der DGzRS spendeten. Solche Vorgesetzten fand man nicht jeden Tag.“

      Zwischendurch arbeitete Herbert ein Jahr lang an Land bei M.A.N. Als er kündigte, um wieder zur See zu fahren, äußerte sein Chef: „Das habe ich geahnt, es ist immer dasselbe: Seeleute sollte man gar nicht erst einstellen, die hauen doch alle wieder ab.“

      Von

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