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vertröstet man mich, wenn ich mich um einen neuen Job bewerbe oder winkt ab, wenn man mein Alter hört.“

      1968 wohnte er zum ersten Mal im Seemannsheim am Wolfgangsweg in Hamburg. Ab 1972 stieg er bei Landaufenthalten immer wieder im Seemannsheim am Krayenkamp ab. Das Seemannsheim war jahrelang sein letzter Halt. Hin und wieder konnte er im Hafen einen kleinen Job finden, ansonsten musste er von Sozialhilfe leben. Seine Gesundheit hat sich zwar wieder stabilisiert, aber ein Schiff ist nicht mehr zu finden: „Die suchen jetzt Jüngere und möglichst zu Billigheuern aus Fernost. Da gibt es keine Chancen mehr für mich mit meinen 50 Jahren.“ Eines Tages konnte der Heimleiter ihm einen kleinen Aushilfsjob vermitteln. Jemand hatte an seinem Privathaus einige Malerarbeiten zu verrichten. Aus dem Zweitageengagement wurde ein Dauerarbeitsplatz in seinem alten Beruf. Er konnte in ein nahegelegenes Männerwohnheim ziehen und sich dort sein kleines Zimmer nach seinen Bedürfnissen einrichten. Hin und wieder kommt er noch zum Frühstück oder zu einem Schnack mit Kollegen in das Restaurant des Seemannsheimes.

      Kabinensteward auf Passagier- und Frachtschiffen

      Michael Borkowski, ein honoriger schwergewichtiger Riese, bezieht als Endfünfziger inzwischen vorgezogenes Altersruhegeld und verdient sich als Pförtner und Wachmann bei einer Lagerfirma im Hamburger Hafen einige Mark hinzu. Michael fuhr sein Leben lang zur See: 35 Jahre, zunächst im Decksdienst und dann im Bedienungsbereich an Bord vieler Schiffe.

      Er wurde im Mai 1935 in der Reichshauptstadt Berlin geboren, 1943 wegen des Bombenkrieges nach Bayern evakuiert und besuchte später in Königsfeld im Schwarzwald die Oberschule der Herrnhuter Brüdergemeinde. Danach machte er eine Lehre als Koch und Kellner und schloss die Hotelfachschule mit Erfolg ab. Da er die Pfannendämpfe nicht vertrug, riet ihm der Berufsberater-Arzt, nach Norddeutschland zu gehen. Daraufhin fing er 1953 in Hamburg mit dem dreimonatigen Besuch der Schiffsjungenschule im Altonaer Seemannsheim unter dem legendären Seemannspastor Kieseritzky und Bootsmann Zahl - „dem kleinen Giftzwerg“ - mit der Seefahrt an. In der Küstenschifffahrt begann er auf einem 175-Tonner aus Finkenwerder mit zwölfmonatigem Decksdienst als Schiffsjunge. Anschließend war er in der Großen Fahrt bei der Levante-Linie als Kochsmaat tätig, später bei der Stinnes-Reederei als Messesteward. „Man sah, dass ich was konnte und übertrug mir mit den Worten: „Zeig mal, was du kannst“, die Aufgabe des 1. Steward, als dieser plötzlich krank wurde. Es folgten drei Jahre bei der Holland-Amerika-Linie auf den Linien-Passagierschiffen „ROTTERDAM“, „STATENDAM“ und „NEU-AMSTERDAM“ auf Fahrt zwischen Rotterdam und New York.

      „Wir waren mit 480 bis 500 Mann Besatzung an Bord. Als Kabinensteward war ich im Service, im Speisesaal, an der Bar und zuletzt als Zahlmeister-Assistent tätig.“ 1956 ging er auf die Privatyacht des Dr. Oetker, der „RAVENSBERG“ und machte zwei große acht- bis zehnmonatige Reisen mit: zuerst Südafrika - Chile und dann eine Reise in die Südsee. „Die Reisen dienten Geschäftsanbahnungen. Wir hatten lange Liegezeiten. Es wurden viele Parties gegeben. Man unternahm auch Safaris.“ - „Ich hatte damals meistens 14 bis 18 Monate Fahrtzeit.“ Michaels längste Fahrzeit betrug 27 Monate: Auf der „AMAZONAS“ der Reederei Detjen fuhr man zwischen Marseille und Westafrika auf der Hinreise Stückgut und zurück Edelholz. „In der Zeit ging auch meine Ehe in die Brüche, was eigentlich auch nicht ausbleiben konnte. Als ich zurückkam, war ein anderer da!“ Seitdem wohnte er seit 1965 bis 1988 als Stammgast bei Hamburgaufenthalten im Seemannsheim am Krayenkamp. Später bewohnte er um die Ecke eine eigene schöne Wohnung und kam noch häufig zum Frühstücks-Klönschnack mit Kollegen ins Seemannsheim.

      Es folgte ein Job als 1. Steward mit Passagieren an Bord bei der Reederei Bruns mit Fahrtgebiet Ecuador. Bei Reederei Llaeisz fuhr er danach in Charter für die Standard Fruit Company im Mittelamerikadienst. Dabei lernte er in Honduras seine zweite Frau kennen. Während der Seefahrt hatte er erst Englisch und später auch Spanisch gelernt. Anfangs verständigten wir uns mit Händen und Füßen. Ein Kapitän, der während des Krieges in Südamerika interniert gewesen war, erteilte uns an Bord den ersten Spanischunterricht. Heute spreche ich perfekt spanisch.“ 1970 blieb er in Honduras an Land und machte sich in La Ceiba mit einem Restaurant selbständig. Es lief alles recht gut, bis 1974 ein Hurrikan wütete und das ganze Land zerstörte: 10.000 Tote, sein Lokal „total abgesoffen“. Er richtete es notdürftig wieder her, kam aber geschäftlich nicht wieder auf die Beine. 1976 kam er nach Deutschland zurück und fing bei der Hamburg-Süd auf der „CAP SAN LORENZO“ wieder als 2. Steward an. Als er keine Aufstiegschancen sah, wechselte er als 1. Steward zu Reederei Bornhofen und war dort auf drei Schiffen, zunächst auf der „LUISE BORNHOFEN“. Die Reederei ging pleite. Danach musterte er auf der „NEUENBURG“ bei Barthold Richters an. Er hatte wieder Pech: Das Schiff wurde wegen Werftschulden in Rostock an die Kette gelegt. Er blieb für 8½ Monate mit einigen weiteren Seeleuten als Notbesatzung an Bord und lernte dadurch Rostock zu DDR-Zeiten kennen. „Als wir merkten, dass der Umgang mit den Stasi-Miezen im FDGB-Seeleute-Interclub zu heikel war, mieden wir den Club.“

      Nach kurzfristiger Arbeitslosigkeit vermittelte ihm das Arbeitsamt eine Stelle bei Ahrenkiel. Dort fuhr er noch von 1981 bis 1988, zunächst auf der „CALEDONIA“. 1986 kamen auch dort die ersten Ausflaggungen und ausländischen Besatzungen. „1988 kam dann auch für mich das Aus!“ „Am schönsten war die Seefahrt für mich in der Südamerika-, Ostasien- und Nordatlantik-Passagierfahrt bis etwa 1965. Damals waren die Hafenstädte noch interessant. Wir kamen auf unsere Kosten und hatten noch unser Vergnügen. Die meisten Seeleute blieben zwar in der nächsten Hafenkneipe und wankten dann besoffen an Bord zurück. Aber ich unternahm mit dem Linienbus oder per Sammeltaxi, in Mittelamerika „Kollektivos“ genannt, Ausflüge bis zu 50 und 100 km die Berge hoch ins Landesinnere, probierte einheimische Kost, hatte dabei auch schon mal Darmverstimmungen, aber lernte dabei Land und Leute kennen. - Dann kamen die ersten Container auf und damit der große Wandel in der Schifffahrt.“

      Seinen Lebensabend verbringt Michael jetzt wieder in Honduras.

      Otto, der Lebenskünstler

      „Nennen Sie mich „Otto, der Schräge“ oder „Otto, der Weltenbummler“ oder auch „Otto, der schlaue Jude“, das trifft alles auf mich zu.“ - Das erste Mal kam Eberhard Otto im Sommer 1991 zu uns ins Seemannsheim und fiel gleich durch seine Kontaktfreudigkeit und Quirligkeit auf. Jeden spricht er sofort an und redet dann meistens in der Muttersprache des Gegenübers ohne Pause wie ein Wasserfall auf ihn ein. Als Zuhörer ist man sich nie sicher, ob man es mit Dichtung oder Wahrheit, mit Seemannsgarn oder echten Abenteuern zu tun hat. Sein Sprachgenie scheint es zu bestätigen, dass er von den Erzvätern Israels abstammt: „Ich spreche fließend deutsch, englisch, französisch, spanisch, italienisch, portugiesisch, griechisch, hebräisch, jiddisch und etwas polnisch und russisch, obwohl ich nur wenige Jahre Schulbesuch genießen konnte. Überhaupt war die Schule nicht mein Fall. Meine Sprachkenntnisse habe ich mir im Kollegenkreise an Bord der Schiffe und in den Ländern angeeignet, durch die ich gekommen bin.

      Im Juni 1936 wurde ich von einer jüdischen Mutter namens Dolecek in Breslau geboren. Sie lebte unverheiratet mit meinem Vater, einem reisenden Händler, zusammen. Im jüdischen Kulturkreis ist immer die Mutter am wichtigsten für die Prägung des Kindes und ausschlaggebend für die religiöse Erziehung. Etwa eine Woche nach meiner Geburt wurde ich beschnitten. Meine Eltern wurden 1942 verschleppt. Ich habe nie wieder etwas von ihnen gehört. Mit etwa sieben Jahren kam ich zu katholischen Pflegeeltern, die mich später adoptierten und mir ihren Namen Otto gaben. Warum ich die Nazijahre in Deutschland überleben konnte, weiß ich nicht, vielleicht habe ich die düsteren Erlebnisse verdrängt. Überhaupt habe ich wenige Erinnerungen an meine frühe Kindheit. Durch die turbulenten Ereignisse am Ende des

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