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strömt ihnen entgegen. Rings um die Kneipentische mit rot-weiß karierten Papier-Deckchen und kargem Blumenschmuck unterhalten sich angeregt Männer und Frauen eher älteren Alters mit leuchtenden Augen und roten Nasen. „Ob das schon unsere Kursteilnehmer sind?“, denkt Maggie. „Wow, dann sind wir ja echt die Youngster hier!“ Die ganze Situation kommt ihr immer unwirklicher vor und passt so gar nicht in ihr Bild vom Inseltraum Sylt. „Egal, erst einmal in unsere beiden Häuschen einchecken, schlafen und dann alles auf uns zukommen lassen.“ Luna hat längst im Plausch mit dem Wirt die Schlüssel und eine kleine Wegbeschreibung organisiert und winkt zum Abmarsch. Maggie ist ihrer Freundin dankbar, dass sie mit ihrem Organisationsgeschick die Situation in die Hand genommen hat.

      Über endlos lange schmale Pfade kämpfen sich die beiden schwer bepackt die dunkle Dünenlandschaft hoch. Der Wind heult laut. Dazwischen mischt sich das Tosen der Brandung.

      „Huch, wo sind wir denn jetzt, schau mal“, erschrickt Maggie. Nun hebt auch Luna, die immer stärker keuchend ihren tonnenschweren Koffer hinter sich herzieht, den Kopf. „Ach, das muss die Brandstelle sein.“ Sie bleiben stehen und betrachten eine Bauruine. Schemenhaft bilden sich einige verschonte Mauerreste vor dem Nachthimmel ab. Eine Glocke ziert scheinbar unversehrt die Reste vom Dach. Es riecht noch immer verkohlt und doch wiegt sich eine große alte Kiefer, vom Feuer völlig unversehrt, sanft im Wind hin und her. So nah an dem verbrannten Gebäude ein gesunder Baum?

      „Interessant. Interessant!“, murmelt Luna fasziniert. Ihre bedingungslose Neugierde, der Sache auf den Grund zu gehen, ist geweckt. „Was denn? Wir wissen doch, dass der Speisesaal hier gebrannt hat. Ich erinnere mich sogar noch an das Foto in der Zeitung“, entgegnet Maggie. „Aber schau' doch nur der Baum. Der hat überhaupt gar nichts abbekommen“, antwortet Luna mit Nachdruck. Sie einigen sich darauf, diesem Phänomen am nächsten Morgen unbedingt mehr Aufmerksamkeit zu widmen.

      Es kommt ihnen dann noch unendlich lang vor, bis sie schließlich erschöpft und völlig durchnässt ihre Häuschen ‚Mars’ und ‚Venus’ im Dünenparadies erreichen.

      Yoga-Urlaub ohne großen Luxus. Die reduzierte Formel dieser einmalig urigen Unterkunft hatte sie am Ende ihrer Urlaubsplanung überzeugt. Natur pur, Yoga unmittelbar am Meer, umgeben von Dünen und den Kräften der Natur. Die in den Unterlagen angekündigte einfache, aber gemütliche Unterbringung war ihnen angenehm puristisch und ein bisschen romantisch vorgekommen. Doch nun, in der dunklen Ankunftsnacht, werden sie, nass geregnet und ziemlich übermüdet, das Gefühl nicht los, jeder für sich allein in einer engen, Gartenlauben ähnlichen Behausung schlafen zu müssen und dem Universum vollkommen schutzlos ausgesetzt zu sein.

      Noch während sie sich ihrem Selbstmitleid hingeben, geht plötzlich in dem gegenüber der Venus liegenden Häuschen ‚Oktopus’ das Licht an. Karierte Gardinen an einem kleinen Sprossenfenster werden zugezogen, doch das Fenster bleibt einen Spalt breit auf.

      „Hör mal, was ist das denn?“ Luna und Maggie schauen sich erstaunt an, als sie dem Lummerlandlied der Augsburger Puppenkistenlied „Eine Insel mit zwei Bergen“ lauschen. „Luna, Luna, wo sind wir hier bloß gelandet? Hat uns die Taxifahrerin vielleicht doch am Mutter-Kind-Kurheim abgesetzt? So ein Mist! Hätten wir doch einen Wellnesstempel auf Mallorca gebucht“, jammert Maggie und gibt sich einer Portion Ärger, gemischt mit Selbstmitleid hin. Statt einer Antwort drückt Luna Maggie liebevoll und gibt ihr zum Abschied noch ein paar Räucherstäbchen in die Hand: „Mach’s dir noch gemütlich. Bis morgen dann.“ „Ok. Gute Na-hacht“, Maggie schaut Luna noch einen kleinen Moment lang etwas verloren hinterher.

      „Gottlob, die Heizung funktioniert. Und ein Telefon! Ich kann Kontakt zur Außenwelt herstellen“, seufzt Maggie erleichtert, nachdem sie ihr Häuschen aufgeschlossen und das Licht angeknipst hat, denn wie in den Unterlagen angekündigt, herrscht in der Dünenwelt des Seminarzentrums tatsächlich kein Handyempfang. Die lange Anreise im Zug, die skurrile Taxifahrt ins Nichts, die Haussuche, die merkwürdigen Gestalten im Glashaus und dann auch noch die komische Musik im Nachbarhäuschen. Wild kreisen die Gedanken in Maggies Kopf, während der Wind laut und tosend durch die dunkle Sturmnacht um ihr Häuschen heult.

      Sie war es schließlich gewesen, die die faszinierenden, jetzt erst recht paradiesisch wirkenden Reiseziele der Freundin sogleich mit ihrer rationalen Argumentation ausgebremst hatte. Zu teuer, zu weit weg, zu gefährlich. Pah! Das hatte sie nun davon. Blieb zu hoffen, dass Luna ihr nicht allzu große Vorwürfe machen würde.

      Brav folgt Maggie der Anweisung ihrer Freundin und will es sich mit den Räucherstäbchen noch gemütlich machen. „Mist, kein Feuerzeug!“ Maggie schimpft und flucht. „Kein Feuerzeug, keine Atmosphäre“, seufzt sie, steigt rasch in Jogginghose und warmen Socken ins Bett und lässt sich erschöpft vom Schlaf übermannen.

      Sehnsucht

      Für die kreative Luna gibt es nirgendwo auf der Welt eine Unterkunft, die nicht mit wenigen Accessoires und im Handumdrehen zu einem typischen ‚Luna-Zuhause’ gemacht werden kann. Für Sylt hatte sie von langer Hand geplant und liebevoll aber wirklich alles in Meeres-Blau eingepackt. Am Ende eines langen Tages endlich in ihrem 1-Frau-Haus angekommen, freut sie sich nun, endlich ihren tonnenschweren Koffer auspacken zu dürfen und es sich für die Woche auf Sylt hier so richtig gemütlich zu machen. Ein paar Teelichter, farbenfrohe Handtücher, das eigene Schafwoll-Kuscheloberbett, Bettwäsche von ihrer holländischen Lieblingsdesignerin, ein paar Bücher, eine feine Auswahl Räucherstäbchen und natürlich ein Bild von ihrem Pferd Stardust.

      Mit wenigen gezielten Handgriffen hat Luna alles arrangiert und damit im Handumdrehen aus dem spartanischen Gartenhäuschen ein heimeliges Holzhaus-Ressort mit Wohlfühlgarantie gezaubert. Alles harmoniert wunderbar in verschiedenen Blautönen miteinander. Begeistert klatscht sie in die Hände. So würde es die Hütte jetzt sicher in jede Hochglanz-Country-Style-Gazette schaffen. Zu ihrer Freude stellt sie dann fest, dass das Bett mit dem Kopfende genau richtig in Richtung Norden zeigt, den Magnetfeldlinien der Erde folgend. Einem erholsamen Schlaf steht also nichts im Weg. Luna atmet tief durch. Geschafft. Angekommen!

      Mit dem Duft eines echt japanischen Räucherstäbchens schläft sie immer besonders gut ein. Für den ersten Abend wählt Luna Suzukaze, was übersetzt ‚flüsternder Wind’ heißt und die Luft mit Sandelholz, Vanille, Zimt und Narde erfüllt. Luna ist bereit für die erste erholsame Nacht in ihrem Dünenparadies-Häuschen.

      Das denkt sie jedenfalls. Doch kaum liegt sie im Bett, muss sie zu ihrer eigenen Überraschung plötzlich feststellen, dass sie noch gar nicht müde ist. Hmmmm....und jetzt? Die mitgebrachten Bücher interessieren sie gerade herzlich wenig. Das ist ihr noch nie passiert. Das Abtauchen in Fantasybücher, Vampirromane oder Thriller ist ein fester Bestandteil ihres Lebens. Nun liegt sie einfach so da. Ohne Buch. Ihr wird bewusst, wie still es plötzlich ist. Luna legt eine Hand auf ihr Herz, die andere auf ihren Bauchnabel und horcht mit geschlossenen Augen in sich hinein. Sie kann sich nicht erinnern jemals eine so pure Stille und Ruhe gespürt zu haben. Das weckt sogleich die Sehnsucht nach mehr. Luna fühlt sich, als ob sie seit Jahren keinen solchen Moment der Ruhe erlebt hat.

      Aber wie kann das sein? Bei ihr zuhause ist es doch auch ganz ruhig. Gemeinsam mit ihrem Mann, zwei Katzen und Hund lebt sie in einer traumhaften Dachgeschosswohnung auf einem restaurierten alten münsterländischen Gräftenhof. Die absolute Traumwohnung. Von jedem Fenster Blick ins Grüne. Keine Autos. Kein Stadtlärm. Käuzchen und Rehe und ab und zu die Geräusche von Wind und Regen. Sonst hört man dort nichts.

      Luna horcht weiter in sich hinein und spürt, wie weich und entspannt ihre Hände sich anfühlen. Die Wärme ihres Körpers fühlt sich fast fremd an. Überhaupt fühlt es sich ganz ungewohnt an, sich selbst so intensiv zu spüren.

      „Ja“, denkt sie, „ich habe mich unendlich lange selbst nicht mehr richtig gespürt.“ Langsam dringt das Rauschen des Meeres zu ihr vor. Einem plötzlichen Impuls folgend steht sie wieder auf, zieht sich rasch ein paar Sachen an, greift nach der warmen Jacke und der Taschenlampe und verlässt ihr Häuschen. Obwohl der Mond noch lange nicht voll ist, weist sein Licht Luna den Weg zum Meer. Am Strand angekommen macht sie es sich im Schneidersitz im Sand bequem. Wie herrlich! Es gibt nur sie und das gleichmäßige Kommen und Gehen

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