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Hugo Wietholz – ein Diakon des Rauhen Hauses – Autobiographie. Jürgen Ruszkowski
Читать онлайн.Название Hugo Wietholz – ein Diakon des Rauhen Hauses – Autobiographie
Год выпуска 0
isbn 9783847686811
Автор произведения Jürgen Ruszkowski
Жанр Документальная литература
Издательство Bookwire
Wir trugen uns mit großen Plänen, die im nächsten Jahr erfüllt werden sollten. In meinem Beruf lief die Arbeit auf Sparflamme. So hatte ich hier für die Jugendarbeit viel Zeit. Abends traf ich oft mit Hermann zusammen, um mit ihm Pläne und auch Probleme zu diskutieren. Wenn wir Geld hatten, gingen wir in Groß-Borstel ins Cafe, saßen da in einer Ecke und tranken eine Tasse Kakao. Wie es so bei jungen Menschen ist, es gab ja so viele Probleme, die gelöst werden mussten.
Meine Mutter war immer erstaunt über meine abendlichen Aktivitäten. In der Woche hatten wir mit den Älteren unsere Bibelstunden und am Sonntagnachmittag unsere Versammlung mit Vorträgen und Berichten von Tagungen und Reisen. Der Verein mit seinen verschiedenen Abteilungen wuchs und blühte.
Dann kam für mich ein Schlag. Hermann traf eine Mädchengruppe in der Breitenfelderstraße und verknallte sich in eins der Mädchen so doll, dass unsere Freundschaft in die Brüche ging. Wie wir hörten, verlobte er sich noch, doch dann platzte diese Verlobung. Für unsere Abteilung war er verloren, er ging seine eigenen Wege. Viel später kam er mal zu uns in der Horner Landstraße zu Besuch. Er hatte geheiratet, aber vom CVJM wollte er nicht mehr viel wissen, warum, das konnte ich nicht herausfinden. Dann habe ich nichts mehr von ihm gehört, bis ich in der Zeitung seine Todesanzeige las.
In meinem Beruf war in der Zeit mit Arbeit nicht viel los. Oft saß ich in der kalten Werkstatt und wartete auf Aufträge. Manchmal waren es in der Woche nur 15 Stunden, die ausbezahlt wurden. Mein Mittagbrot war in der Kälte so gefroren, dass ich die Brotscheiben über der Gasflamme auftaute.
Mutter muss schon gezaubert haben, um mit dem wenigen Geld über die Runden zu kommen. Mit meiner Schwester hatten wir auch Erziehungsschwierigkeiten. Mutter litt unter dem Verlust des Ehemanns, und ich selber hatte meine Probleme und die Aufgabe mit der Jungschar. So konnten wir Mariechen in ihrer Entwicklung nicht verstehen und darum auch nicht helfen.
Der harte Winter 1928/29 ging vorüber. Es waren viele Frostschäden entstanden, verstopfte Abflüsse und eingefrorene Wasserleitungen. Dadurch hatten wir wieder mehr Arbeit und ich brachte mehr Geld nach Hause.
Als Pfingsten kam, rüstete der CVJM Esplanade zu einem Jungmännertreffen in Stuttgart. Eine Gruppe von uns durfte dabei sein. Ich bekam ein paar Tage Urlaub und fuhr mit dem Generalsekretär Stoelzner nach Stuttgart zur großen Tagung. Auf dem Marktplatz war das Treffen der vielen jungen Männer aus ganz Deutschland. In Stuttgart besaß der CVJM ein großes Vereinshaus mit einem Wohnheim für junge Männer. Das Haus hatte sogar ein eigenes Schwimmbad und ein eigenes Kraftwerk. Auf dem Dach des Hauses war in großen Buchstaben die Losung der Tagung zu lesen: „Wir sollen Gott fürchten und lieben.“
Wir Hamburger wurden in Privatquartieren untergebracht. Ich wohnte bei einer Familie Thierfelder in Feuerbach. Es waren sehr liebe Leute, wir verstanden uns prächtig. Zum Abschluss der Tagung, ging es nach Degerloch zu einem Waldcafe mit einer großen Wiese. Hier sprachen dann Männer aus dem Verband des weltweiten CVJM. Ein älterer Herr mit Namen Elsässer rief uns zu: „Junge Männer, nehmt aus unseren Händen die Kreuzesfahne und tragt sie weiter ins deutsche Volk.“ Nach der Schlusskundgebung war eine Schwarzwaldwanderung vorgesehen. So zogen wir dann mit unserem Leiter durch den Schwarzwald und besuchten das Monbachtal mit seiner romantischen Umgebung. In Freudenstadt machten wir Quartier und von dort ging es zur Ruine Hohen-Urach. Zum Abschluss besichtigten wir das Heidelberger Schloss und sahen dort im Keller das große Fass. An der Wand hing ein Kasten, wenn man an dem Griff zog, kam ein Fuchsschwanz herausgeschossen und konnte einen schon erschrecken. Von dieser erlebnisreichen Fahrt sind wir froh nach Hamburg zurückgekehrt und hatten daheim viel zu erzählen.
Der CVJM Eppendorf machte weitere Fortschritte. Oft gingen wir mit einer großen Schar auf Heidefahrt. Es war eigenartig, zu der Zeit hatten wir einen großen Zulauf von Jungen und jungen Männern. Die Jungschar war auf über 50 Jungen angewachsen.
Der Wunsch wurde laut, doch einmal draußen im Zelt zu schlafen. In der Nähe des Flughafens fand ich ein passendes Waldgelände. Dicht dabei war ein Bauernhof, denn wir brauchten Wasser zum Abkochen. Heute hat der Flughafen das ganze Gebiet geschluckt. Die ganze Meute zog also los. Als Zeltmaterial hatten wir Dachpappe mitgenommen. Aus Holzstangen machten wir ein Gerüst, worauf die Dachpappe kam. Die Jungen waren begeistert. Abends lagen wir am Lagerfeuer, und es wurden Geistergeschichten erzählt. Wasser holten wir beim Bauern aus einem Soot, wo das Wasser in einem tiefen Loch gesammelt wurde. Für unsere Verpflegung hatten wir Brote von zu Hause mitgenommen. So kochten wir nur Kaffee. Solche Fahrten haben wir oft unternommen, dann aber nicht mehr mit Dachpappe. Es gab eine Möglichkeit, uns bei Serchinger in der Bachstraße Zeltbahnen zu leihen. Am Montag mussten diese in ordentlichem Zustand wieder zurück gebracht werden, was immer viel Zeit kostete.
Im Herbst starteten wir die erste Herbstfahrt in meinem Leben, später kamen noch viele dazu. Bei Maschen hatte ich ein Heim der Veddeler Gemeinde ausfindig gemacht. Ein Diakon Unverricht war auf diesem Grundstück, Reiherhorst, der Hausvater. Auf dem Gelände stand eine große Baracke mit Waschraum. Dazu gab es ein paar kleine Hütten. Die Küche war in einem festen Bau untergebracht.
Wir waren eine nette Gruppe, die auch äußerlich erkennbar war, durch die grünen Fahrtenhemden mit dem grauen Halstuch. Wir streiften durch die Gegend, einmal nahm uns der Bauer auf seinem Tankwagen mit. Zum Mittag mussten die Jungen Kartoffel schälen und beim Kochen des Essens helfen. Kein Tag verging ohne ein biblisches Wort mit Auslegung. Auch wurde kräftig gesungen.
In der Jugendabteilung ging es auch interessant zu. Für den Sonntag hatten unsere Leiter meistens einen Redner verpflichtet. Einmal war es ein Sachse, der uns mit seinen Geschichten mächtig zum Lachen brachte. Ein anderes Mal berichtete uns ein Vikar Hennig, von seinem Japanaufenthalt. Besonders beeindruckte uns, als er uns erzählte, wie sie den Vulkan Fudschijama auf männliche Weise gelöscht hätten.
Dann kam eines Tages ein Stadtmissionar mit Namen Zeising, der prima aus dem Erzgebirge erzählen konnte. Seine Geschichten hatten Fortsetzungen, und so saß dann wieder einmal der Zeising vor uns und plauderte lustig darauf los. Als er fertig war, sagte er: „Ich bin der Bruder von dem, der vorher hier war.“ Sein Bruder war krank, und er war für ihn eingesprungen. Es waren Zwillinge, und sie glichen sich wie ein Ei dem anderen. Wir hatten nichts gemerkt. Später in der Martinskirche entdeckte ich, dass die Zeisings Diakone des Rauhen Hauses waren und einer von ihnen um 1888 hier Dienst getan hatte.
Jetzt planten wir ein Ferienlager auf dem Schäferhof und der CVJM gab uns einen Zuschuss, damit viele mitkommen könnten. Wir hatten eine schöne Gruppe aus Eppendorf zusammen. Natürlich war es für alle ein großes Erlebnis, nicht nur all die Spiele und das Baden. Man war auch erstaunt über die große Schar, die sich morgens um das Wort Gottes versammelte.
Für die Regentage gab es ein mit Stroh ausgelegtes Tummelzelt. Außerdem hatten wir Glück, einen besonderen Mann vom Reichsverband der Jungmännerwerke zu bekommen. Der Jungschar-Onkel Horch war ein lustiges Haus, der hatte tolle Scherze auf Lager und konnte Geschichten erzählen, so dass die Jungen nicht genug bekommen konnten. Natürlich gab es auch die berühmten Speergefechte und abends am Lagerfeuer Geistergeschichten. Mit meiner Eppendorfer Gruppe gab es noch eine kleine Panne, einige hatten sich daneben benommen, was natürlich wieder ausgebügelt werden musste.
Sonst war es eine erlebnisreiche Zeit. Unsere Jungschar wuchs und wuchs. Wir schafften eine Wanderkluft an, dazu eine Kopfbedeckung. Unsere Gruppe konnte sich schon sehen lassen.
Im Volksheim war unser Bleiben nicht mehr angebracht. So suchte Georg Andresen ein neues Quartier und hatte Glück. Im Lokstedter Weg fand er in der Villa von Fräulein Bertoh eine Unterkunft. Wir konnten uns dort