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      VORREDE

      Der Prophet Samuel beweinte den König Saul, obschon er wußte, daß Gott ihn verschmäht und verworfen hatte, ihn und die Zeit seines Königtums in Israel. Das war wegen seiner Hoffart, und weil er Gott ungehorsam war und jenem Propheten an Gottes statt.

      - Man liest aber auch in den Evangelien, dass die Jünger den Herrn baten für das heidnische Weib aus Kanaan, dass er sie entließe, d. h. dass er ihr Begehren erfülle, weil sie nach ihm rief. - So möchte auch ich sagen, dass wir alle die betrogenen Menschen beweinen müssen, die sich einbilden Könige zu sein in Israel, weil es ihnen dünkt, sie seien über andere gute Menschen erhaben durch ein hohes schauendes Leben, und die dabei doch hoffärtig sind und mit Wissen und Willen Gott, dem Gesetz, der heiligen Kirche, und allen Tugenden ungehorsam sind.

      Und so wie Saul den Mantel des Propheten Samuel abriss, so bemühen sie sich, die Einheit des christlichen Glaubens, aller wahrhaften Lehren und tugendhaften Lebens zu zerreißen. Verharren sie dabei, so werden sie geschieden und ausgeschlossen von dem Reich des ewigen Schauens, gerade so wie Saul vom Reiche Israel. Das demütige Weiblein von Kanaan aber, obschon sie eine Heidin und Fremde war, glaubte und hoffte auf Gott, bekannte und beichtete seine Kleinheit vor Christus und seinen Aposteln: und deshalb empfing sie Gnade, Gesundheit, und was sie begehrte. Denn den Demütigen erhebt Gott und erfüllt ihn mit allen Tugenden; und dem Hoffärtigen steht Gott entgegen, und ein solcher bleibt leer von allem Guten.

      Kurze Wiederholung der höchsten Lehren.

      Seht, ich habe also gesagt: daß der schauende Liebhaber Gottes mit Gott vereinigt sei durch Mittel, und auch ohne Mittel, und drittens ohne Differenz oder Unterschied. Und das finde ich in der Natur, in der Gnade, und auch in der Glorie. Ich habe ferner gesagt, dass keine Kreatur so heilig sein und werden könne, dass sie ihre Geschaffenheit verlöre und Gott würde. Auch die Seele unseres Herrn Jesus Christus wird ewig Kreatur bleiben und ein ande¬res als Gott. Nichts desto weniger müssen wir alle über uns selbst in Gott erhoben sein und ein Geist mit Gott in Minne, wenn wir selig sein sollen. Merkt euch darum meine Worte und meine Meinung und verstehet recht wohl, wie die Weise und der Zugang zu unserer ewigen Seligkeit ist.

      Einigung durch Mittel.

      Ich sage nun zunächst, dass alle guten Menschen mit Gott durch Mittel vereint sind. Dieses Mittel ist die Gnade Gottes und die Sakramente der heiligen Kirche, die göttlichen Tugenden, Glaube Hoffnung und Liebe, und ein tugendhaftes Leben gemäß den Geboten Gottes; dazu gehört, dass man den Sünden und der Welt absterbe, wie auch aller ungeordneten Lust der Natur. Dadurch bleiben wir der heiligen Kirche, d. i. allen guten Menschen vereint, und mit diesen sind wir Gott gehorsam und eines Willens mit ihm, gleichsam wie ein richtiges Kloster mit seinem Vorsteher vereint ist. Ohne diese Vereinigung aber kann niemand Gott wohlgefallen, noch erhalten bleiben. Wer diese Einigung durch die genannten Mittel bis zum Ende seines Lebens behält, von dem spricht Christus im Evangelium Johannis zu seinem himmlischen Vater: „Vater, das ist mein Verlangen, dass wo ich bin auch mein Diener sei, damit er sehen möge die Herrlichkeit, die du mir gegeben.“ Und an einer anderen Stelle sagt er, dass seine Diener sitzen sollen bei dem Gastmahl (d. h. im Reichtum und der Fülle der Tugenden, die sie gewirkt haben), und er werde von einem zum anderen gehen und sie bedienen mit seiner Glorie, die er errungen hat. Die Glorie wird er freiwillig allen seinen Lieben schenken und offenbaren, und jedem einzelnen besonders (mehr oder weniger, je nachdem er dessen würdig ist und es fassen kann) die Erhabenheit seiner Glorie und seiner Ehre, die er allein durch das Verdienst seines Lebens und seines Todes verdient hat.

      Und Christus wird, seiner Menschheit nach, über allen Heiligen und über allen Engeln stehen, als ein Fürst aller Glorie und Ehre, die seiner Menschheit allein über allen Kreaturen gebührt. Seht, nun werdet ihr verstehen, dass wir mit Gott durch Mittel vereinigt sind, sowohl hier in der Gnade als auch dort in der Glorie. Es ist aber großer Unterschied und Verschiedenheit in diesen Mitteln; das gilt sowohl vom Leben als auch von der Belohnung, wie ich euch gesagt habe. Sankt Paulus verstand dieses wohl, da er bat und verlangte, seines Leibes entledigt und mit Christo vereinigt zu sein; er sagte aber nicht, dass er selbst Christus oder Gott sein wolle, wie manche ungläubige, verkehrte Leute tuen, welche behaupten, sie hätten keinen Gott, sondern seien sich selber so abgestorben und mit Gott vereint dass sie Gott geworden seien.

      Von verkehrten müssigen Menschen.

      Sehet, solche Leute sind vermittelst simpler Vereinfachung und natürlicher Neigung in die Nacktheit ihrer Wesenheit eingekehrt, und infolgedessen dünkt es ihnen, daß das ewige Leben nichts anderes sei, als ein bestehender seliger Zustand, ohne Unterschied in Ordnung, Heiligkeit oder Lohn. Ja, manche sind so irr, daß sie sagen, dass die Personen in der Gottheit vergehen werden und in der Ewigkeit nichts anderes bleiben werde, als die wesentliche Substanz der Gottheit; daß alle seligen Geister so einfach mit Gott in die einfache Seligkeit eingekehrt sein werden, daß sonst nichts mehr bleiben werde, weder Wollen noch Wirken, noch unterscheidende Erkenntnis von etwas Kreatürlichem. Sehet, diese Menschen sind in der unthätigen, blinden Einfachheit ihres eigenen Wesens verirrt, und suchen das SeIigsein in der bloßen Natur.

      Sie sind dermaßen einfach und unthätig mit dem nackten Wesen ihrer Seele (welchem ja Gott von Natur aus stets innewohnt) verbunden, daß sie weder Eifer noch Streben zu Gott haben, sei es von außen oder von innen. In dem höchsten Teil jedoch, wo sie sich eingekehrt halten, fühlen sie nur die, in Gottes Wesen bedingte, Einfachheit ihrer eigenen Wesenheit. Und die simple Einfachheit, die sie da besitzen, halten sie für Gott, weil sie darin natürliche Ruhe finden. Und deshalb meinen sie, daß sie im Grunde ihrer Einfachheit Gott seien, derweil ihnen wahrer Glaube, Hoffnung und Liebe fehlen; und wegen der nackten ledigen Untätigkeit, die sie fühlen und besitzen, sagen sie, sie seien ohne Kenntnis, ohne Minne und unbeeinflusst von Tugend. Sie bemuühen sich demgemäß zu leben, ohne auf das Gewissen zu achten, ob sie gleich Böses tun.

      Sie achten nicht auf die Sakramente, auf keine Tugend und auf keine kirchliche Uebung, und vermeinen, das alles nicht nötig zu haben, im Wahne, darüber hinaus zu sein. Nur unvollkommene Menschen, sagen sie, brauchten solches. Manche Menschen sind in dieser Vereinfältigung so eingerostet und eingelebt, dass sie so wenig wissen und beachten wollen, welche Werke Gott je vollbracht und was alle Schriften lehren, als wenn- nie eine Zeile geschrieben worden wäre. Sie meinen eben, dasjenige gefunden zu haben und zu besitzen, um dessentwillen alle Schriften geschrieben seien, nämlich ihre blinde wesentliche Ruhe, die sie fühlen.

      In der That haben sie aber Gott verloren und alle Wege, die zu ihm führen können, denn sie haben ja nicht mehr Innerlichkeit und Andacht und heilige Übung als ein totes Tier. Es kommt aber auch vor, dass sie zu den Sak¬ramenten gehen, und Stellen aus der heiligen Schrift anführen, um sich desto besser beschönigen und decken zu können; dazu wählen sie aber aus der Schrift dunkle Worte, die sie fälschlich in ihrem Sinne drehen können, um anderen Menschen zu gefallen, und diese auf die Seite der falschen Ledigkeit zu ziehen, die sie fühlen.

      Sehet, diese Leute meinen scharfsinniger und weiser zu sein, als irgend jemand anders, und trotzdem sind sie die plumpsten und rohesten die leben; denn was selbst Heiden und Juden und schlechte Christen, gelehrte und ungelehrte, durch natürliche Vernunft finden und verstehen, nicht einmal dazu können und wollen diese elenden Menschen kommen. - Vor dem Teufel könnt ihr das Kreuz machen, aber hütet euch ernstlich vor diesen verkehrten Menschen, und beobachtet sie scharf in ihren Worten und Werken.

      Sie wollen lehren und von niemand Lehre annehmen, tadeln und von niemand getadelt sein, befehlen und niemand gehorchen. Sie wollen andere drücken, aber von niemandem gedrückt sein, wollen reden, was sie Lust haben, aber keine Widerrede dulden; sie kennen nur den eigenen Willen und sind niemandem unterthan: und das halten sie für geistliche Freiheit. Sie üben Freiheit des Fleisches, denn sie gewähren dem Leib, ewas ihm gelüstet; und das halten sie für Freiheit der Natur. Sie haben sich geeint in einer blinden dunklen Ledigkeit ihres eigenen Wesens, und meinen daselbst mit Gott eins zu sein, und halten das für die ewige Seligkeit. Dahin sind sie eingekehrt und das haben sie mit Eigenwillen und natürlicher Neigung in Besitz genommen, und um dessentwillen meinen sie über dem Gesetz, über den Geboten Gottes und der heiligen Kirche zu stehen. Sie fühlen ja über der wesentlichen Ruhe, die sie besitzen, nichts von

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