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Anders als bei ihnen, oder den großen Seeschiffen der Sachsen, wurde der Boden aus einer Reihe platt nebeneinanderliegender Planken gebildet, an die die Bordwand kastenförmig ansetzte. Viel Raum bei wenig Tiefgang, aber sicher nicht geeignet für eine Wettfahrt oder schweres Wetter.

      Ordulf half dem Fährmann und seinen zwei Jungen, die Fähre in die Strömung zu rudern. Da das Wasser gerade stieg, trieb sie nur sehr langsam mit dem Strom, und der Fährmann nutzte sein Ruder geschickt, um die Fähre in Richtung des Keydinger Ufers zu lenken. Die Sonne brannte vom Himmel und die Ælf strömte ruhig dahin.

      „Jetzt müsst ihr noch einmal an die Ruder und pullen“, rief der Fährmann plötzlich. „Wir treiben gefährlich nahe an den Krudt Sand heran. Bei unserer schweren Ladung setzen wir gleich auf, auch wenn der größte Teil schon überschwemmt ist.“

      Ordulf und einer der Bauern griffen zusammen mit den Söhnen des Fährmanns gehorsam nach den Riemen.

      „Das wird dir auch nicht mehr lange erspart bleiben, wenn wir erst bei Hengist und den Schiffen sind“, rief Ordulf seinem Bruder zu, der Hilda am Zügel hielt und keinerlei Anstalten machte, mit anzupacken. Doch Swæn zuckte nur gelangweilt die Schultern und strich gedankenverloren über das Fell seines Rosses.

      Als die Sonne bereits im Zenit stand, erreichten sie das Keydinger Ufer. Beim Entladen schienen zwei der Nordermarscher ebenso erleichtert wie Hilda und die Bullen, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.

      „Thunær sei Dank!“, rief der eine und zog einen Eisendolch aus seinem Gürtel. Den warf er im hohen Bogen als Dankesopfer in die langsam strömende Ælf.

      „Hab Dank für die gute Überfahrt, Wogenglätter!“, pflichtete ein weiterer Nordermarscher bei und schleuderte eine Silbermünze hinterher.

      Swæn, Ordulf und die übrigen Bauern standen andächtig still, als die Fluten die Dankesopfer gierig verschlangen.

      Plötzlich raschelte es hinter ihnen im Gebüsch. Ordulf fuhr herum. Eine Schar von fünf oder sechs Bewaffneten brach mit drohend gesenkten Lanzen aus dem Dickicht. Die Dithmarschen zogen ihre Saxe und bildeten sofort einen Halbkreis vor der Fähre.

      Der größte der Fremden, vermutlich ihr Anführer, musterte die Dithmarschen misstrauisch.

      „Was wollt ihr hier in Keydingen?“, fragte er schroff.

      „Wir treiben unsere Bullen zum Markt“, erwiderte der Anführer der Nordermarscher erstaunt und verärgert zugleich. „Empfängt man in Keydingen neuerdings so seine Gäste?“

      „Von euch Bauern will ich nichts. Aber was ist mit den zweien dort?“, wandte sich der große Keydinger unwirsch an Swæn und Ordulf. „Handelsgut habt ihr keines dabei, oder wollt ihr zum Pferdemarkt?“

      „Wir wollen zum Lager Hengists in Haduloha“, beeilte sich Swæn zu erklären.

      Der Keydinger sah ihn scharf an. „Wie ist dein Name?“, fragte er.

      „Swæn vom Geschlecht der Swænen aus Dithmarschen“, erwiderte Swæn stolz.

      „Das dachte ich mir“, knurrte der Keydinger. „Ihr seid landesflüchtige Räuber und Verräter. Man hat uns vor euch gewarnt.“ Bei diesen Worten winkte er seinen Männern, die grimmig die Lanzen auf die Brüder richteten.

      Swæn und Ordulf waren wie vom Donner gerührt. Als freier Sachse konnte man die Gaugrenzen nach Gutdünken passieren. Aber noch bevor Swæn etwas erwidern konnte, stellte sich einer der Bauern mit gezogenem Sax schützend vor ihn.

      „Überleg dir gut, mit wem du Hader anfängst. Wir Dithmarschen halten zusammen“, sagte er ruhig. Seine Begleiter nickten grimmig und auch der Fährmann nahm zwei Speere aus dem Boot und reichte sie schweigend seinen Söhnen.

      „Wir haben nichts gegen euch Dithmarschen“, beeilte sich der Anführer der Keydinger zu erklären. „Aber diese zwei sind Verbrecher, die bei euch gesucht werden. Swæn, so war doch der Name? Und die Beschreibung passt haargenau.“ Er schaute Bestätigung heischend zu seinen Männern.

      Ordulf erholte sich vor seinem Bruder von dem Schreck. „Was sagt ihr da über uns?“, fragte er und seine Hand schloss sich so fest um den Griff des Saxes, dass die Knöchel weiß hervortraten.

      Sein Bruder hatte wohl das unterschwellige Brodeln in Ordulfs Stimme bemerkt. „Wir sind freie Männer und haben uns nichts zuschulden kommen lassen“, erklärte er rasch und griff nach Ordulfs Arm. „Wer hat etwas anderes behauptet?“

      „Die Swænen sind in Dithmarschen als gute, freie Männer bekannt, wenn auch etwas jähzornig vielleicht“, pflichtete ihm einer der nordermarscher Bauern bei. Sein besorgter Seitenblick streifte Ordulf.

      Der Keydinger wurde unsicher. „Vor einer Woche kam eine Gruppe Krieger aus Dithmarschen vorbei, die uns von ein paar landesflüchtigen Räubern berichteten, auf die man in Dithmarschen ein Kopfgeld ausgesetzt hätte. Swænen, würden sie heißen, wie Sch…“ Er hatte offensichtlich „Schwein“ sagen wollen, hielt das Wort aber gerade noch rechtzeitig zurück. „Wir sollten uns in Acht nehmen, möglicherweise hätten sie das Land Dithmarschen auch noch gar nicht verlassen.“

      „Was waren das für Männer?“, fragte Ordulf und überhörte die nicht ganz ausgesprochene Beleidigung.

      „Ebbingemannen nannten sie sich und auch sie wollten sich Hengist anschließen“, antwortete einer der bisher schweigsamen Keydinger Krieger. „Wenn ihr wirklich auch dorthin wollt, könnt ihr das ja untereinander regeln.“

      „Ja, am besten ihr geht direkt dorthin“, pflichtete ihm sein Anführer bei, froh eine Lösung gefunden zu haben, ohne sich mit den Dithmarschen schlagen zu müssen. „Nehmt den alten Weg am Moor entlang. Dort hinauf über Wörden und am Dösemoor entlang bis zur Oste.“ Dabei wies er mit der Hand den Weg. „Aber seht zu, dass ihr Keydingen noch heute verlasst, wir wollen hier keinen Ärger“, fügte er nach einer kurzen Pause drohend hinzu, eher um sein Gesicht zu wahren, als dass es ihm etwas bedeutete.

      Swæn und Ordulf warfen den Bauern, deren Landmannstreue sie gerade gerettet hatte, noch einen dankbaren Blick zu und zogen schleunigst ihres Weges. Die finsteren Blicke der Keydinger brannten ihnen im Nacken.

      „Was für eine Gemeinheit von diesen hinterhältigen Kerlen!“, schimpfte Ordulf.

      „Ja, ein ziemlich übler Streich“, pflichtete ihm sein Bruder bei. „Wenn nicht die Bauern bei uns gewesen wären, hätte es schlimm ausgehen können.“

      „Wenn ich die erwische, kommen sie nicht so einfach davon“, schimpfte Ordulf weiter.

      Trotz Mittagshitze und dem Heer von Fliegen, welches aus den nahen Mooren aufstieg, um sie zu peinigen, marschierten die Brüder ohne Pause. Schließlich, als der Mond schon hoch am Firmament stand, erreichten sie endlich die Oste. Hier mussten sie die Ebbe erwarten. Sobald das Wasser sank, wateten sie eilig über die durch eingeschlagene Pfähle bezeichnete Furt ans andere Ufer. Damit überschritten sie endlich auch die Gaugrenze nach Haduloha, und da Mitternacht bereits verstrichen war, getrauten sie sich nun die Augen für einige Stunden zu schließen.

      Am folgenden Morgen führte der Weg auf die Geest hinauf. Kiefern und Birken standen auf dem sandigen Boden und bald verschluckte ein lichter Wald die beiden Wanderer. Nach einer weiteren Gehstunde lichteten sich die Bäume und sie traten auf freies Feld hinaus. An einer kleinen Geestsiedlung wies ein junger Mann den Brüdern den Weg nach Beufleet und bald ließen Swæn und Ordulf die sandige Geest hinter sich und stiegen in die fruchtbare Marsch hinab. Schon von weitem kündigten mehrere Rauchfahnen, die vor ihnen in den tiefblauen Himmel stiegen, ihr Ziel an. Swæn und Ordulf folgten einem festen Weg am Wasserlauf entlang, den der junge Geestler als Beufleet bezeichnet hatte.

      „Sieh mal, ob der Weg hier abgeht?“, fragte Ordulf seinen Bruder, als er ein paar frische Hufspuren entdeckte, die den schmalen Fleet kreuzten.

      „Nur ein einzelner Reiter“, urteilte Swæn mit gefurchten Brauen. „Der Junge hat doch gesagt, wir sollten dem Fleet bis an die Ælf folgen.“

      Und tatsächlich

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