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Ein Häufchen Glück. Lenja Uhrich
Читать онлайн.Название Ein Häufchen Glück
Год выпуска 0
isbn 9783752959048
Автор произведения Lenja Uhrich
Жанр Сделай Сам
Издательство Bookwire
„Die Schlümpfe!!!“ rief er und warf seine kleinen Ärmchen in die Luft.
„Du möchtest an die Playstation?“ Julia war es sehr wichtig, seine Sprache zu fördern und ihm beizubringen, sich besser auszudrücken.
„Ja, spiel mit mir die Schlümpfe. Bitte.“ Sie wollte ihn einfach nur drücken, sich mit ihm vor den Fernseher hocken und sein Lieblingsspiel zocken. Sie empfand das Spiel trotz der FSK 0 Angabe noch zu schwer und schnell für ihn, aber Luka liebte es. Es war ein “Jump and Run”- Spiel und wenn er mal nicht weiter wusste oder seine Schwester an der Reihe war, schaute er mit Begeisterung den kleinen, blauen Männchen zu. Mittlerweile hatten sie ‚Die Schlümpfe’ schon sooft gespielt, dass Julia den Ton abdrehen musste, sonst würde ihr die Melodie noch den letzten Verstand kosten.
Es fiel ihr immer sehr schwer, ihrem Bruder etwas abschlagen zu müssen. Aber manchmal gewann die Verantwortung und Verstand über ihre Teenager-Trotzeinstellung.
„Hör mal, mein Süßer. Heute habe ich einen schulfreien Samstag, da habe ich den ganzen Tag Zeit für dich. Und im Moment ist so ein schönes Wetter. Sollen wir nicht zuerst auf den Spielplatz gehen?“ Die Ärmchen fielen schlaff herunter, sein strahlendes Gesicht verwandelte sich in ein Regengesicht. Schnell sagte sie: „Und später holen wir uns ein Eis.“ Schwupp, die Sonne ging wieder auf.
E
ine halbe Stunde später machte sich ein fünfzehnjähriger, rebellischer und rotzfrecher Teenager, mit einem kleinen Jungen an der Hand, auf den Weg zum Spielplatz. Dieser lag in einem Park, der wunderschön, schon beinahe kitschig war. Viele meterhohe Kastanienbäume konnten dort ungestört Jahr für Jahr wachsen. Ein See mit Trauerweiden an den Ufern, viele Sitznischen und vor allem noch mehr Platz zum Spielen für Familien und Toben mit den Hunden waren vorhanden.
Der in blau, rot, orange und grün gekleidete Luka war eine laufende Farbexplosion neben seiner Schwester, mit schwarzer Jeans und grauem T-Shirt. Als der kleine Junge den umzäunten Spielplatz sah, rannte er los. Julia ließ ihn davon stürmen. Sie schlenderte gemütlich zu einer Bank, genoss die Sonnenstrahlen und beobachtete ihren Bruder, der schon mit einem Freund um die Wette schaukelte.
Jetzt, wo sie relaxt war, einige Häuserblöcke und der Park zwischen ihr und zu Hause lagen, musste sich Julia eingestehen, dass ihre Faulheit ganz schön unverschämt war. Hatte ihrer Mutter einen Saustall von Badezimmer hinterlassen und die Küche war ein Chaos gewesen. Nein, die feine englische Art war das nicht. Sie tröstete sich halbherzig damit, dass sie sich mit Luka beschäftigte und ihre Mutter für ein paar Stunden Ruhe vor ihnen hatte. Zwar hatte sie Julia nicht darum gebeten, aber so konnte sie doch in Frieden an Salzklumpen malen und basteln, ohne gestört zu werden oder sich in einen Streit verwickeln zu lassen. Ja, dachte Julia, so ist es doch ein schöner Samstag für uns alle geworden. Gerade wollte sie sich die Kopfhörer überziehen, als ein wahnsinnig lautes Geräusch sie aus ihren zusammenreimten Entschuldigungen riss und furchtbar zusammenzucken ließ. Es klang halb nach einem verzerrten Schrei und halb nach einer Blechtröte. Es war auf jeden Fall laut und alle Kinder und Erwachsenen schauten sich nach diesen komischen Lauten um. Diese Schreie gingen ihr durch Herz und Bein. Julia stand auf, drehte sich im Kreis und versuchte herauszufinden, was oder wer diese verzweifelten Rufe von sich gab. Sie konnte nichts entdecken und auch alle die anderen Parkbesucher zuckten nur mit den Schultern und sahen sich fragend an.
Dann ging Julia einige Schritte weg von der Bank auf den See zu. Sie sah einen Schwan. Er taumelte aus dem Wasser, sah aus, als ob er betrunken wäre und schwankte auf die Wiese.
Sie rannte durch das Eingangstor zum Spielplatz. Blieb bei ihrem Bruder stehen und hockte sich hin.
„Luka, du bleibst hier auf dem Spielplatz. Ich komme auf jeden Fall und hol dich ab. Ein Tier ist verletzt und ich muss ihm helfen. Versprich, dass du mir nicht hinterher rennst. Bleib hier, bis ich wieder da bin. Versprich es mir!!“
„Gehen wir danach Eis essen?“, war die kindliche Antwort. Wie schön war es doch, erst sechs Jahre alt zu sein. Die Gelassenheit und Ruhe in Person, mit der Aussicht und dem Versprechen auf eine Mörderportion Spaghettieis. Sie hätte Luka gerade alles versprochen.
Mit Angst und dem Gefühl von Hilflosigkeit rannte Julia zu dem Schwan. Der schrie immer noch, als ob er Todesqualen durchlitt. Man konnte beobachten, wie der linke Flügel hektisch flatterte, aber der rechte hing leblos und abgeknickt am weißen Körper.
Mit einem großen Abstand hatten sich mittlerweile viele Leute um das arme Tier versammelt. Sie waren anscheinend genauso rat- und hilflos wie Julia.
Aus einem Instinkt heraus, vielleicht hatte sie auch mal davon gehört oder gelesen, riss sie einem Pärchen eine große Picknickdecke unter ihren Hintern, Gläsern und Tellern weg. Alles flog durch die Luft und die beiden schrien ihr Schimpfwörter hinterher, die sie nur zu gut kannte. Aber es war ihr egal. Sie rannte mit der Decke zu dem Schwan.
Julia versuchte beschwichtigend und sanft auf ihn einzureden. Sie wollte ihm die Decke überwerfen. Das war in ihrem Kopf irgendwie mal hängen geblieben. Tiere konnten leichter zur Ruhe kommen, wenn sie nichts mehr sehen konnten. Aber alleine war das nicht zu schaffen. Keiner der Gaffer machte auch nur Anstalten zu helfen. Julia war verzweifelt, panisch. Da hörte sie jemanden rufen.
„Ich kann dir helfen.“ Sie drehte sich um und sah einen Jungen, der drei Hunde an ihren Leinen festhielt.
„Ich helf dir, du musst aber bitte meine Jungs festhalten. Sonst kriegt der Schwan noch mehr Angst.“
Julia lief zu ihm rüber, nahm die Leinen fest in die Hand und drückte dem Jungen die Decke in die Hand. Er zögerte keine Sekunde und sagte noch schnell: „Mit Leckerchen geben sie Ruhe.“ Und schon flog Julia ein Beutel an den Kopf. Sie setzte sich, streichelte die Hunde, die allesamt auf den Beutel schielten und fing an zu weinen. So eine Stresssituation kannte sie nicht und wollte sie nicht noch einmal erfahren müssen.
Der Dalmatiner legte seinen Kopf auf ihren Schoß, der Mops und ein undefinierbarer Mischling platzierten sich um sie und ließen es sich schmecken. Julia beobachtete, wie sich der Junge klein machte, immer weiter auf den verletzten Schwan zuging. Dann wartete er ein paar Sekunden, bevor er sich weiter an ihn näherte. Er schaffte es tatsächlich, die Decke über das geschockte Tier zu werfen und dann kamen endlich einige der feigen Weicheier zur Hilfe. Sie schafften es, den Schwan zu fixieren und hielten ihn vorsichtig an den Boden gedrückt. Julia sah, wie der fremde Junge sein Handy ans Ohr hielt, kurz redete und dann zu ihr rübergeeilt kam.
„Ich habe im Tierheim angerufen. Ich kenne da einige Leute und sie holen den Schwan gleich ab. Ist alles in Ordnung mit dir?“ Julia schniefte, wischte sich nicht besonders Lady like über die Nase und nickte. Die Hunde blieben entspannt neben ihr liegen und guckten von einem zum anderen.
„Ich muss aber mal kurz rüber zum Spielplatz. Da wartet mein kleiner Bruder und ich will ihn nicht noch länger unbeaufsichtigt lassen. Meinst du, deine Hunde kommen mit mir? Dann warten wir alle dort hinten.“
„Klar, schieb ihnen nur ab und zu einen Hundekeks in den Mund und sie werden dir nicht von der Stelle rücken. Ich geh wieder schnell zum Schwan, bevor diese Idioten ihn noch ersticken.“ Er lächelte ihr zu und verschwand zu seiner Rettungsmission.
L
uka hatte sein Versprechen gehalten und wartete, das Gesicht durch den Zaun gepresst und die Hände fest um die Absperrung geklammert. Er sah aus, als wäre er ein Insasse in einem Kindergefängnis. Als er Julia zurückkommen sah, drei Hunde im Schlepptau, war seine Geduld verständnisvollerweise am Ende. Er war ganz aus dem Häuschen. Tätschelte, knutschte und fütterte seine neuen Freunde. Es waren wirklich die freundlichsten und liebsten Hunde, die Julia jemals gesehen hatte. Trotz der vielen fremden Hände und dem Stimmengewirr blieben sie gelassen. Ließen alles über sich ergehen und waren Julia eine große Stütze, wieder runterzukommen, ihre Panik in den Griff zu bekommen.
„Darf ich sie behalten? Komm wir gehen nach