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jene Geheimpapiere hätte abpressen lassen.

      Als Sie, Herr Tarzan, ihren Plan durchkreuzten, versuchten die Menschen meinen Namen statt den des Grafen zu beschmutzen. Als Pawlowitsch in meine Kabine eindrang, erklärte er mir ihr Vorhaben. Wenn ich ihnen die gewünschte Auskunft verschaffen wollte, versprachen sie, nichts weiter zu tun; andernfalls sollte Rokoff, der draußen stand, einen Steward benachrichtigen, daß ich mich mit einem andern Mann hinter der verschlossenen Türe meiner Kabine abgäbe. Er drohte, es jedem zu sagen, dem er auf dem Schiffe begegnete, und bei unserer Landung wollte er die ganze Geschichte den Journalisten erzählen.

      War das nicht schrecklich? Nun wußte ich aber zufällig etwas über diesen Herrn Pawlowitsch, das, wenn es der Polizei von St. Petersburg bekannt geworden wäre, ihn in Rußland an den Galgen gebracht hätte. Ich drohte ihm, dort Anzeige zu erstatten, und dann beugte ich mich zu ihm und flüsterte ihm einen Namen ins Ohr. Da sprang er mir – und dabei machte sie eine Bewegung mit dem Finger – wie ein Verrückter an die Gurgel, und hätte mich erwürgt, wenn Sie nicht eingegriffen hätten.

      Die Scheusale! rief Tarzan aus.

      Sie sind nicht bloß Scheusale, mein Freund, sagte sie, es sind wirkliche Teufel. Ich fürchte für Sie, weil Sie sich deren Haß zugezogen haben. Ich bitte Sie, ständig auf Ihrer Hut zu sein. Sagen Sie mir, daß Sie mir zuliebe vorsichtig sein wollen, denn ich könnte es nie vergessen, wenn Sie meinetwegen Ungemach erleiden müßten.

      Ich fürchte die beiden nicht, antwortete er. Ich habe schon grimmigere Feinde überlebt als Rokoff und Pawlowitsch.

      Er sah, daß sie von dem Vorfall in der Maule-Straße nichts wußte, und er sagte auch kein Wort davon, um sie nicht zu ängstigen.

      Weshalb, fuhr er fort, übergeben Sie die Schurken nicht den Behörden, um Ruhe vor ihnen zu haben? Man würde sehr schnell mit ihnen fertig sein.

      Einen Augenblick zögerte sie mit der Antwort. Dann sagte sie: Es gibt dafür zwei Gründe. Der eine ist der, der den Grafen überhaupt zurückhält, in dieser Sache etwas zu tun. Der andere ist der Grund, den ich bisher niemanden mitgeteilt habe – nur Rokoff und ich kennen ihn. Ich frage mich nur – und dann zögerte sie, indem sie ihn absichtlich lange betrachtete.

      Was fragen Sie sich? sagte er lächelnd.

      Ich frage mich, wie es kommt, daß ich Ihnen das mitteilen möchte, was ich noch nie gewagt habe, meinem Manne zu verraten. Ich glaube, daß Sie mich verstehen werden und daß Sie mir den richtigen Weg zeigen können. Ich hoffe, daß Sie mich nicht zu streng beurteilen werden.

      Ich fürchte nur, daß ich ein schlechter Richter sein werde, erwiderte Tarzan, denn wenn Sie sich eines Mordes schuldig gemacht hätten, so würde ich sagen, das Opfer könnte Ihnen dankbar dafür sein, einen so süßen Tod erlitten zu haben.

      O mein Lieber, antwortete sie, so schlimm ist es nicht. Aber ich will Ihnen zuerst den Grund angeben, aus dem der Graf diese Männer nicht verfolgt, und wenn ich dann noch genug Mut habe, will ich Ihnen auch verraten, weshalb ich selbst es nicht wage. Der erste Grund ist der, daß Nikolaus Rokoff mein Bruder ist. Wir sind Russen. Nikolaus ist stets ein schlimmer Mensch gewesen, soweit meine Erinnerung zurückreicht. Er wurde aus der russischen Armee, wo er Hauptmann war, schimpflich entlassen. Damals entstand ein Skandal, aber nach einiger Zeit wurde die Sache fast vergessen, und mein Vater erhielt für ihn eine Stellung in der Spionage.

      Es wurden Nikolaus mancherlei schreckliche Verbrechen zugeschrieben, aber er verstand es immer, einer Strafe zu entgehen. Zuletzt gelang es ihm stets dadurch, daß er sein Opfer durch eine gefälschte Aussage des Verrats am Zaren überführte, und da die russische Polizei immer bereit ist, eine derartige Beschuldigung zu glauben, so ließ sie seine Aussage gelten, und er ging straffrei aus.

      Hat er nicht durch die an Ihnen und Ihrem Gatten versuchten Verbrechen alle Rechte der Verwandtschaft verwirkt? fragte Tarzan. Die Tatsache, daß Sie seine Schwester sind, hat ihn nicht davon abgehalten, zu versuchen, Ihre Ehre zu beschmutzen. Sie brauchen keine Rücksicht mehr auf ihn zu nehmen, gnädige Frau.

      Ach, sagte sie, es kommt noch der andere Grund in Betracht. Wenn ich ihm als meinem Bruder keine Rücksicht schulde, so kann ich doch nicht so leicht die Furcht verbergen, die ich vor ihm habe, weil er eine gewisse Episode aus meinem Leben kennt.

      Nach einer kurzen Pause fuhr sie fort:

      Ich glaube, es ist am besten, ich erzähle Ihnen alles, denn ich fühle, daß ich es Ihnen früher oder später doch einmal sagen würde. Ich wurde in einem Kloster erzogen. In dieser Zeit lernte ich einen Mann kennen, den ich für einen Ehrenmann ansah. Ich wußte damals noch wenig oder gar nichts von den Menschen und der Liebe. Ich bildete mir in meinem unerfahrenen Kopfe ein, daß ich diesen Mann liebte, und auf sein Drängen brannte ich mit ihm durch. Wir wollten uns heiraten.

      Ich war genau drei Stunden mit ihm zusammen und zwar am hellen Tage und in der Öffentlichkeit – auf Eisenbahnstationen und im Zuge. Als wir unseren Bestimmungsort erreichten, wo wir getraut werden sollten, stiegen mit uns zugleich zwei Polizisten aus, die ihn verhafteten. Auch mich hielten sie an, aber als ich ihnen meine Geschichte erzählt hatte, ließen sie mich frei, doch mußte ich in Begleitung einer Nonne in das Kloster zurückkehren. Wie es scheint, war der Mann, der um mich geworben hatte, durchaus kein Gentleman, sondern ein Deserteur, der auch von den bürgerlichen Gerichten gesucht wurde. Er war der Polizei aller Länder Europas bekannt.

      Die Sache wurde von der Leitung des Klosters vertuscht. Nicht einmal meine Eltern erfuhren davon. Aber später lernte Nikolaus den Gauner kennen und erfuhr von ihm die ganze Geschichte. Jetzt droht er mir, er werde sie dem Grafen erzählen, wenn ich nicht tue, was er wünscht.

      Tarzan lachte.

      Sie sind doch noch wie ein kleines Mädchen. Die Geschichte, die Sie mir erzählt haben, kann Ihren Ruf nicht im geringsten beflecken, und wenn Sie nicht in Ihrem Herzen noch ein junges Mädchen wären, so würden Sie sich das selbst sagen. Gehen Sie noch heute Abend zu Ihrem Gatten und erzählen Sie ihm die ganze Geschichte, genau so, wie Sie mir sie berichtet haben. Wenn ich mich nicht sehr irre, wird er Sie wegen Ihrer Angst auslachen und dann sofort die nötigen Schritte unternehmen, um diesen Ihren kostbaren Bruder ins Gefängnis befördern zu lassen, wo er hingehört.

      Ich wünschte nur, ich hätte den Mut dazu, sagte sie, aber ich bin ängstlich. Ich habe früh gelernt, die Männer zu fürchten. Zuerst meinen Vater, dann Nikolaus, dann die Väter im Kloster. Fast alle meine Freundinnen fürchten ihre Gatten, wie sollte ich da nicht auch den meinen fürchten?

      Ich sehe nicht recht ein, weshalb die Frauen die Männer fürchten sollen, sagte Tarzan mit einem nachdenklichen Ausdruck im Gesicht. Ich bin mehr vertraut mit dem Dschungelvolk, und dort ist öfters das Umgekehrte der Fall, ausgenommen bei den Schwarzen, und diese stehen meiner Meinung nach noch eine Stufe tiefer als das Tier. Nein, ich kann nicht verstehen, weshalb zivilisierte Frauen den Mann fürchten sollen, da dieser doch geschaffen ist, sie zu beschützen. Ich könnte mich nicht an den Gedanken gewöhnen, daß ein Weib mich fürchten würde.

      Ich glaube auch nicht, mein Freund, daß irgend ein Weib Sie fürchten würde, sagte Olga de Coude leise. Ich kenne Sie erst seit kurzer Zeit, und es mag närrisch sein, das zu sagen, aber Sie sind von allen Männern, die ich je gekannt habe, der einzige, den ich wohl nie fürchten würde. Das ist merkwürdig, zumal Sie sehr kräftig sind. Ich war erstaunt, mit welcher Leichtigkeit Sie Nikolaus und Pawlowitsch in jener Nacht aus meiner Kabine hinausbefördert haben. Das war einfach großartig.

      Als Tarzan sie eine Weite darauf verließ, wunderte er sich über den festen Handdruck, mit dem sie ihn verabschiedete, und über den nachdrücklichen Ton, mit dem sie ihm das Versprechen abnahm, morgen wiederzukommen.

      Die Erinnerung an ihre halbverschleierten Augen und ihren reizenden Mund, als sie ihn bei seinem Fortgang lächelnd ansah, verließ ihn den ganzen Rest des Tages nicht. Olga de Coude war wirklich eine schöne Frau, und Tarzan war ein einsamer junger Mann, dessen Herz sich nach Liebe sehnte.

      Als die Gräfin nach dem Fortgang Tarzans sich im Zimmer umwandte, stand sie plötzlich Nikolaus Rokoff gegenüber.

      Seit wann bist du hier? schrie sie,

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