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Dorran. Isabel Tahiri
Читать онлайн.Название Dorran
Год выпуска 0
isbn 9783752914474
Автор произведения Isabel Tahiri
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Er schritt jetzt schnell aus und richtete seine Gedanken wieder auf seine Heimatinsel. Sie unterteilte sich in drei Gebiete, die mit der Zeit eigene Länder wurden. In Waldland, das im Westen lag und dünn besiedelt war. Es bestand aus einem schmalen Küstenstreifen und der Rest fast nur aus dichtem Mischwald. An der Grenze zu Bergland gab es noch einen schmalen Streifen hügeliges Grasland. In Waldland konnte jeder leben, wie er wollte, die einzige Art von Zivilisation gab es im Grenzgebiet. Die Hauptstadt lag dort, sie hieß sinnigerweise Waldstadt. Es gab natürlich ein paar Dörfer, aber wenig und diese richteten sich nur nach sich selbst. Gesetze aus der Hauptstadt nahm man zur Kenntnis, aber nicht sehr ernst. Dorrans Hunger nahm wieder zu, aber das war nicht so schlimm, der Durst plagte ihn ärger. Er schaute sich um und fand, glücklicherweise, ein paar Büsche mit wilden Himbeeren. Er stürzte sich darauf und aß sämtliche Beeren auf. Sie schmeckten nicht nur sehr lecker, sie löschten auch ein wenig seinen Durst.
Gestärkt wanderte er weiter den Pfad entlang, und beschäftigte sich mit der Insel Adlerhorst. Im Osten grenzte Waldland an Bergland, dass wie der Name schon sagt, hauptsächlich aus Bergen und Tälern bestand. Sein Heimatdorf Bergdorf, war das am höchst gelegene Dorf des Landes gewesen. Die Einwohner hatten immer stolz darauf hingewiesen. Im Norden war Bergland relativ dicht besiedelt, es gab dort vor allem die Hauptstadt. Mittelstadt hieß sie, hier hatte man einen Hauch mehr Fantasie bewiesen als in Waldland, aber nicht besonders viel. Bis zum Meer war das Land gleichmäßig hügelig, mit Wald und Grasflächen bedeckt. Dort gab es auch die meisten Weizenfelder, denn in Keilberg stand die bislang einzige Getreidemühle des Landes. Im Westen von Bergland war der große Bergadlersee, dessen Abfluss durch Waldland ins Meer floss. Hier wurden Süßwasserfische gezüchtet, Körbe aus Schilf geflochten und noch andere Dinge hergestellt. Leider hatte er nicht gut aufgepasst, als Mechthild ihm vom See erzählt hatte. Im Osten ging das Gebirge bis zum Meer, wo es in hohen Klippen den Rand von Bergland darstellte. Im Süden war die Landschaft nur noch leicht hügelig, die Hügel gingen nach einer Weile in eine endlose Grassteppe über. Dort gab es ein paar Burgen, schön an der Grenze zu Südland verteilt. So nach dem Motto, sicher ist sicher. Aber soweit er von Mechthild wusste, waren die Südländer friedliche Menschen, die sich überhaupt nicht für den Norden interessierten.
Seine Gedanken wurden unterbrochen, als er an einen Bach kam. Endlich! Dorran trank das kühle Wasser in großen Zügen. Danach blieb er einfach am Ufer liegen und ruhte sich aus. Es musste schon Nachmittag sein, aber durch die Bäume konnte er den Himmel nicht sehen. Er hoffte, bald eine andere Ansiedlung zu finden, im Wald würde er ungern übernachten. Nicht, dass er Angst hätte, aber hier kannte er sich überhaupt nicht aus. Er musste wenigstens so lange aus dem Wald heraus um seine Richtung zu bestimmen. Inzwischen konnte ihn der Pfad in irgendeine beliebige Richtung führen, er würde es nicht merken. Zeit, weiter zu gehen. Dorran trank noch einen großen Schluck aus dem Bach und setzte sich wieder in Bewegung. Er beschäftigte sich jetzt mit Südland. Es wurde von zwei großen Flüssen durchzogen, dem Donnerfluss, der seinen Namen wohl von dem großen Wasserfall hatte, der von einem Hochplateau in die Ebene rauschte. Und dem Dreiländerfluss, der seinen Namen davon hatte, dass er durch alle drei Länder floss. Er entsprang im Bergadlersee und wurde von unzähligen Quellen auf seinem Weg gespeist. Südland war an drei Seiten von Meer umgeben und hatte zwei große Häfen, in Meerstadt und in Kap Azul. Alle ausländischen Waren wurden hier von Schiffen gebracht und heimische Erzeugnisse wieder mitgenommen. Ihm fiel wieder ein, was Mechthild ihm darüber erzählt hat. Auf der ganzen Insel wurde fast nirgendwo Eisen bearbeitet, es gab wohl Erz in den Bergen, aber das Meiste wurde abgebaut und verschifft. Es gab nur zwei Eisenhütten auf der ganzen Insel, eine in Bergland und eine in Waldland. Beide waren an ein Bergwerk angeschlossen. Den einen oder anderen Schmied gab es natürlich schon, aber sie arbeiteten nur für sich und ihr näheres Umfeld, nichts von dem, was sie herstellten kam auf die großen Märkte. Wenn man hier eine Klinge kaufen wollte, war sie teuer und garantiert nicht aus Adlerhorst. Das verstand Dorran zwar nicht, aber Mechthild war der Meinung, es gäbe einfach keine Leute hier, die sich mit Eisen gut genug auskennen würden, um Stahlklingen herzustellen.
Ansonsten wurde natürlich gefischt und Muscheln gesammelt, die steinige Küste bot sich dafür an. Kap Azul, die Hauptstadt lag an, dem für Seefahrer gefährlichen, Kap Sturmwind, das jedes Jahr seine Opfer forderte. Ansonsten war eigentlich nur die Küstenregion dicht besiedelt, im Inland gab es wenige kleine Dörfer oder Städtchen, dafür aber sehr viele, vereinzelt gelegene, Bauernhöfe. Ach ja, Sommerau sollte man noch nennen, dort gab es die einzige Kathedrale der ganzen Insel. Entsprechend stolz waren die Einwohner von Sommerau, man hatte nicht gerne mit ihnen zu tun, sagte jedenfalls Mechthild, sie seien hochmütig, fast schon überheblich.
Gegen Abend kam er endlich wieder einmal aus dem Wald heraus, vor ihm erstreckten sich eine Menge Getreidefelder. Sein Blick fiel auf eine kleine Stadt. Das musste Keilberg sein, anhand der Felder konnte er es erraten, nirgends gab es so viele. Hier wurde fast das gesamte Mehl des Landes erzeugt. Nur hier gab es eine Getreidemühle, die direkt an einem Bach lag. Er konnte sie auch schon sehen, ein Rad bewegte die Mahlsteine, angetrieben von der Strömung des Baches. Jedenfalls hatte er das so von Mechthild gehört. Eigentlich alles, was er über sein Land und die Insel gelernt hatte, stammte von ihr. Sie hatte ihm Lesen und Schreiben beigebracht, aber bedauerlicherweise kein einziges Buch besessen. Damit er üben konnte, hatte sie sich eines ausgeliehen, vom Dorfbüttel, der besaß nämlich eine Bibel. Leider ging das nicht lange gut, als man bemerkte, dass der fremde Junge die Bibel des Dorfes las, war man über ihn hergefallen, hatte ihn verprügelt und ihm das Buch entrissen. Im Anschluss daran wurde die arme Mechthild schwer gerügt. Sie durfte, zur Strafe, zwei Sonntage nicht zur Bibellesung zum Büttel kommen. Seitdem hatte Dorran kein Buch mehr gesehen. Aber seine Ziehmutter hatte ihm viele Geschichten über seine Heimat erzählt, darunter auch über diese Mühle hier in Keilberg.
Die Stadt war nicht besonders groß, aber die Einwohner angeblich alle sehr reich. Gutes feines Mehl war teuer, in Bergdorf wurden die Körner von Hand gemahlen. Das Mehl war deshalb eher grob, man konnte natürlich Brot daraus backen, aber keinen Kuchen. Den würde er gerne einmal probieren, in seinen sechzehn Lebensjahren hatte er noch nie Kuchen bekommen. Zum Ausgleich dafür hatte Mechthild immer Süßspeisen für ihn gemacht. Meistens Quarkspeisen, der Quark war einfach herzustellen. Manchmal auch Pudding, aber für den musste sie sich ordentlich anstrengen, bis das Mehl fein genug gemahlen war. Entsprechend selten kam er auf den Tisch.
Ihm fiel sein Geburtstagsessen wieder ein, das zugleich auch sein Abschiedsessen gewesen war. Er meinte den Zimtpudding noch zu schmecken. Zimt war ebenso selten und nur durch einen Zufall in Mechthilds Hände gelangt, ein Hausierer hatte es dabei. Wenn er nicht Medizin benötigt hätte, wäre Mechthild nie in den Besitz von Zimt gekommen. Aber so erhielt sie es als Bezahlung. Sie hatte sich die größte Mühe gegeben, ihm den Abschied zu versüßen.
Im Geiste bedankte er sich noch einmal bei ihr, für alles, was sie je für ihn getan hatte.
Keilberg lag auf einer kleinen Insel, jedenfalls sah das so aus. In Wahrheit war das Areal von Bächen umgeben, über die verschiedene Brücken führten. Umgeben war es von einem Palisadenzaun, die Häuser waren allerdings aus Steinen gebaut. Sie hatten bunte Ziegeldächer, das sah Dorran zum ersten Mal. In Bergdorf waren die Dächer mit Stroh gedeckt, auch in Thomasdorf war das so gewesen. Es stimmte offensichtlich, die Leute