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mir, weiß niemand von deinen Aktivitäten. Und wenn du brav bist, wird das auch so bleiben.“

      Das ist er also, mein Lohn, den ich für den Austausch meiner Unschuld bekomme. Stumm blicke ich ihn nur an. Ich werde ihm nicht die Befriedigung geben, auf seine Worte zu reagieren. Mein Geist zuckt vor dem Wort und seiner Schwere zurück. Befriedigung … ich bin mir sicher, dass der Mann das in mir sucht. Doch ich verstehe noch nicht, wie er sie von mir bekommen will.

      Plötzlich spüre ich seine Finger auf meiner Wange. Als ich mich auf ihn konzentriere, entdecke ich ein Lächeln in seinen Augen. Sanft, nicht höhnisch, als berühre er etwas Wertvolles. Kann ich das sein? Wertvoll?

      „Du bist gut. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich glauben, ich hätte eine hirnlose White vor mir.“

      Ich weiß nicht, wie es geschieht, oder warum. Alles, was ich spüre, ist aufwallende Wut. Ich war noch nie wütend und doch kenne ich das Gefühl. Mein Körper reagiert und ein lautes Klatschen hallt durch das gläserne Labyrinth. Überrascht blicke ich hoch zu dem kantigen Gesicht, erwarte Wut und treffe doch nur auf ein Spiegelbild meiner Gefühle.

      Ein Glitzern, ein Lächeln … und etwas Wundervolles, das ich noch nie gesehen habe und doch benennen kann: Hoffnung. Doch er blinzelt und sein undurchsichtiger Blick bereitet mir Übelkeit. Er dreht sich um und sagt: „Folge mir!“ Als meine Beine mir nicht gehorchen und sich mit dem Boden verwurzeln, wirft er einen Blick über die Schulter und hebt fragend eine Augenbraue.

      Fragend scheint hier nicht zu passen … während ich noch darüber nachdenke, entwurzelt sein Blick meine Füße und ich folge ihm wie ein Lemming. Als vor uns im Boden das Loch erscheint, aus dem kurz zuvor die beiden Frauen geschlüpft waren, hallt die richtige Bezeichnung in meinem Geist: herausfordernd. Und etwas an diesem Wort gibt mir Kraft. Ich strecke meinen Rücken durch und meine Schritte werden größer, bis ich neben ihm gehe, anstatt hinter ihm.

      Ich kenne den Gang, den wir entlanggehen. Als wir uns dem Verhörraum nähern, klopft mein Herz wild, doch ich richte meinen Blick geradeaus, weigere mich, Angst zu zeigen, wo sie doch die ganze Nacht und den ganzen Tag in meinen Eingeweiden gewütet hat. Ich bin unendlich erleichtert, als wir an dem Raum vorbeischreiten. Dann stehen wir in einer Sackgasse und ich wünsche mich in den verhassten Raum.

      Nur ein seichtes Licht, das mehr Schatten wirft, als aufhellt, ist unser Zeuge.

      Cailan dreht sich zu mir um. Kurz sehe ich seine Zähne aufblitzen, dann beugt er sich zu mir herunter.

      Mein Herz klopft wild, als meine verfluchten Beine wieder Wurzel schlagen.

      Seine Lippen sind meinem Gesicht zu nahe und doch nicht nahe genug. Ein Hauch seines Atems berührt meine Haut und ich erschauere. Als seine Lippen zu meinem Ohr wandern und leise: „Buh!“ hineinrufen.

      Und zu meinem peinlichen Entsetzen verlässt ein Schreckensschrei meine zitternden Lippen. Und Cailan? Er lacht! Laut und schallend. Schamlos und gemein!

      „Du fieser Kerl!“, rufe ich mit rotem Kopf und will von der Erde verschluckt werden. Meine Hände entwickeln wieder ein Eigenleben. Sie schießen vor, legen sich auf seine Brust, um ihn zu schubsen. Doch, oh hilf meinem umnebelten Verstand, bewegt er sich keinen Millimeter, egal wie sehr ich presse. Und für den Rest meiner mickrigen Würde, glaube ich fest daran, dass meine Hände Druck ausüben, anstatt vorsichtig zu tasten.

      Er bedeckt mit einer Hand meine beiden. Sie ist so groß und warm. Mit leichtem Druck presst er meine klammen Finger gegen seine Brust und ich kann die Härte seiner Muskeln spüren.

      „Hast du dir etwas anderes gewünscht? Hätte ich mehr mit meinen Lippen machen sollen?“

      Mir wird heiß und kalt und mein Blick kann sich nicht von seinem Mund losreißen. Als hätte er mich mit einem Bann besprochen. Und er löst ihn wieder mit einem Lachen. Doch dieses Mal ist es leise und dunkel. Seine Hand presst immer noch meine gegen seine Brust und ich kann die Vibration fühlen. Es ist ein witziges Gefühl, seltsam und doch wunderschön. Die Vibration ergreift von meinen Fingern Besitz und jagt meine Arme hoch, landet in meinem Bauch, nur um dann aus meiner Kehle zu springen.

      Ein seltsamer Laut. Glasklar und hoch. Ein Lachen? Mein Lachen! Abrupt lässt er meine Hände los und zu meiner Schmach brauche ich einige Sekunden, um von ihm abzulassen. Er räuspert sich, hantiert im Dunklen und das Geräusch einer surrenden Tür holt mich in die Wirklichkeit zurück. Die Sackgasse hat eine Geheimtür. Er schreitet hindurch und ich folge ihm zögerlich. Wir laufen eine Weile durch dunkle Gänge. Dann bleibt Cailan vor einer Tür stehen. Sie öffnet sich, er winkt mich herein und sagt: „Willkommen in meinem bescheidenen Zuhause!“

      Mein Kiefer fällt herunter und mein Kopf schaltet auf Durchzug. Ein riesiger Raum mit einem großen, schweren Tisch aus dunklem Holz steht in der Ecke. Ein Bildschirm, der über die ganze Wand reicht, ist auf der gegenüberliegenden Seite. Davor befindet sich ein Sofa und ein Beistelltisch, vollbeladen mit Tastaturen und kleineren Bildschirmen.

      Cailan marschiert zu einem Globus, öffnet ihn und verschiedene Flaschen kommen zum Vorschein. „Drink gefällig?“, fragt er galant.

      „Danke, ein Wasser würde ich nehmen“, erwidere ich, als die Trockenheit in meiner Kehle mir fast Schmerzen bereitet.

      „Ich habe kein Wasser angeboten“, sagt er und reicht mir ein Glas mit einer goldenen Flüssigkeit.

      Ich nehme das Glas vorsichtig in beide Hände. Es wirkt so dünn und zerbrechlich, als könnte es selbst unter meinen schwachen Fingern zerbersten.

      „Zum Wohl!“, sagt Cailan und nimmt einen Schluck. Seine Augen haben wieder diesen Ausdruck … Herausfordernd, war das Wort. Also nippe ich an der goldenen Flüssigkeit. Sie ist süßlich, brennt leicht in meiner Kehle. Es ist jedoch nicht unangenehm. Ein zweiter und dritter Schluck und ich fühle eine Wärme meinen Körper und Geist erfüllen. Etwas von meiner Angst fällt von mir ab und ich blöke wie ein Schaf das erste heraus, das mir in den Sinn kommt: „Warum bin ich hier?“

      „Weil ich mit dir reden will“, antwortet Cailan, lässt mich keine Sekunde aus den Augen.

      „Mit mir reden? Worüber?“ Es gibt nichts, das ich ihm erzählen könnte, nicht eine Sache. Das einzige, was ich in mir finde, sind Fragen. Fragen über Fragen.

      „Ich möchte mit dir über das reden, was du in den letzten Wochen erfahren hast. Und ich habe eine Bitte.“

      Ich versteife mich. Ist es das, wovor Sunshine mich gewarnt hat? Zu meiner Schande bin ich gespannt. Eine wichtige Frage, auf die ich gleich eine Antwort bekommen werde. Wie wird Cailan mich beschmutzen?

      „Ich bitte dich, vorsichtiger zu sein und deine Nachforschungen einzuschränken.“

      Es dauert, bis seine Worte mein Gehirn erreichen.

      „Wie bitte?“, frage ich ungläubig. Überrascht stelle ich fest, dass ich enttäuscht bin. Auch erleichtert, aber vor allem enttäuscht.

      „Weißt du, wie schwer es war, deine Spuren zu vertuschen? Ich konnte dich keine Sekunde aus den Augen lassen.“

      Meine Knie werden weich und ich sinke kraftlos zu Boden. Das schöne Glas fällt aus meinen Händen und zerbricht. Ich greife danach, will die Scherben wieder zusammenfügen. Doch alles, was passiert, ist, dass mein Blut sich zu dem Scherbenhaufen gesellt. Gläsern und rot. Hart und flüssig. Kaputt und verwundet.

      Ich tue das einzige, was mir einfällt, stecke den blutenden Finger in den Mund und sauge daran. Doch auch mein Gewandt hat was abbekommen. Es tropft genau zwischen meine Beine. Cailan steht auf, geht an einen Schrank, sucht etwas. Dann kommt er wieder, kniet sich neben mich, greift nach meiner Hand, und klebt etwas auf die Wunde. Ist das ein Pflaster?

      Er bleibt neben mir knien und ich starre auf die Scherben.

      „Es tut mir leid!“, sage ich kleinlaut.

      „Was tut dir leid?“, fragt Cailan, die Augen immer noch auf den Scherbenhaufen gerichtet.

      „Dass ich dein schönes Glas zerbrochen habe.“ Ich schäme mich.

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