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Die neunschwänzige Katze. Kendran Brooks
Читать онлайн.Название Die neunschwänzige Katze
Год выпуска 0
isbn 9783738030402
Автор произведения Kendran Brooks
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Auf dem Revier mussten sie nicht warten, wurden gleich beim Betreten von einem der Polizisten hinter dem Tresen angesprochen. Holly erzählte vom Verschwinden Shelizas, erklärte dem Beamten ihren Status als Flüchtling aus Syrien und die Rolle von Henry und ihr als Pflegeeltern. Sie verschwieg allerdings die Schulprobleme und auch die wahrscheinliche Konvertierung zur sunnitischen Glaubensrichtung, konzentrierte sich auf die Aussagen von Afifa Mosul und des Bärtigen in der Moschee des verrückten Imam al-Muzaffar. Der Polizist hatte ihr wenig interessiert zugehört, zumindest bis der Name des Geistlichen gefallen war. Denn da horchte er auf und sah Holly das erste Mal nicht leicht spöttisch und ein wenig überheblich, sondern überrascht und gar ein wenig alarmiert an.
»Was hat Ihre Pflegetochter mit Imam al-Muzaffar zu schaffen?«, fragte er sie direkt.
»Das weiß ich nicht. Wir haben erst vor gut einer Stunde erfahren, dass Sheliza seit einigen Wochen zum Beten in diese Moschee geht.«
Henry mischte sich nun das erste Mal ein.
»Was hat es mit diesem Geistlichen denn auf sich?«, fragte er den Beamten.
»Ich will Sie nicht beunruhigen. Aber Chalid al-Muzaffar steht in Verdacht, Kämpfer für den Bürgerkrieg in Syrien anzuwerben.«
Holly und Henry schauten sich kurz an. Sie zeigte in ihrem Gesicht blankes Entsetzen, er höchste Unruhe.
»Sheliza ist schwanger, im siebten Monat«, beeilte sich Holly nun eine möglicherweise wichtige Tatsache dem Polizisten zu erzählen, »selbst unter ihrer Abaya ist die Bauchkugel deutlich zu sehen.«
»Und der Vater?«, wollte der Beamte wissen, »lebt der in Syrien?«
Henry winkte ab.
»Der Vater ist ebenfalls Flüchtling. Aus Aleppo, soweit ich weiß. Kennengelernt haben sich die beiden erst in der Türkei.«
»Doch er könnte heute in Syrien kämpfen?«
Henry zuckte unbestimmt mit den Schultern.
»Haben Sie ein Foto der Frau? Besitzt sie ein Handy? Haben Sie sie zu erreichen versucht?«, wurden sie nun vom Beamten gefragt und Holly zog ein Bild von Sheliza aus der Brieftasche und reichte es ihm: »Ja, sie hat ein Handy, doch es ist derzeit wohl abgeschaltet.«
Er nahm die Vermisstenanzeige auf, fragte auch nach der exakten Schreibweise von Sheliza bin-Eliks Namen und über welche Ausweispapiere sie verfügte, notierte sich die Handynummer.
»Und was unternehmen Sie nun?«, wollte Holly nach dem Unterschreiben vom Beamten wissen. Der hob seine Achseln und blickte die Frau bedauernd an.
»Viel können wir im Moment nicht tun.«
»Sie könnten die Moschee durchsuchen?«, schlug Holly vor, doch der Polizist schüttelte sogleich ablehnend den Kopf.
»Wo denken Sie hin, Miss Peterson? Kein Richter wird uns aufgrund der vorliegenden Fakten einen Durchsuchungsbefehl für ein Gotteshaus unterschreiben.«
»Dann sind wir völlig nutzlos hierhergekommen?«, fragte sie den Beamten zornig.
»Nein. Ich werde die Daten zur vermissten Person in den nächsten Minuten in den Computer eingeben. Falls sie irgendwo aufgegriffen oder kontrolliert wird, haben wir gute Chancen, dass man sie entdeckt und uns ihren Aufenthaltsort meldet.«
Holly schaute den Beamten an, als hätte der zwei Köpfe oder hätte Chinesisch gesprochen.
Schon wollte sie eine scharfe Entgegnung loswerden, da spürte sie die Hand von Henry auf ihrem Rücken. Sie blickte ihn kurz an, sah in sein ruhiges Gesicht und ließ ihre Schultern kraftlos sinken.
»Danke, Constable«, meinte sie nur, bevor sie mit Henry die Polizeiwache verließ.
*
Zenweih Ling gab am dritten Tag nach dem Verschwinden seiner Tochter die Vermisstenanzeige auf. Keine der Freundinnen oder Bekannten von Shamee wusste etwas über den Verbleib der Siebzehnjährigen. Zenweih rechnete mit dem Schlimmsten oder zumindest mit einer Entführung, hoffte jedoch auch die nächsten Tage über vergeblich auf eine Kontaktnahme durch Gangster mit Lösegeldforderungen. Auch Sihena gab sich besorgt, doch Zenweih konnte in ihrem Gesicht keine echte Anteilnahme und auch keine Furcht erkennen. Unterkühlt bis kalt war stets ihre Miene, weit mehr darauf bedacht, ihre Haltung zu bewahren, als mütterlich Gefühle zu zeigen.
Auch Mei und Chufu und die anderen Geschwister von Shamee waren längst informiert worden, konnten sich ebenso wenig einen Reim zum Verschwinden machen. Man wartete eine ganze Woche lang auf einen befreienden Anruf der Entführer, auf die Geldforderung für eine Freilassung. Doch weiterhin blieb jede Nachricht aus.
Eines Morgens meinte Mei zu Chufu: »Wir beide sollten endlich etwas in Sachen Shamee unternehmen und selbst nach Antworten suchen. Diese untätige Warterei macht mich noch wahnsinnig.«
»Denk an Kairo«, ermahnte sie Chufu.
»Was meinst du damit? Was hat Kairo mit dem Verschwinden von Shamee zu tun?«, gab sie scharf zurück.
»Ich mein nur«, beschwichtigte Chufu, »auch dort hatten wir beide keinen Erfolg, wenn du ehrlich bist.«
»Dann rufen wir halt Henry und deinen Vater zu Hilfe. Das hätten wir vielleicht von Anfang an tun sollen.«
Doch Chufu winkte erneut ab.
»Du weißt doch, dass Henry und Holly schon genug mit ihrer schwangeren Sheliza am Hals haben. Und mein Vater…?«
Er führte seine Argumentation nicht weiter aus, doch Mei Ling verstand ihn auch so und nickte zustimmend.
»Also nur wir beide.«
Chufu sah sie bekümmert an.
»Diesmal haben wir doch einen gewaltigen Vorteil auf unserer Seite«, meinte Mei und lächelte ihren Freund zuversichtlich an.
»Und welchen?«
»Na, hier in Brasilien verstehen wir die Leute wenigstens.«
Chufu schüttelte seinen Kopf und meinte: »Also ich für meinen Teil verstehe oft nicht einmal meine Freundin.«
Sie gaben sich einen zärtlichen Kuss, setzten sich mit einem Schreibblock ins Wohnzimmer aufs Sofa und begannen mit einem Brainstorming, sammelten erst einmal alles an Daten und Fakten zu Shamee, was ihnen nur in den Sinn kam. Leider wussten die beiden zu diesem Zeitpunkt noch nichts über den Angriff in der Boutique, als Shamee von drei Männern bedrängt wurde und man sie als Lügnerin bezeichnete. Sihena schätzte den Vorfall wohl nicht als wichtig genug ein, um ihn gegenüber Zenweih oder ihren anderen Kindern zu erwähnen.
*
Sie waren in ihr Appartement zurückgekehrt, hatten sich zwei Tassen Tee zubereitet und in der Wohnküche an den Tresen gesetzt.
»Können wir wirklich nichts weiter unternehmen? Bloß noch abwarten und hoffen?«
Holly konnte sich nicht mit der Untätigkeit abfinden. Henry antwortete nicht, nippte an der Tasse, sah nachdenklich drein.
»Vielleicht sollten wir Jules informieren?«
»Und wie soll uns Jules in diesem Fall helfen?«
Henrys Stimme klang weit bissiger, als er es gewollt hatte und Holly zuckte zusammen.
»Bitte entschuldige. Ich dachte bloß…«
»…dass es ein alter Mann nicht mehr bringt?«
Nun enthielt Henrys Stimme wieder genügend Schalk, so dass auch Holly lächelte.
»Also gut. Was hast du dir in der Zwischenzeit ausgedacht?«
Henry zögerte noch kurz, bevor er seine Überlegungen darzulegen begann.
»Sheliza