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meint, er sei die einzige Ausnahme. Sie erzählt aus ihrem Privatleben sonst nur, mal eine fürchterlich brummende Galerie gehabt zu haben. Ich nehme allen Mut zusammen und will wissen, wo ihre Family denn sei. Linda schreit mir auf meine Frage ins Ohr: „Das ist eine lange Geschichte!“ Sie bleibt überhaupt den ganzen Abend sehr kryptisch. Das denke ich, als wir zahlen, beziehungsweise lädt Linda uns ein. Sie ist zweifellos sympathisch, aber meines Erachtens hat sie eine Leiche im Keller. Ich frage Nara danach, die mich Zuhause empfängt, als ich mich auf die Couch setze. `Tut mir leid, das darf ich dir nicht sagen.´ Die auch noch, denke ich. `Das hab ich gehört´, kommt es zurück. `Hab Geduld, es klärt sich alles´, fügt sie geheimnisvoll hinzu.

      Kapitel 8

      Ich schlafe, scheinbar traumlos, was ich bedaure. Als ich aufwache und realisiere, dass Rahel mir nicht erschienen ist, bin ich so was von enttäuscht. Ich versuche Nara zu erreichen und das zu bemängeln, da flasht sie mich plötzlich im gerade angestellten Schlafzimmer-Fernseher mit einer Szene, in der es wieder kracht zwischen Rahel und Rick. O, nein, er ist drauf und dran… Nara sagt: `Willst du das wirklich sehen?´

      Ich schüttle den Kopf. Es ist lange ein schwarzes Bild, dann erscheint Rahel auf einmal wieder auf dem Bildschirm. Sie liegt in der Wanne. Ja, ich kann sie nackt sehen, soweit das der Schaum zulässt. Aber meine Begeisterung wird zum Schock, als ich bemerke, dass sie überall blaue Flecken hat. War Sebastian denn nicht da, um das zu verhindern? Es wird umgeswitcht und ich sehe wie Sebastian vor dem Spiegel des Gästebads steht, mit einer blutigen Nase und Schrammen auf der Stirn. Warum holen die nicht die Cops?

      `Ricks Schwager ist der örtliche Polizeichef und ein bisschen korrupt noch dazu´, verrät mir Nara jetzt und: `Verstehst du jetzt, warum ich handeln musste?´

      Ich nicke. Und habe ein Tränchen im Augenwinkel. Ich hoffe, der Brief erreicht sie rechtzeitig und dass ihre Flucht klappt. Ich habe echt Angst um die beiden…

      Das Golden Record. Jemand hat ein Dutzend CDs aus dem Regal rausgezogen, die ich alle wieder alphabetisch einräumen muss. Carl ist beim Turteln mit Linda. Ich habe Nik Kershaw eingelegt und singe ein bisschen mit, da ich gerade keine Kunden habe. Wouldn´t it be good...? Wenn Nara und ich Rahel und Sebastian retten könnten? Nara, denke ich, erzähl, an was bist du gestorben?

      `Ich hatte einen Autounfall. Ich war sofort tot.´

      Wie war deine Ankunft da oben? Will ich wissen. `Kennst du diese Momente, in denen man neben sich steht, alles so irreal wirkt? Genau so fühlte es sich an. Nur, dass das Irreale real war. Und gleichzeitig spürte ich eine Wärme und Geborgenheit wie noch nie in meinem Leben. Alles war leicht, es gab keine Angst, keine Sorgen. Erstmal. Ich traf meine Mama wieder. Sie war happy, mich zu sehen, wenn auch traurig für Sebastian und Dad.“ Was ist mit deinem Dad jetzt? `Ich mache mir ein wenig Sorgen um ihn. Also, das heißt, gewisse Sorgen gibt es hier oben also schon. Er ist total verstummt. Nachdem Sebastian nach Kanada geflohen war, rief seine Nachbarin einen Notarzt, weil sie glaubte, er habe sich was angetan. Er kam in ein Heim. Dabei ist er eigentlich noch fit, nur hat er ein gebrochenes Herz.´

      Das ist echt traurig! denke ich.

      Nara: `So traurig wie Einer von Millionen, spiel das doch mal!´

      Ich: Ich befürchte, das haben wir nicht, ist ja was Deutsches.

      Da erklingt plötzlich das besagte Lied von Roger Cicero. Es klingt wie a capella gesungen. Die Stimme ist samtig und trifft mich mitten ins Herz. `Er war ein deutscher Jazz-Sänger, der sehr jung gestorben ist´, erklärt mir Nara weiter. Kennst du ihn? Will ich wissen. Nara sagt nichts, aber ich weiß auf einmal genau, dass er gerade für mich singt. Das rührt mich so wahnsinnig, dass ich eine Gänsehaut von oben bis unten bekomme und ...mein Gott, was ist nur mit mir los? Ich heule wie ein Baby. Es ist wirklich mehr als herzzerreißend. Als seine schöne Stimme verklungen ist, ist mein Gesicht pitschnass, zumal ich jedes Wort verstanden habe, bin ich unendlich dankbar, dass ich das hören durfte. Es war wunderschön. Und ich nehme mir vor, mehr deutschsprachige Musik zu hören, ich wusste ja nicht, dass es noch so viel mehr gibt, neben Kraftwerk, Nena, und Falco. Shame on me!

      „O, wer ist das?“, fragt Carl, als er reinkommt.

      Ich habe mir Rogers gesamtes Werk heruntergeladen und spiele gerade `Alles kommt zurück ´ab. „Das swingt ja!“, ist auch Carl begeistert.

      „Ja, himmlisch, nicht?“

      „Woher hast du das?“

      „Internet!“

      „Das dachte ich mir, aber...“

      „Göttliche Eingabe!“

      Kapitel 9

      Ich bin etwas nachdenklich heute. Ich denke über Naras Unfalltod nach. Über das Leben an sich, das so kurz vorbeigeht. Etwas ist mir klar geworden, seitdem ich Nara kenne. Ich brauche vor dem Tod keine Angst zu haben. Gleichzeitig sollte ich meine Zeit hier allerdings sinnvoll nutzen. Ich hinterfrage mich, was will ich vom Leben, was fehlt mir noch zum Glück? Immer wieder komme ich dabei auf die Liebe zurück. Ich hab zwar schon mal geliebt, aber im gleichen Maß zurück geliebt wurde ich nicht. Das muss sich ändern. `Das wird sich auch ändern!´ mischt sich Nara ein.

      „Aber wie?“ frage ich sie in Gedanken. `Sei nur du selbst!´ Für meine erste und einzige Liebe, da wollte ich cool wirken, hab im Laden rausten Hip Hop aufgelegt, dabei kann ich den nicht ausstehen. Ich hab ständig geposed und war nicht ich selber. `Ja, das war falsch, aber es bringt dich auch weiter jetzt. Die Vergangenheit ist der Baustein für die Gegenwart. Egal, wie sie war, Unglück kann sogar erst der Nährboden für großes Glück sein. Walter, ich beobachte dich schon seit einer gewissen Zeit, und ich könnte mir keinen besseren für meine Mission vorstellen, weil du empathisch bist und offen. Du verdienst es, wahr genommen zu werden.´

      Nara schafft es mal wieder mich wahnsinnig zu rühren. Hab schon wieder Tränchen. `Wenn ich noch leben würde, wärst du für mich echt ein Mann zum Verlieben.´

      „Gibt es im Himmel eigentlich Sex?“ O je, das ist mir so rausgerutscht. Nara zögert ein wenig, ehe sie antwortet: `Ich hab ja keinen Körper mehr, aber das Gefühl, dieses allumfassende Glück, das kann ich immer noch nachempfinden. Wenn ich Leute sehe, die glücklich sind, oder Musik höre, die ich liebe. Das ist wunderschön.´ „Was soll ich dir spielen, Nara?“ will ich wissen und gehe zum PC.

      `Oh, das ist eine endlose Playlist, aber am meisten würde ich mich über Iris freuen.´

      Ich klicke Iris von den Goo Goo Dolls an. Ist es ein Zufall, dass es aus einem Film über Engel stammt? Nara hat meinen Gedanken natürlich vernommen. `Ich hab den Film erst im Himmel gesehen. Ich gehe runter zu den Leuten, wenn sich jemand den Film anschaut, schaue ich mit. Ich sah ihn zusammen mit Dexter aus Nebraska, er weinte wie ein Schlosshund dabei. Ich hab ihm einen Streuner geschickt, Nathan, der genauso einsam war wie er und die beiden wurden unzertrennlich.

      So was macht mir Freude. Es gibt kaum etwas schöneres, als anderen eine Freude zu bereiten, findest du nicht auch? Vielleicht ist das Lied durch diese Geschichte für mich noch wertvoller geworden.´

      Kapitel 10

      Die Post ist da in Kanada. Rahel und Sebastian streiten, das sehe ich mal wieder im Fernsehen.

      „Aber der Brief ist von Nara!“

      „Von einer Toten, ja klar!“

      „Es ist eindeutig ihre Handschrift, sie hat sich auf aktuelle Ereignisse bezogen, ich weiß ja auch nicht, wie das geht, aber ich glaub den Scheiß!“

      „Du bist doch nicht mehr ganz sauber! Wie damals, als du dachtest, du hörst ihre Stimme!“

      „Mann, Rahel, es gibt etwas zwischen Himmel und Erde, das ist doch der Beweis!“

      „Da erlaubt sich irgendein Freak einen üblen Scherz mit dir!“

      „Ich

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