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einfach lauschen, ja, gewissermaßen einen Lauschangriff starten, um herauszufinden, worum es geht. Das ist eine Berufskrankheit von mir.«

      Mit der Hand fuhr er in seine Brusttasche und holte eine Visitenkarte heraus. Er reichte sie mir feierlich und sagte:

      »Sie haben vermutlich schon von mir gehört. Wenn ich Ihnen in der Angelegenheit, die Sie beide beschäftigt, behilflich sein darf, melden Sie sich bei mir. Keine Sorge, sympathischen jungen Leuten wie Sie zuliebe werde ich mich gern für einen Termin freimachen. Und lassen Sie sich von meinem Ruf nicht abschrecken. Der Preis ist immer Verhandlungssache. Fern sei es von mir, meine Klienten arm zu machen.«

      Ich nahm die Karte entgegen. Noch ehe ich sie lesen konnte, zupfte der Herr an seiner Hutkrempe, löste die Bremsen seines Rollstuhls und verabschiedete sich mit einem simplen »Ciao!«. Er drehte sein Gefährt von uns weg und lenkte es in den Park.

      »Er ist Italiener, seinem Akzent nach zu urteilen«, stellte Tony fest, nachdem der Fremde unseren Blicken entschwunden war. »Was er wohl mit ›unsereins‹ gemeint hat? Und mit ›Berufskrankheit‹?«

      Die Antwort darauf hielt ich in meiner Hand. Ich drehte Tony die Visitenkarte zu, damit er lesen konnte, was darauf stand: Benito Camponelli, Privatdetektiv. Ermittlung, Observation, Personenfahndung.

      5. Unser erster Kriegsrat

      »Ein Privatdetektiv«, feixte Tony immer wieder, während er mich zur Straßenbahnhaltestelle begleitete. »Da labert uns ohne Scheiß ein Privatdetektiv an, einfach so! Was der sich einbildet!«

      Er holte sein Smartphone heraus und surfte solange im Internet, bis er eine Website über Benito Camponelli fand.

      »Er ist tatsächlich echt«, rief er überrascht aus. »Camponelli, registrierter Privatdetektiv. Diskretion garantiert, steht hier. Stammt aus der italienischen Schweiz. Na, da habe ich echt gut getippt!«

      »Du kommst über unsere Begegnung ja gar nicht hinweg«, stellte ich fest. »Er wollte doch nur behilflich sein.«

      »Sich dermaßen aufzudrängen«, beschwerte sich Tony. »Das gehört sich nicht. Wir führten immerhin ein Privatgespräch.«

      »Aufdringlich war er schon«, räumte ich ein, »aber er hat sich doch entschuldigt. Vielleicht fühlte er sich einsam oder er braucht neue Klienten, um sich über Wasser zu halten.«

      »Pah!«, machte Tony.

      Um ihn abzulenken, erzählte ich ihm von der Eingebung, der ich zwei Tage zuvor gefolgt war.

      »Ich habe eine Annonce in diversen Lokalzeitungen aufgegeben. Sie wird die ganze Woche über in den Ausgaben unserer Stadt, den Regionalblättern um den Hohen Meißner und natürlich auch in Niederfichtel zu lesen sein. Vielleicht findet sie Tante Mariebelle beim Durchblättern und reagiert darauf.«

      »Liest sie denn regelmäßig Zeitung?«, fragte Tony.

      »Tja, wenn ich das wüsste«, sagte ich.

      »Was steht denn in der Annonce?«

      »Du, ich hab sie ganz schlau formuliert, hör zu: ›Zu Hilfe Puttensen! Seit Mariebelle Himmelfahrt plagt mich ein Floh. Ende.‹ Genial, oder?«

      Tony glotzte mich an und konnte sich nur zu einem verständnislosen »Hä?« durchringen. Von seiner ausgesuchten Wortwahl, mit der er vor einigen Tagen noch glänzte, war nichts mehr vorhanden.

      »Ist doch sonnenklar. Der erste Satz spricht für sich. Im zweiten Satz habe ich den Feiertag Mariä Himmelfahrt umformuliert, damit meine Patentante ihren Vornamen wiederfindet und sich an unser traditionelles Treffen erinnert. Der Floh steht metaphorisch für mich, Florentine. Und das Wort Ende ist eine Abkürzung für meinen Nachnamen, nämlich Endesfelder.«

      »Wieso musste das denn so kryptisch sein?«, wollte Tony wissen. »Ein einfaches Gesuch nach Mariebelle Puttensen hätte es doch aus getan, oder?«

      »Eben nicht«, widersprach ich ihm. »Überlege doch mal! Wenn entgegen unseres Eindrucks gar nichts Schwerwiegendes mit Tante Mariebelle passiert ist und sie sich nur einmal zurückziehen wollte, würden wir mit solch einem Gesuch nur schlafende Hunde wecken. All ihre Freunde und Bekannten würden sich melden und nachfragen, was denn los sei. Brauchen wir solchen Stress?«

      »Nein«, sah Tony ein.

      »Falls wir hingegen recht haben und Tante Mariebelle schwebt in Gefahr – vielleicht musste sie wegen einer Erpressung untertauchen oder wurde entführt – dann erkennt sie anhand der Annonce, dass es jemanden gibt, der ihr helfen will. Nämlich ich. Und das wird sie trösten oder sogar dazu bringen, Kontakt mit mir aufzunehmen.«

      »Wie kommst du ausgerechnet auf Erpressung?«

      »Denk an den mysteriösen großen Glatzkopf, von dem Ullmann gesprochen hat. Keiner kennt ihn, aus dem Nichts taucht er auf, erkundigt sich nach meiner Patentante und verschwindet ohne jeden Gruß.«

      »Und er trug klobige Schuhe«, erinnerte sich Tony. »Was auch immer klobig bedeutet.«

      »Ullmann meint damit bestimmt unförmiges, primitives Schuhwerk«, nahm ich an.

      »Und du glaubst, dieser Fremde könnte ein Erpresser gewesen sein?«

      »Ach, Tony«, seufzte ich und ließ mich auf die Sitzbank vor der Haltestelle fallen, »ich weiß eigentlich gar nicht, was ich glauben soll.«

      »An wilden Theorien mangelt es dir jedenfalls nicht«, bemerkte Tony trocken. »Wenn ich meinen Senf dazu geben darf: Vielleicht war dieser Kerl ja nur ein Verehrer. Generell könnte sich deine Patentante einfach frisch verliebt haben und mit einem Mann, der dir unbekannt ist, durchgebrannt sein?«

      Ich musste lachen. Solch eine Szenerie war für Tante Mariebelle unvorstellbar.

      »Sie wollte niemals heiraten und als irgendjemandes Ehefrau enden«, klärte ich Tony auf. »Seit ich denken kann, war sie stolz darauf, als ledige Frau durchs Leben zu gehen und ihre Unabhängigkeit zu zelebrieren. Das macht sie jedem Mann klar, der sich ihr auf romantischer Weise nähern will. Nein, ein Verehrer kann der große Glatzkopf keinesfalls gewesen sein.«

      »Und wie wäre es mit deinem Ullmann als Verdächtigen?«

      »Er ist nicht mein Ullmann«, motzte ich.

      Tony ging über meinen Tonfall hinweg und plauderte fröhlich weiter.

      »Er hat vielleicht ein Auge auf deine Tante geworfen, und weil er ihr lästig wurde, ist sie Hals über Kopf vor ihm ausgerissen. Oder sie gab ihm einen Korb und aus Wut hat er sie sich geschnappt und hält er sie nun in seinem Keller gefangen?«

      »Wer hat hier jetzt die wilden Theorien?«, neckte ich ihn. »Ullmann ist über 80, spindeldürr und war zudem schon dreimal verheiratet. Wenn er nicht sowieso genug von den Frauen hat, wird er sich kaum eine aussuchen, die doppelt so kräftig ist wie er.«

      Meine Linie traf ein und ich sprang auf.

      »Mach's gut, Tony. Ich melde mich, wenn sich in der Sache was tut.«

      »Du denkst doch nicht darüber nach, diesen Fuzzi von Privatdetektiv einzuschalten?«

      Die Straßenbahntür schloss sich zwischen uns, bevor ich auf die Frage eine Antwort gefunden hatte. Als ich später die Post aus dem Briefkasten fischte und darin ein Telegramm fand, stand mein Entschluss allerdings fest.

      »Tony«, sprach ich ihm auf die Mailbox, »wir müssen definitiv Benito Camponelli einschalten. Jemand hat auf meine Annonce reagiert und mir ein Telegramm zukommen lassen. Hör dir an, was darin steht: ›Der Floh soll ins liebreizende Niederfichtel hüpfen, dort gibt es Neues von TMP‹.«

      *

      Am nächsten Morgen klingelte mich Tony aus dem Bett. Er hatte sich die Mühe gemacht und war mit seinem Drahtesel von seiner WG in der Nordstadt bis zu mir gefahren, damit wir uns gemeinsam auf den Weg zu Camponelli machen konnten. Es schien ihm klüger zu sein, sich bereits vorher zu treffen und in Ruhe abzusprechen, was wir dem Privatdetektiv erzählen

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