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von dessen König Äetas bewacht.

      So macht sich Jason auf, begleitet von vielen griechischen Helden segelt er mit dem Schiff Argo gen Osten und erreicht er endlich Kolchis. König Äetas will ihm das Vließ überlassen, verlangt jedoch nahezu unmögliche Heldentaten als Vorleistung und hofft damit, den Jüngling zu beseitigen. So soll er den Drachen töten, der das Vließ bewacht. Aber seine Tochter Medea, Priesterin und kenntnisreich in magischen Zauberkräften, entbrennt in Liebe zu dem jungen Griechen und hilft ihm, nicht nur alle Aufgaben zu erfüllen, sondern auch das Vließ zu erbeuten und damit – und mit ihr – zu entfliehen. Um die Verfolger abzuschütteln, lockt sie deren Anführer, ihren Bruder Absyrtos, in einen Hinterhalt, wo er getötet wird.

      Zurückgekehrt nach Iolkos, wird Jason erneut vertröstet, Medea aber bewirkt mit ihren Zauberkräften, dass der König stirbt. Allerdings bemächtigt sich nun dessen Sohn des Thrones, Jason und Medea müssen um ihr Leben fürchten und fliehen mit ihren beiden kleinen Söhnen nach Korinth.

      Kreon, Herrscher in Korinth, gewährt den Vertriebenen Asyl, fürchtet jedoch die Zauberkräfte Medeas. So dringt er darauf, dass Jason seine Tochter Kreusa ehelicht, Medea aber soll erneut verbannt werden. Jason willigt ein. Da sendet die tief Enttäuschte der Königstochter ein vergiftetes Kleid zur Hochzeit, Kreusa und mit ihr auch Kreon verbrennen, als sie es anlegt.

      Es war wohl erst der Tragödiendichter Euripides, der der alten Sage in seinem Drama „Medea“ einen neuen Schluss anfügte: Medea, rasend vor Zorn, tötet, um den treulosen Jason zu treffen, die eigenen Kinder. Mit dieser damals sicher publikumswirksamen Ergänzung wurde aus der betrogenen und gedemütigten Fremden die düstere, grausame, ganz von Leidenschaften beherrschte Barbarin, als die sie in die europäische Überlieferung eingegangen ist.

      ERSTER TEIL: IOLKOS - KAPITEL 1

      Der Himmel hatte sich nach und nach zugezogen, aufkommende Windböen trieben das Wasser gegen die Holzpfähle, die die Uferkante stützten. An den Stegen begannen die Boote einen erregten Tanz, zerrten an den Haltetauen, während die Leinen gegen die stählernen Masten schlugen – ein vielstimmiges Konzert begann, unterlegt vom konstanten Rauschen, das der Wind in den Ohren erzeugte, begleitet vom Taktschlag der Wellen, wenn sie gegen Ufer oder Bootsrümpfe klatschten.

      Jason liebte diese Stimmen über dem Wasser, liebte den Anblick der bewegten Förde, und stets überkam ihn der Wunsch, ganz allein hinauszusegeln, durch den Meeresarm zu kreuzen auf der Suche nach der offenen See. Es war verboten, bei solchen Wetterlagen die Boote zu benutzen, zu groß war die Gefahr, dass die Jollen zu weit krängten und dabei kenterten. Und doch – wie gerne hätte er jetzt die „Nixe“ losgemacht, das Vorsegel gesetzt und sich einfach vom Wind treiben lassen. Doch die Regeln waren streng, verbotenes Segeln hätte vielleicht sogar zum Schulverweis führen können, und das durfte er keinesfalls riskieren.

      Wohin hätte man ihn dann verweisen können? Er wusste es nicht. Lenorenlund war seine einzige Heimat, sein Zuhause, seitdem es dort, im Binnenland, unter den backsteinernen Türmen seiner Geburtsstadt, kein Zuhause mehr gab für ihn. In der hellen Gründerzeitvilla zwischen der lindenbestandenen Allee und dem weiten Wasserspiegel der aufgestauten Wakenitz war kein Platz für ihn, dort hatte sich Peer Yolck, der Halbbruder seines Vaters, eingenistet. Die Mutter war nun schon lange tot, und der Vater hatte sich – beleidigt und enttäuscht, ja, wohl auch betrogen und getäuscht – leicht verdrängen lassen. Ein kleines Zimmer im Altersstift am Stadtpark genügte ihm, nichts hatte er mitgenommen außer seinen Erinnerungen, die ihm die Gegenwart zur Qual machten.

      Selten nur verließ Eike Yolck das Haus, um wenige Schritte in den Park hinein zu tun, nie aber ging er weiter bis zur Allee, die den Park nach Westen hin begrenzte. Nie mehr wollte er einen Blick auf jenes Haus werfen, in dem nun der Bruder Hof hielt und Unternehmer, Künstler oder Lokalpolitiker zu seinen Festen lud. Es war einsam geworden um Eike Yolck, den einst so erfolgreichen Unternehmer, und auch von Jason, dem einzigen Sohn, der doch sein Erbe hätte werden sollen, erhielt er nur hin und wieder eine Postkarte mit nichtssagenden Grüßen. Der Bruder war es, der dem Sohn den Aufenthalt in Lenorenlund finanzierte, er hatte ihn dort untergebracht und damit aus der Nähe des Vaters vertrieben – auch aus der Nähe des Werks am Südrand der Stadt, das nun sein Werk war. Und er brüstete sich noch damit, dem Neffen diese gute, aber eben doch kostspielige Ausbildung zu ermöglichen.

      Wohin also hätte Jason gehen können, wo er nicht einmal in den Ferien in die Heimatstadt zurückkehrte, sondern es vorzog, als einer der wenigen Schüler im Internat zu bleiben – so wie auch jetzt in diesen schulfreien Herbstwochen. Hier war sein Zuhause, hier waren die Menschen, mit denen er reden konnte, denen er sein Vertrauen schenkte und die ihm vertrauten. Hier waren die Mitschüler, die Erzieher, die Lehrer, hier war seine ganze kleine Welt. Und die große Welt – das war dort zu seinen Füßen, das war das Wasser, die Weite der Förde, und weiter draußen die See; das war der Himmel darüber und die Wälder hinter dem Schloß, in dem das Internat seinen Mittelpunkt hatte.

      Jason saß auf dem Steg, er hatte die Füße auf die flache Reling der „Nixe“ gestützt und spürte dem Schaukeln des Bootes nach. Die ersten Tropfen fielen, aber das störte ihn wenig. Er war die Nässe gewöhnt, wenn er die Jolle gegen den Wind drehte und Spritzwasser ins Boot schlug. „Sie sollten sich lieber ein trockeneres Plätzchen aussuchen für Ihre Träumereien, Jason,“ sagte plötzlich eine vertraute Stimme hinter ihm. Er musste sich nicht umdrehen. Es war Dr. Scheer, sein Tutor, Lehrer für Naturwissenschaften am Gymnasium Lenorenlund. Es war der Mann, der ihm in den letzten Jahren zum Vater geworden war, so sehr, dass er den leiblichen Vater fast vergessen hatte – nicht einmal ein Foto besaß er von ihm, nur das Bild der Mutter bewahrte er in seinem Schreibtisch.

      Auch Dr. Scheer war nicht in die Ferien gefahren wie die meisten seiner Kollegen, auch für ihn war Lenorenlund Arbeits- und Urlaubsort zugleich. Und wenn Schüler und Lehrer Internat und Schule verlassen hatten, wenn ungewohnte Ruhe über den umliegenden Häusern lag und das Schloss bewohnerlos auf die Förde hinabblickte, dann genoss der Studienrat erst die ganze Schönheit dieser Landschaft, die er gerne durchwanderte, allein mit seinen Gedanken und seinen Ideen. Und er genoss es, diese Ideen in den leeren Labors auszuprobieren, ohne den Zwang, erklären zu müssen, allein mit seiner Neugier, seiner Lust am Experiment. Dass dann manchmal auch einer seiner Abiturienten, Jason Yolck, auftauchte und zuschaute, störte ihn wenig, denn der junge Mann erfasste stets schnell den Sinn der Anordnungen, stellte nur selten, aber dann meist kluge Fragen und war ihm so oft schon zur Hilfe gekommen, wenn er sich in den eigenen Gedanken verrannt hatte.

      Der Regen ließ noch auf sich warten, Dr. Scheer hatte sich neben seinen Schüler gesetzt und blickte ihn von der Seite an: „Sie sind der einzige, von dem ich nicht weiß, was er nach dem Abitur unternehmen wird,“ sagte er dann vorsichtig. Es lag ihm schon lange auf der Seele, mit dem jungen Mann über seine Zukunft zu reden. Er wusste, dass dessen Familienverhältnisse schwierig waren, dass er sonst keinerlei Gesprächspartner hatte, aber er wollte sich ihm nicht aufdrängen. Doch die Prüfungen würden in wenigen Monaten beginnen, Bewerbungen mussten rechtzeitig geschrieben werden, und die sonst unumgängliche Zeit bei der Bundeswehr schien dem Lehrer ein verlorenes Jahr, ganz abgesehen davon, dass Jason Yolck nicht zum Befehlsempfänger taugte.

      „Ich weiß es auch nicht.“ Jason sagte es ohne jede Emotion. Es war einfach eine Feststellung. Er hatte den Gesprächen seiner Klassenkameraden schweigend zugehört, ihre Pläne und Ziele zur Kenntnis genommen, ohne Neid, aber auch ohne Bewunderung. Er wusste, dass er einmal eine Selbstverpflichtung eingegangen war mit der Aufnahme in diese Schule, die mit den Worten begann „Ich bekenne mich zur Übernahme von Verantwortung für mich selbst...“ Der ganze folgende Ehrenkodex dieser Einrichtung hing damit ab von dieser einen Voraussetzung. Und jenes andere große Wort kam ihm in den Sinn, dass man andere nur lieben kann, wenn man sich selber liebt. Aber wie sollte er sich selber lieben, wenn er nirgendwo solche Liebe erfahren, vorgelebt bekommen hatte. Verantwortung für die anderen, die Mitschüler, die Gemeinschaft – ja, die hatte er gezeigt in diesen Jahren. Aber wie sollte er jetzt für sich selbst Verantwortung übernehmen, wenn er nirgends einen Weg sah, der in seine eigene Zukunft führen würde? Interessen hatte er schon, vieles reizte ihn, auch manche Studienrichtung – aber was war das Ziel für ihn selbst? Er

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