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      Helmut Lauschke

      Am Tor der alten Heimat

      Erschöpft und verwundet

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      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       Das Tor

       Ein Felderlebnis

       Hügel

       Meißelgeschichte

       Raphael kehrt von der Wanderung zurück

       Die kleine Stadt

       Über der Ferne hängt Rauch

       Am Ende der Träne

       Sprache

       Impressum neobooks

      Das Tor

      Erschöpft und verwundet

       Am Tor der alten Heimat wartet die Mutter mit unendlicher Geduld auf die Rückkehr ihrer Kinder, um sie über die Enttäuschungen und Verletzungen, die das Leben ihnen gab, zu trösten.

      Das Tor, vor dem ich steh, hat das Wetter gerostet. Rostberge stecken in der Öffnung, sie haben das Schlüsselloch ringsum verengt. Ein Nagel war noch hineinzustecken. Irgendwo mag der Schlüssel liegen, vielleicht unter der Brücke oder im Kanal oder war hinter dem Beton in den Sand getreten.

      Mag ihn der Enkel mit sich tragen, hat ihn neben das Foto gelegt unter dem vergilbten Deckglas mit dem schrägen Sprung. Erinnerung an die Heimat vor der Vertreibung mit dem Riss durch die Kindheit.

      Das Tor ist verschlossen, Rostschichten blättern in die zweite Generation, die nicht kommt, um das Tor in Ordnung zu halten. Der Eingang hinterm Tor ist liederlich zugemauert und nicht verputzt. Die Mauerwände stehen spröde und kahl, der Panzereinschuss ist gut zu sehen. Die alten Fugen sind weniger wellig als die neuen hinterm Tor, wo weder Mauer noch Fugen hingehören. Kriegsprovisorium hat sich zur Endgültigkeit erhoben an einem einst gepflegten Platz, an dem fünf Generationen bauten.

      Nun steht das Tor verrostet und vergammelt da, es hängt in den Angeln völlig deplatziert, dem sich die Vergänglichkeit aufgesetzt hat.

      Es gibt andere schmiedeeiserne Tore mit nicht weniger Rost und Gammelzeug, die vor Schweineställen und Misthaufen in angebrochenen Angeln hängen, die die Zeit zerrostet hat und vom Mauerwerk verlassen sind. Hauslos stecken die Tore im Feld.

      Ein Felderlebnis

      Wind wogt über Felder, dass der Keimling im Boden zittert. Der Sturm schlägt hoch stehendes Getreide nieder und macht das Schöpfungswerk zunichte.

      Das Kind fragt den Vater auf dem Felde, was es bedeutet. Der Vater schüttelt den Kopf, dass das Kind Tränen in die Augen bekommt. Der Vater nimmt das Kind an die Hand und sieht auf das zerzauste Feld. Er sagt, dass es nicht gut mit der Ernte gegen den Hunger steht.

      Die Kinderhand drückt die Hand des Vaters, die ihm den Mut eindrücken will, der sich mit Worten nicht eindrücken lässt. Der Vater ist gerührt und setzt sich auf den Boden. Er nimmt das Kind auf den Schoß und streicht ihm mit der rauen Hand über den Kopf.

      Er sagt es mit wenigen Worten, dass die Natur so einfach nicht ist, dass man älter werden muss, um sie zu verstehen.

      Das Kind hält den Blick aufs verwüstete Feld und fragt den Vater, ob das an den Menschen liegt, die nicht immer gut zu den Kindern sind. Das verschlägt dem Vater die Sprache, der sich wundert, woher das Kind das weiß. Sie gingen ins Dorf zurück und schwiegen; sie nahmen den stummen Weg zurück.

      Das verstand das Kind; es fragte nicht weiter und hörte auf die tiefen Atemzüge des Vaters.

      Hügel

      Grau und kahl stehen die Hügel, unter deren Decke jene liegen, die sie bepflanzten, Bäume setzten, von denen Reste verkrüppelt mit zerschossenen Ästen noch stehen.

      Über die Hügel hat sich das Schreituch gelegt, ein dickes Tuch, das Menschen zusammengeschrien haben, bevor sie umgestoßen, erschlagen und verscharrt wurden. Rotbraun sind die Spuren ihrer Schreie, toskanisch zum Gefäß gerundet und erhöht. Höher als die Türme von Menschenhand gebaut durchstößt es die Wolkendecke und ragt weit in den Himmel hinein. Das obere Ende ist von unten nicht mehr zu erkennen.

      Außen am Gefäß hat der Künstler Majograsso die Erschaffung und das Wirken von Menschen aufgemalt, anders, aber nicht kleiner als die in der Sixtinischen Kapelle von Michelangelo, wo auch Menschen mit ihren Werken zugange sind.

      Im Gefäß stecken keine Blumen für den Himmel, sondern Menschen wie du und ich, die sich in endlosen Lagen bis in den Himmel liegen, weil sie das Schreituch über den Hügeln erstickt hat; weiter oben helfen sie sich gegenseitig auf. Von denen, die sie unters Schreituch brachten, erwarten sie keine Hilfe, weil die sich an der Not und am Menschen vergreifen und sich ihrer Stärke an Wehrlosen noch rühmen.

      Auf den Kontinenten überziehen Schreitücher die Hügel von Toten. Die Spuren sind im Rotbraun der toskanischen Erde, den Rückständen des verklungenen Requiems von den Untergangschören gesungen.

      Der Planet ist voll von Hügeln gestopft mit Menschen, denen das Schreituch übergezogen wurde. Auf den Hügeln verwirren die rotbraunen Pfade. Man hört die Schreie bis in den Schlaf hinein, die einen zu ersticken drohen. Was ist das für ein Menschenfleiß, der sich nicht stoppen lässt!

      Meißelgeschichte

      Dem Herbst gehört die Frucht. Auch wenn sie bitter schmeckt, sie belohnt den Fleiß der Arbeit. Jahre und Furchen sind im Gesicht und in den Händen ‘eingemeißelt’. Es ist die Meißelgeschichte, die im Leben ohne Ende ist.

      Jahresnüsse werden geknackt, dabei werden hirnige Kerne aus der Schale befreit, dass die Zeit mit dem Momentum kommt und das Perpetuum mobile freisetzt. Es ist ein kühnes, virtuoses Unterfangen.

      Nur dem Lebenden gilt das Ende, solange er zwischen Kopf- und Fußende steckt, staunend vor dem Kreis steht und den Punkt betrachtet, der als Doppelpunkt von Anfang und Ende herumkreist, ohne ihm aufsitzen und auf ihm aufsteigen zu können.

      Die Gestalt passt nicht in den Punkt, der Ausgeformtes nicht aufnimmt, das dem Ende entgegenaltert, was dem kreisenden Punkt der neuen Werdemöglichkeit vorbehalten bleibt.

      Die Gestalt ist Frucht, und die Frucht ist vergänglich, dass man sie pflücken muss, wenn sie reif ist. Ein zeitliches Darüberhinaus gibt es nicht.

      Der Kern gehört in den Boden, damit der Keimling sprossen

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