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      Inhaltsverzeichnis

       Silke Brandt − Schwarzer Schnee in Norilsk

       Jörg Brixel − Slow Killer

       Anna Cijevschi − Leinwand

       Alex Dreppec − Die Kunst des Vermoderns

       Sabine Frambach − Willkommen in Art World!

       Siegfried Grosse − Morgenritual

       Gudrun Güth − Lightshow

       Hans-Jürgen Hädicke − Prozessprotokoll in der Strafsache »Kunst gegen Kunst«

       Pedro Hafermann − Variationen des Scheiterns

       Julius Robin Höhne − Madlen

       Boris Kerenski − Geklebte Papiere

       Daniel Klaus − Achtziger Jahre-Brüste

       Volker Krieger − Die Mütter sind schuld

       Herbert Kuboth − Hohe Kunst

       Susanne Mathies − Beleuchtet

       Mara Meier − Die Zeichenstunde

       Tobias Meinhardt − Fast ein Verbrechen

       Ulrike Melzer − Irgendwas mit Kunst

       Florian Michnacs − Obligationen (Romanauszug)

       Curd Neptun − Circus

       Rene Oberholzer − Die Enthüllung

       Karina Odenthal − Mord in Tempera. Scharlachrot

       Bertram B. Ohne − Alles ist Punk! Punk muß!

       Arpan Phönix − Musenlos

       Sylvia Schmieder − Holzmann

       Daniel Schneider − Blech

       Wolf D. Schreiber − This is reality

       Timon Seibel − Ein fröhliches Lied

       Maggie Thieme − Künstlerindasein

       Susan Tumbrel − Das Kunstprojekt

       Jürgen Weing − eine frage: wozu kunsten?

       Thomas Wörsdörfer − » Ich bin ich, ich bin hier, und dies ist der Ort, an dem ich sterbe «

       Pedro Zobel − Einladung

       Kurz-Biografien

       Impressum

      Silke Brandt

      − Schwarzer Schnee in Norilsk

      Die Bezahlung zerrt an meiner Hand, wagt aber keinen Laut. Hunger macht das Kind gehorsam.

      Keine Klebetütenschnüffler, keine Drogis. Nicht älter als zehn. Nur diese Anweisung. Um Geld geht es hier nicht – der Deal ist Blut gegen Tinte.

      Das Gesicht des Jungen ist unter seiner Kapuze verborgen, aber ich bin sicher, dass er nicht weint. Der Schnee ist so weiß wie an gewöhnlicheren Orten, nur die Abgase der Industrieschornsteine hängen über der Stadt, erstickendes Grau, Schwefeldioxid. Kälte presst den Brustkorb zusammen, Klaustrophobie in einer Welt aus Frost. Vor uns ragen neobarocke Monster auf, ein Dutzend Stockwerke erbsengrüner Fassaden mit ihren Halbsäulen. Sie wirken unbewohnt, verlassen wie die Altstadt. Aber es gibt ein Ziel: Cherniy Sneg, Schwarzer Schnee – eher Titel als Künstlername. Er ist ein Tätowiermeister, sein Rezept geheim, doch wird geredet von verbrannten Menschenknochen, Nickel, Aluminium, Schlacke. Das Gift, das die Tundra in eine Totenlandschaft verwandelte. Keine Farbe außer Schwarz in seinen Nadeln. Kein Kunde darf die Motive bestimmen.

      Sein Arbeitszimmer findet sich in einem Abbruchhaus. Zur Begrüßung streckt er mir eine Flasche entgegen – ohne Etikett, zu hoch gefüllt. Der Selbstgebrannte beißt auf der Zunge, schmeichelt dann mit ungewohnter Süße. Nach dem zweiten Schluck wird mir schwindelig.

      »Erst das Vergnügen, dann die Arbeit!«, witzelt Cherniy und schiebt den Jungen ins Nebenzimmer. Ich schenke mir ein Wasserglas voll und trinke auf ex. Ich will nichts hören.

      Das geblümte Wachstuch auf dem Tisch sieht aus, als sei jemand darauf seziert worden. Ich zeichne das Muster mit einem Finger nach. Draußen wirbelt Schnee vom Dach, ein Baum schüttelt seine Äste und verschwindet dann wie hinter einer Nebelwand. Als ich aufwache, meine ich, den Tag verschlafen zu haben. Herzschlag, Atmen dröhnt in meinen Ohren, der Weg zum Bad gleicht dem Vorantasten in einem Tunnel. Eine Hand abgestützt über dem Klo ziele ich nach Gefühl. Die Fliesen sind klebrig unter meinen Fingern, rote Schlieren, Tröpfchen. Neben mir wartet etwas in der Badewanne. Ich höre ein Zucken, Fleisch auf Emaille. Du bist ganz schmutzig, denke ich. Jemand müsste dich mal waschen. Ich schweige aus Angst, er könne antworten. Stehle mich rückwärts hinaus.

      »Ich sehe, du hast noch was zum Desinfizieren übrig gelassen«, begrüßt mich Cherniy. Auf dem Tisch eine Plastikflasche mit Tusche und eine archaische Maschine aus Akkus und Kabeln, zusammengehalten von Gummibändern, Schichten getrockneter Tinte. Umständlich schäle ich mich aus den Klamotten. Die Wachsdecke unter mir riecht nach eingelegtem Matjes. Der Alte beklopft meinen Rücken wie ein Kotelett, prüft die Dicke meiner Haut zwischen den Fingern.

      »Du hast mich belogen«, sagt er knapp. Die Hand kommt auf meiner Schulter zur Ruhe. »Das werden wir wegmachen.«

      Ich finde keine Stimme, um einzuwenden, dass mein

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